Zusammenfassung des Forschungsprojektes der European Shiatsu Federation – Phase 1

Hintergrund

Shiatsu ist eine Form der Körperarbeit, die in Japan entwickelt wurde, ihre Wurzeln in der Chinesischen Philosophie und Medizin hat und in vielen europäischen Ländern angewendet wird. Es ist eine von acht nichtkonventionellen, komplementärmedizinischen Behandlungsmethoden, die im„Collins-Report“ erwähnt, und vom Europäischen Parlament im Mai 1997, angenommen wurde. Die Ziele von Shiatsu bestehen darin, das Gleichgewicht der Lebensenergie wiederherzustellen und aufrechtzuerhalten durch die Anwendung von Druck auf die Energiekanäle und Akupressurpunkte des Körpers mit Händen und Daumen. Die Grundlagen zur Forschung über Shiatsu sind bis jetzt noch in einem frühen Stadium der Entwicklung. Es existieren nur wenige Forschungs-Studien zum Thema Shiatsu.


Ziele und Gegenstand der Forschung

Um zu dieser Grundlage etwas beizutragen, hat die „ Europäische Shiatsu Föderation“ die „Health Care Practice R & D Unit“, der Universität Salford, beauftragt, eine Zwei-Länder-Studie (Dauer: September 2001 bis Dezember 2002) durchzuführen, um die Wirkungen von Shiatsu auf die KlientInnen zu erforschen. Damit soll ein Fundament für die weitere Forschung darüber geschaffen werden, wie sicher und effektiv Shiatsu ist.

Die Studie hatte zwei Ziele:

  • Herauszufinden welche Wahrnehmungen auf Seiten der KlientInnen und der Shiatsu-PraktikerInnen hinsichtlich der Erfahrungen mit und der Wirkungen von Shiatsu gemacht wurden
  • Ein Protokoll für eine Kohorten-Studie mit Shiatsu-KlientInnen quer durch Europa zu entwickeln (Die Phase 2 der Studie)

Eine Anzahl von spezifischen Zielen wurde herauskristallisiert:

  • Einblick zu gewinnen, wie Shiatsu ausgeübt wird.
  • Die Wahrnehmungen von KlientInnen und Shiatsu-PraktikerInnen bezüglich der Erfahrung mit und der Wirkungen von Shiatsu herauszufinden.
  • Standardisierte Beurteilungskriterien für die Phase 2 der Studie zu entwickeln
  • Ein Forschungsprotokoll für Phase 2 zu entwickeln und auszutesten.


Methoden

Eine explorative Studie, die auf inhaltlich und zeitlich offenen Interviews basierte, wurde in den beiden Ländern Großbritannien und Deutschland vorgenommen. Die Interviews hatten das Ziel, Einblick zu gewinnen, welche Vorstellung die KlientInnen und Shiatsu-Praktizierenden von den Wirkungen und Erfahrungen mit Shiatsu hatten. Sowohl Positives als auch Negatives, Längerfristiges oder Kurzfristiges sollte berücksichtigt werden. Eine zweckmäßige Auswahl von Shiatsu-KlientInnen und Shiatsu-PraktikerInnen wurde vorgenommen, wobei die an der Studie teilnehmenden Shiatsu-PraktikerInnen ihre KlientInnen selbst auswählten. Es nahmen neun Shiatsu-BehandlerInnen aus Großbritannien und fünf aus Deutschland teil, sechs Männer und acht Frauen. Fünfzehn KlientInnen wurden ausgewählt, zehn in Großbritannien und fünf in Deutschland.

Ein Interview mit offenem Ausgang wurde mit jeder TeilnehmerIn durchgeführt. Für die KlientInnen waren die Interviews darauf ausgerichtet, zu erfahren welche Erfahrungen und Wahrnehmungen sie über die Wirkungen von Shiatsu hatten, sowohl positive als auch negative. Bei den PraktikerInnen zielten die Interviews darauf ab, ihre Meinungen über die Umstände herauszufinden, die eine erfolgreiche Behandlung förderten oder behinderten, auch welche negativen Wirkungen sie beobachtet hatten. Jedes Interview wurde auf Band aufgenommen und später niedergeschrieben. Die Daten wurden mittels eines grundlagentheoretischen Ansatzes analysiert, und mit Hilfe des NVivo-Computerprogramms bearbeitet. Das Ethik-Komitee der Fakultät für Gesundheit und Sozialfürsorge der Universität von Salford gab seine Zustimmung zu der Studie.

Um die Allgemeingültigkeit zu erweitern und die Daten-Auswertung zu verifizieren, wurde ein Workshop in jedem Land mit einer weiteren Gruppe von Shiatsu-PraktikerInnen (neun im Ganzen) abgehalten. Der Entwurf des Berichtes wurde jeder der teilnehmenden KlientInnen und Shiatsu-PraktikerInnen zugesandt, um ihn zu kommentieren. Die endgültigen Untersuchungsergebnisse wurden auf einem internationalen Treffen mit Shiatsu-PraktikerInnen vorgestellt, die von den nationalen Shiatsu-Verbänden ernannt worden waren.

Indem man die Datenauswertung als Grundlage nahm, wurde ein Satz von Fragebögen für die Studienphase 2 verfasst. Dieser Satz von Fragebögen wurde zuerst an die UK-KlientInnen und Shiatsu-PraktikerInnen, die an der Interview-Studie teilgenommen hatten, verteilt und dann an die Mitglieder der Beratungsgruppe des Projektes zur Begutachtung gegeben. Nach der Überarbeitung wurden sie den Mitgliedern des Internationalen Treffens vorgestellt, und es wurden weitere Verbesserungen vorgenommen.


Wesentliche Ergebnisse


Die TeilnehmerInnen

Es nahmen sieben männliche und acht weibliche KlientInnen an der Untersuchung teil. Ihr Alter lag zwischen 28 und 67 Jahren. Alle diese KlientInnen hatten schon öfter Shiatsu-Behandlungen bekommen. Die Häufigkeit der Behandlungen reichte von 5 Sitzungen in 3 Monaten bis zu über 12 Jahren. Die meisten der KlientInnen kamen zum Shiatsu aufgrund persönlicher Bekanntschaften, z. B. auf die Empfehlung eines Freundes oder Kollegen.

Neun weibliche und fünf männliche Shiatsu-PraktikerInnen nahmen an der Studie teil. Sie hatten unterschiedlich lange Erfahrung mit Shiatsu-Behandlungen, von mehr als 15 Jahren (vier Shiatsu-PraktikerInnen) und um die 4 Jahre (drei Shiatsu-PraktikerInnen), mit einem Mittelwert von 11 Jahren. Fünf der Shiatsu-PraktikerInnen hatten 4 bis 7 KlientInnen pro Woche und weitere 5 hatten 13 bis 20 KlientInnen pro Woche. Neun waren LehrerInnen und vier leiteten eine Shiatsu-Schule.


Inanspruchname von herkömmlichen und komplementärmedizinischen Methoden durch die KlientInnen

Die KlientInnen erzählten, dass sie eine Reihe von alternativen und komplementären Therapien in Anspruch nehmen würden. Manche fuhren fort, diese anderen Methoden zusätzlich zu Shiatsu anzuwenden, andere hatten sie in der Vergangenheit in Anspruch genommen. Für einige KlientInnen war Shiatsu die erste alternative Therapie, die sie ausprobierten, andere hatten eine oder mehrere andere Therapien vor Shiatsu ausprobiert. Die meisten KlientInnen (dreizehn von fünfzehn) hatten zuvor eine ganze Reihe von komplementären Methoden in Anspruch genommen, einschließlich Homöopathie, Akupunktur, Massage, Chiropraktik, Cranio-Sacral-Therapie und Reflexzonen-Behandlung.

Für einige KlientInnen führte der Weg zu Shiatsu über die Schulmedizin. Für andere, besonders diejenigen, die Shiatsu aus Interesse oder Neugier ausprobiert hatten, war die Schulmedizin nicht wichtig für ihre Shiatsu-Behandlungen. Eine Anzahl von Ihnen erwähnte, dass sie nicht gerne Medikamente einnehmen würden und sie fänden komplementäre Methoden akzeptabler. Manche KlientInnen erwähnten auch, dass die komplementären Methoden größere Beachtung verdient hätten und dass beruflich in der Schulmedizin Tätige von diesen Methoden lernen könnten.


Der Anfang mit Shiatsu

Die KlientInnen beschrieben eine Reihe von Symptomen und Problemen, unter denen sie litten und sich deshalb behandeln ließen. Einige von Ihnen hatten anfänglich z. B. folgende Symptome genannt: Probleme mit Muskeln oder Gelenken, Rückenschmerzen, wenig Energie, Müdigkeit, Stress und Anspannung. Ihre eigentlichen Gründe, zur Shiatsu-Behandlung zu gehen, ließen sich aber nicht nur mit Symptomen oder Problemen, die sie hatten, erklären. Einige kamen aus Interesse oder Neugier, andere aus einer Notwendigkeit oder Verzweiflung heraus und wieder andere, um etwas für sich zu tun.


Die Erfahrungen der KlientInnen

Die KlientInnen beschrieben eine Vielzahl von Erfahrungen und Gefühlen während ihrer Shiatsu-Sitzungen. Am häufigsten war ein Gefühl der Entspannung, die manchmal sehr tief erfahren wurde. Andere fühlten, wie die Energie sich im Körper bewegte oder befreit wurde. Sie erzählten, dass sie Shiatsu sehr gerne mochten und empfanden es als angenehme und positive Erfahrung. Für einige war es eine emotionale Erfahrung, einschließlich Weinen oder einem Gefühl, als müsse man weinen. Es wurde der körperliche Kontakt zur PraktikerIn erwähnt, dass sie gedehnt und bewegt und die Muskeln und Gelenke untersucht wurden. Einige versicherten, dass für sie Shiatsu keine schmerzhafte Erfahrung wäre; einige, dass es manchmal schmerzhaft sein könne, dass das aber kein Problem darstelle; andere empfanden es als unangenehm, reagierten empfindlich oder nahmen es als „angenehmen Schmerz“ wahr.

Die KlientInnen wiesen auch auf den nicht-physischen Anteil der Sitzungen hin. Sie beschrieben verschiedene Aspekte der Gespräche mit der Shiatsu-PraktikerIn. Dies beinhaltete „Vereinbarungen“ über die Behandlung, „Gespräche“ (die Wichtigkeit, jemanden zu haben, mit dem man sprechen konnte und der mitfühlend zuhörte) und Erklärungen und Diskussionen über die mehr theoretischen Aspekte von Shiatsu. Ihr/e Shiatsu-PraktikerIn gab ihnen Rückmeldung über sich selbst (vor allen Dingen über den Körper), half ihnen, Veränderungen im Laufe der Zeit wahrzunehmen, zum Beispiel bei Symptomen und gab ihnen auch verschiedene Empfehlungen für den Lebensstil. Die KlientInnen teilten auch mit, dass sie Techniken erlernten, um Schmerz und Stress besser handhaben zu können, Punkte selbst zu drücken, Gymnastik- und Atemübungen durchzuführen. Schließlich erwähnten sie auch noch, dass die Umgebung oder der Raum, wichtig war, in dem sie Shiatsu bekamen.


Allgemeine Wirkungen

KlientInnen verwendeten starke Worte, um ihre Erfahrungen mit Shiatsu und die Wirkungen, die es auf sie hatte zu beschreiben. Sie betonten die Stärke und Tiefe dieser Erfahrung zum Beispiel mit „fantastisch“, „eine unglaubliche Erfahrung“, „ehrfurchteinflößend“ oder „ein ziemlich überwältigender Effekt“.

Shiatsu-PraktikerInnen bemerkten eine ganze Reihe von allgemeinen Wirkungen. Diese umfassten die folgenden Gebiete: Entspannung, physische Auswirkungen (auf Schmerzen, Atem, Haltung etc.); emotionale Auswirkungen (glücklicher zu sein, in der Lage zu sein, „die Sorgen zu vergessen“ oder einen besseren Zugang zu emotionalem Wohlergehen zu haben), ausgeglichener zu sein; mehr verbunden zu sein (mit ihrem Körper und innerem Selbst); eine Bewusstheit zu entwickeln (für ihren Körper, ihr inneres Selbst und die Möglichkeit etwas für sich selbst zu tun); einen schlechten Gesundheitszustand zu vermeiden und die Gesundheit zu erhalten.


Unmittelbare Wirkungen

Sowohl die KlientInnen als auch die Shiatsu-PraktikerInnen wiesen auf eine Anzahl von sofortigen Wirkungen von Shiatsu hin. Die KlientInnen erwähnten sofortige Wirkungen auf ihre Symptome, auf die Fähigkeit, besser zu schlafen; auf ihre Gefühle (zur Ruhe kommen, ausgeglichener zu sein, sich körperlich anders zu fühlen); auf die Art zu denken. Sie erwähnten weiterhin eine Erlösung und Erleichterung, als ihre Symptome besser wurden; körperliche Auswirkungen (beweglicher, weniger steif, geschmeidiger zu sein); sich nach der Behandlung „normaler“ zu fühlen. Shiatsu-PraktikerInnen betonten, dass die meisten KlientInnen „unmittelbar nach der ersten Behandlung bereits“ eine „Erleichterung und Entspannung fühlten“.


Vorübergehende Wirkungen

Die Kategorie „vorübergehende Wirkungen“ entstand durch Gespräche mit KlientInnen und Shiatsu-PraktikerInnen über die sofortigen Wirkungen von Shiatsu-Behandlungen. Vorübergehende Erfahrungen sind sofortige Wirkungen der Shiatsu-Behandlung, die nicht dem entsprechen, was sich die KlientInnen von der Behandlung erwarteten, sind nicht unbedingt positiv (wenngleich auch nicht unbedingt negativ) und hielten nicht sehr lang an. Sie wurden von 12 der 15 KlientInnen erwähnt und sie dauerten zwischen einer Viertelstunde, bis zum nächsten Tag nach der Sitzung. Einige KlientInnen erwähnten, dass diese Auswirkungen eher bei den ersten Shiatsu-Behandlungen auftraten.

Einige KlientInnen beschrieben diese Erfahrungen in Worten wie: “sich nicht ganz da fühlen“, „sich ausgelaugt fühlen“, sie nahmen körperliche Veränderungen und andere vorübergehende emotionale Empfindungen war. Einige PraktikerInnen wiesen ihre KlientInnen darauf hin, daß sie sich danach vielleicht “nicht so wohl fühlen, sich müde fühlen oder Schmerzen haben“ könnten. Die Shiatsu-PraktikerInnen sollten ihre KlientInnen vielleicht darauf hinweisen und ihnen sagen, dass sie sich u.U. für ein paar Tage etwas müde oder nicht so gut fühlen könnten und ihnen vorschlagen, sich dann etwas mehr Ruhe zu gönnen.

Keine der TeilnehmerInnen fand aber diese Auswirkungen so problematisch, dass es sie abgehalten hätte, weitere Behandlungen zu nehmen. Sie fanden heraus, dass sie mit diesen Auswirkungen umgehen konnten, wenn sie ihre Sitzungen auf passendere Termine legten, z. B. wenn sie nicht wieder unmittelbar danach an die Arbeit gehen mussten. Die BehandlerInnen äußerten sich in Worten, wie „Heilungskrise“ oder „Heilungsprozess“ und bezogen sich auf „körperliches Feedback“ und die „Selbstheilungsprozesse “


Langfristige Wirkungen

Die KlientInnen sprachen über die Wirksamkeit von Shiatsu: dass es ein „echter Segen“ sei und “tatsächlich wirkt”, mehr als nur eine „angenehme Behandlung“ sei. Einige PraktikerInnen sagten, sie wüssten aus ihrer eigenen Erfahrung, wie effektiv Shiatsu sei. Die Tatsache, dass die KlientInnen immer wieder kamen, zeigte ihnen, dass es wirksam sein muss.

Längerfristige Wirkungen, die von den KlientInnen erwähnt wurden waren: Auswirkungen auf ihre Symptome; sich ausgeglichener fühlen oder mehr im Gleichgewicht zu sein, eine „Körpererfahrung“ auf eine neue Art und Weise zu machen und sensibler auf Eindrücke zu reagieren, besonders wenn sie sich auf das Energiesystem bezögen; Gefühle der Hoffnung und Ermutigung, dass etwas getan werden könne für die Lösung ihrer Probleme, Verbesserungen der Körperhaltung, die Bestärkung mit Problemen besser fertig zu werden, und geistige und emotionale Wirkungen die es ihnen ermöglichten sich selbst besser wahrzunehmen und Shiatsu als ein Mittel persönlicher Entwicklung zu nutzen.

Das Anhalten der Wirkungen hing ab von äußeren Einflüssen, wie z. B. was in der Arbeit geschehen war und von der Ernsthaftigkeit und Art ihrer Probleme. Die KlientInnen erwähnten, wie wichtig es sei, Vertrauen zur Shiatsu-PraktikerIn zu haben um gute Wirkungen zu erzielen. Die Wirkungen von Shiatsu änderten sich auch im Lauf der Zeit, dauerten länger, wurden tiefer oder entwickelten sich auf andere Weise. Einige KlientInnen erwähnten ihre Unsicherheit bezüglich der Wirkungen von Shiatsu. In manchen Bereichen zum Beispiel waren allmählichere Änderungen und emotionale Auswirkungen schwerer festzustellen.

Die Shiatsu-PraktikerInnen sprachen von einer großen Bandbreite von längerfristigen, spirituellen, physischen, energetischen und emotionalen Wirkungen. Diese beinhalteten: die KlientIn „im Gleichgewicht halten“, sich bewusster oder zentrierter zu fühlen, was ein Gefühl der Ganzheit ermöglichte, des inneren Friedens und der Selbsterkenntnis und auch der Gesundheitsvorsorge und Gesunderhaltung diente. Die Shiatsu-PraktikerInnen wiesen auch darauf hin, dass längerfristige Wirkungen eher eintraten, wenn bestimmte Schmerzen gelindert wurden, zusätzlich zu den Behandlungen Empfehlungen gegeben wurden und wenn die KlientIn offen war oder eine flexible, geistige Einstellung zeigte.


Negative Wirkungen

Nur ein Klient beschrieb eine definitiv negative, körperliche Reaktion auf eine Behandlung. Er konnte drei Tage lang nicht laufen und fühlte sich krank. Bei der Befragung über negative Wirkungen neigten die meisten dazu, über Bereiche zu sprechen, wo ihnen Shiatsu nicht so geholfen hatte, wie sie es sich erhofft hatten. Zwei KlientInnen beschrieben emotionale Wirkungen von Shiatsu, die sich in negativen Reaktionen auf Familienmitglieder gezeigt hatten, und einer erwähnte die Möglichkeit, dass Shiatsu schädlich sein könnte.

Die Hälfte der vierzehn Shiatsu-PraktikerInnen wiesen darauf hin, dass sie „keine negativen Wirkungen“ von Shiatsu erkennen konnten, „die Wirkungen nicht als negativ sehen würden“, oder dass das, was als negative Auswirkung erlebt wurde, lediglich eine „negative Reaktion.“ sei. Diejenigen, die negative Wirkungen erlebten, sprachen von „Kopfschmerzen“, „Muskelschmerzen“, „sich bewusster sein über ihre Gefühle“, „sich sehr müde fühlen danach“ oder mehr allgemein: „dass sie sich für eine Zeitlang nicht wohl fühlten“.

Einige Shiatsu-PraktikerInnen erklärten, dass negative Auswirkungen eigentlich nicht vorkämen, wenn man aus dem Hara arbeite oder „wenn man in Kontakt mit der Person bleibe“ und als erfahrene Shiatsu-PraktikerIn wisse man, wieviel Druck man ausüben dürfe und wie lang, um z.B. spätere Muskelschmerzen zu vermeiden. Mit mangelnder Erfahrung könnten negative Auswirkungen eintreten, wenn die PraktikerIn nicht das Hara respektiere oder die Person ohne Unterstützung lasse, nachdem sie bestimmte Gefühle angeregt habe. Negative Wirkungen könnten ebenfalls entstehen, wenn die PraktikerIn an ihren eigenen Vorstellungen festhält, wie die KlientIn sich ändern solle. Andere Beispiele über negative Wirkungen waren: wenn die PraktikerIn einen Fehler macht („zu hart arbeitet“), die Technik „nicht so gut ist“, wenn der Fokus nur auf der physischen Seite liegt, wenn sie zu müde ist oder die Dinge im Ungleichgewicht belässt.


Die Beziehungsebene KlientIn / Shiatsu-PraktikerIn

Beide, sowohl KlientIn als auch Shiatsu-PraktikerIn, machten auf die Wichtigkeit ihrer Beziehung zueinander aufmerksam. Die KlientInnen erlebten sie als eine Zusammenarbeit mit der Shiatsu-PraktikerIn. Die KlientInnen waren aktive TeilnehmerInnen an der Sitzung, erwähnten bestimmte Bereiche die behandelt oder vermieden werden sollten und gaben sich dann der PraktikerIn in die Hände. Einige KlientInnen erwähnten auch den Umstand als angenehm, dass ihnen die KlientInnen-Rolle eine gewisse Wichtigkeit verleihe, „dass jemand etwas für sie tun würde“ und dass sie einmal nicht für andere da sein müssten. Die KlientInnen beschrieben ihre BehandlerInnen auf verschiedene positive Weise, und zwar: Aufbau einer Kommunikationsebene mit der PraktikerIn, sie sei professionell, gut ausgebildet, wisse viel und sei erfahren, sie erforsche und erfasse die Probleme, die die KlientIn zur Behandlung veranlasst haben gut. Sie betonten den Fokus der BehandlerIn auf die KlientIn, die Bereitschaft zur Unterstützung, die Fürsorglichkeit der KlientIn gegenüber und die taktile Beziehung zur PraktikerIn.

Die PraktikerInnen sprachen über die energetische und konventionelle therapeutische Beziehung zur KlientIn. Die energetische Beziehung umfasste den körperlichen Kontakt und die Energiebewegungen und wie diese gezielter wurde, je mehr die PraktikerIn an Erfahrungen sammelte. Die konventionelle therapeutische Beziehung beinhaltete einen stillschweigenden Vertrag zwischen KlientInnen und PraktikerInnen (mitteilen ihrer Erwartungen, Zustimmung zu Zielen, etc.); das Bedürfnis nach einer qualitativ guten Beziehung (die KlientIn sprechen zu lassen, zuzuhören, der KlientIn Wohlbefinden zu vermitteln etc.); die Erlaubnis zu Nähe; Rückmeldung und Rat zu geben und die Anregung an die KlientIn, sich einzubringen, damit die Behandlung erfolgreich sein kann.


Die Ansichten der PraktikerInnen über den Erfolg

Einige PraktikerInnen hatten eine klare Vorstellung über den Erfolg als ein Ziel, aber nicht notwendigerweise als etwas, was man erzwingen könne. Andere hatten keine Erwartungen und wollten mit dem arbeiten „was da ist“.

Eine PraktikerIn wollte das Problem der KlientIn „lösen“, für eine andere war jede Sitzung auf ihre Weise erfolgreich und wieder eine andere sagte, dass ein langfristiges Ziel wichtig sei. Mögliche Maßstäbe des Erfolges variierten von einem „Danke-Schön“, dem Wiedererscheinen der KlientIn und Veränderungen im Hara der Person oder in ihrer Energie. Erfolg bezog sich auf das Verhältnis zwischen PraktikerIn und KlientIn, im Besonderen auf die KlientIn als aktive TeilnehmerIn oder auf die Zusammenarbeit mit ihr.

Die Umstände, die den Erfolg ermöglichten, wurden in sechs Hauptbereiche geteilt: innere Haltung (ob die KlientIn bereit war sich zu verändern, den Willen hatte, es zu versuchen oder es versprach) körperlich-geistige Bereitschaft (sich vorwärts zu bewegen, Entspannung oder Berührung zuzulassen, eine „freiere Energie“ zu haben) offen sein, realistische Erwartungen haben, sich einbringen (Verantwortung übernehmen, eine aktive TeilnehmerIn sein) die Möglichkeit, ausreichend viele Shiatsu-Behandlungen zu erhalten vorhergehende Erfahrungen mit komplementärer und alternativer Medizin eine KlientIn die längere Zeit bleibt, die viele Wochen kommt, oder sogar über Jahre

Vier Umstände wurden von den PraktikerInnen genannt, die die möglichen segensreichen Wirkungen von Shiatsu verringern: die Einstellung der KlientIn (von einer „mach mich gesund“ Haltung über die fehlende Bereitschaft Dinge gehen zu lassen, bis zu der Haltung sich auf den anderen nicht einlassen zu wollen) die KlientIn, die sich ihres Körpers nicht bewusst ist, oder wie ihr Körper bei Anspannung reagiert die KlientIn, die keinen Rat annimmt die Einstellung mit der sie zum Shiatsu kam (widerstrebend oder unfähig, sich auf Shiatsu einzulassen)


Die Vorstellungen der KlientInnen über Shiatsu

Eine Reihe von Vorstellungen über Shiatsu, so wie die KlientInnen es sehen könnten und die Rolle, die es in ihrem Leben spielen könnte, wurde während der Interviews vorgeschlagen. Dies eröffnete einen größeren Einblick, warum KlientInnen Shiatsu-Behandlungen nahmen und auch weiterhin nehmen wollten. Diese beinhalteten: Shiatsu als einen Ort zu sehen, Probleme anzupacken ( effektive Behandlung, Zentrum der Gesundheitsvorsorge, Möglichkeit zur Ruhe zu gelangen, an das Individuum angepasste Behandlung); Shiatsu als ein Platz für mich in meinem Leben und Kulturkreis (etwas für mich tun, ein Platz zum Entspannen, die Balance bewahren zu können, ein Ausgleich zu anderen Bereichen meines Lebens haben, einen Bereich haben um alternativ zu leben); Ganzheitlichkeit und theoretischer Überbau von Shiatsu; die Beziehung von Shiatsu zum Wissen und rationalem Denken und Shiatsu als wesentlicher Bestandteil ihres Lebens.

Die PraktikerInnen hatten eigene Vorstellungen darüber, was KlientInnen von Shiatsu-Behandlungen erwarteten. Sie äußerten sich dazu folgendermaßen: alternative Wege zur Betrachtung des Lebens zu öffnen, andere Muster und Möglichkeiten zu erfahren und die Wiederentdeckung des und (Wieder)Verbindung mit dem Körper; die Unterstützung der Selbstheilung und die Möglichkeit, seine Welt zu ändern.

Die Shiatsu-PraktikerInnen äußerten auch eine Reihe von Vorstellungen, was Shiatsu für sie selbst bedeutete. Zumindest teilweise bezog sich das auf die Art ihrer Arbeit, das heißt wie sie Shiatsu praktizieren. Für alle stand im Mittelpunkt, dass Shiatsu einen in Kontakt mit dem Körper brächte „ mit den Händen den ganzen Körper berühren“ und „in Kontakt mit dem Körper sein“. Es war ein System, das sie anwenden und interpretieren konnten, eine Möglichkeit eine Auszeit zu nehmen und eine Gelegenheit zur Geist-Körper Verbindung zu finden. Für Dauer-KundInnen führten die Behandlungen dazu, dass sich dann auch „der Körper daran erinnerte“.


Die Weiterentwicklung der PraktikerIn durch Shiatsu

Die Shiatsu-PraktikerInnen sprachen auch über die Art und Weise, in der sie Shiatsu ausübten. Drei Hauptthemen wurden dabei gefunden: die individuelle Art der Praxis (es wurde darüber in Worten gesprochen wie: „meine Herangehensweise“, „ eigene kleine Tricks haben“). Die Entwicklung und Entfaltung durch die eigene Praxis (wachsende Erfahrung, wachsen als Individuum, lernen) und die Wichtigkeit, dranzubleiben. Außerdem sprachen sie über ihre LehrerInnen-Rolle (die SchülerIn die Sensibilität zu lehren, wie tief man gehen dürfe und für die Qualität ihrer Berührung) und kommentierten bestimmte Behandlungsziele, die sie sowohl allgemein, als auch für bestimmte KlientInnen hatten.


Die Fokus-Gruppen

Die TeilnehmerInnen in den zwei Fokus-Gruppen gaben zusätzliche Beispiele zu den vorhandenen thematischen Bereichen, lieferten aber keine neuen Daten oder analytische Kategorien. Ihre Kommentare steigerten noch die Glaubwürdigkeit und Allgemeingültigkeit der Ergebnisse.


Schlussfolgerungen

1. Die Studie hat ihre Ziele erreicht. Durch die Verfolgung eines strikt qualitativen Forschungsentwurfs wurde eine Fülle an Daten über die Erfahrungen mit und Auswirkungen von Shiatsu aus der Perspektive einer bestimmten Anzahl von KlientInnen und Shiatsu-Praktizierenden in zwei Ländern gewonnen. Die Ergebnisse bieten eine wichtige Ergänzung zu der bestehenden wissenschaftlichen Basis über Shiatsu.

2. Die Ergebnisse, die gewonnen wurden, demonstrieren den Wert der Methoden, die in der Studie angewandt wurden. Im Besonderen die Wichtigkeit und den Wert einer Forschungs-Studie, die in die Tiefe gehende Interviews anstellt, um Einsicht in disziplinspezifische Wirkungen und Erfahrungen zu gewinnen. Solche Forschung muss noch vor Studien mit der Zielrichtung „funktioniert es eigentlich?“ gemacht werden, um experimentelle Daten darüber zusammenzutragen, „welche Wirkungen“ es geben könnte; Wirkungen, die von KlientInnen geschätzt und für wichtig befunden werden; Wirkungen und Ergebnisse, anhand derer die PraktikerInnen erkennen können, dass ihre Behandlungen und Shiatsu generell wirksam sind.

3. Die Ergebnisse liefern eine Grundlage – basierend auf Erfahrungen von KlientInnen und PraktikerInnen – auf der sich geeignete Methoden für eine größere Studie entwickeln lassen, mit einer größeren Anzahl von sowohl neuen als auch gegenwärtigen Shiatsu-NutzerInnen in mehreren Ländern in Form einer Kohortenstudie.


Empfehlungen

1. Die Ergebnisse sollen in der Forschungs- und PraktikerInnen-Gemeinschaft verbreitet werden. Folgende Aktionen werden empfohlen: Publikationen in Rundschau-Journalen und Präsentationen auf Konferenzen durch das Forschungsteam. Verbreitung der Ergebnisse durch die Europäische Shiatsu Föderation (ESF) und ihre nationalen Verbände. Publikation der Zusammenfassung der Ergebnisse auf der Website der Universität Salford (www.fhsc.salford.ac.uk/hcprdu/projects/shiatsu.htm) und wenn möglich, auf der der ESF. Die ESF und die nationalen Verbände sollten nach weiteren Möglichkeiten schauen, die Forschungsergebnisse vorzustellen, sowohl auf politischer Ebene als auch innerhalb der PraktikerInnen-Gemeinschaft mit den entsprechenden passenden Berichten für das jeweilige Ziel-Publikum.

2. Überlegungen in der ESF und den nationalen Verbänden anstellen, welche Schlussfolgerungen aus den Ergebnissen für eine Professionalisierung der Ausbildung als auch des Berufes gezogen werden können. Mögliche wichtige Felder sind die Kommentare von KlientInnen über ihre Erfahrungen, die therapeutische Beziehung und negative Wirkungen.

3. Es sollten Wege gefunden werden weitere Forschungen zu finanzieren, durchgeführt in Form einer Longitudinalstudie in weiteren Ländern mit mehr KlientInnen, sowohl neuen als auch gegenwärtigen NutzerInnen von Shiatsu.