Zur rechtlichen Situation der Ausübung von Shiatsu in Deutschland (Bruno Endrich)

  1. Shiatsu ist ein eigenständiges System der Förderung und Begleitung von Menschen in ihren spezifischen Lebenssituationen durch Anregung ihres selbstregulativen Energie-Systems (Ki) mittels shiatsuspezifischer Berührung in gleichwertigen Praxisfeldern.
  2. In den unterschiedlichen Praxisfeldern gibt es entsprechende gesetzliche Bestimmungen.
  3. Praxisfelder:
    • Wer Shiatsu zur Behandlung von Krankheiten einsetzen will, bedarf dazu der Bestallung als Arzt oder der Zulassung als Heilpraktiker.
    • Shiatsu in der Gesundheitsförderungspraxis zur Unterstützung der Lebens- und Gesundheitskräfte fällt nicht unter diese gesetzlichen Bestimmungen, weil und insofern die PraktikerIn Krankheiten weder diagnostiziert noch behandelt, sondern Ki anregt. Dabei wird der “ganze Mensch” einbezogen und angesprochen, ihm wird in möglichst allen seinen Aspekten Raum gelassen, Raum eröffnet. Diese Praxis ersetzt keine notwendige medizinische Behandlung.
    • Shiatsu in den verschiedenen Institutionen – von Wellnesseinrichtungen über Kindergärten bis zu Altenheimen – hat jeweils spezifische Zusatzregelungen. Häufig kommen hier berufliche Vor-Qualifikationen zum Einsatz.
  4. Zur Werbung gibt es einschränkende gesetzliche Bestimmungen.
    • Heilungsversprechen dürfen generell nicht gegeben werden, insbesondere nicht unter Nennung bestimmter Krankheiten.
    • HeilpraktikerInnen / Ärzte dürfen mit “fremd- und fachsprachlichen” Bezeichnungen nur unter Hinzufügung erläuternder Erklärungen werben.
    • Shiatsu wird immer bekannter. Deshalb berichten auch die Medien immer öfter darüber. Allerdings wird Shiatsu nicht in erster Linie als Folge dieser Berichte bekannter, sondern weil immer mehr Menschen ihre positiven Erfahrungen sicher, aber langsam weitergeben…
    • Unsere Selbst-Darstellung sollte stets Shiatsu angemessen sein, Raum und Bewegung öffnen, Energie und Ideen anregen… Die Geschäftsstelle unterstützt Sie gerne, wenn Sie hierzu Fragen haben – lieber vorher als nachher.
  5. Es gibt ein Urteil des Bundesverfassungsgerichtes vom 2.3.2004 [BverfG, 1 BvR 784/03], das einem Heiler das Heilen (in diesem Fall: “Aktivierung der Selbstheilungskräfte seiner Patienten durch Handauflegen”) ohne Heilpraktikerprüfung erlaubt. Es ist zwar nicht unmittelbar auf Shiatsu übertragbar, doch es enthält für die Fragen der Ausübung von Shiatsu in der Gesundheitspraxis wichtige Argumente:
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Im Fall dieses Heilers seien ärztliche Fachkenntnisse nicht erforderlich, zumal er “unabhängig von etwaigen Diagnosen einheitlich durch Handauflegen” handele; den Eindruck des Heilpraktikers [eines nach heilkundlichen Maßstäben Geprüften] möchte der Heiler gerade nicht erwecken (es entspreche nicht seinem Berufsbild), und er sollte es auch gar nicht: je weiter sich sein Erscheinungsbild von medizinischer Behandlung entferne, desto geringer werde das Gefährdungspotential: wer einen Heilpraktiker aufsuche, werde den Arzt eher für entbehrlich halten; und dieser Gefahr, der Vernachlässigung notwendiger ärztlicher Behandlung, könne der Beschwerdeführer entgegenwirken, indem er zu Beginn des Besuchs ausdrücklich darauf hinweise, dass er eine ärztliche Behandlung nicht ersetze – etwa durch einen gut sichtbaren Hinweis in seinen Räumen oder durch zur Unterschrift vorgelegte Merkblätter.

Das Gericht würdigt das Grundrecht der freien Berufswahl, und es stellt ausdrücklich fest: “Es ist nicht Sache des Heilpraktikergesetzes, die Inanspruchnahme eines ‚dritten Weges‘ zu unterbinden.”

  • Für die Beurteilung der rechtlichen Fragen der Ausübung von Shiatsu in der Gesundheitspraxis kann uns dieses Urteil zwar nicht von allen Unsicherheiten befreien; Shiatsu steht der medizinischen Heilkunde sicher näher als Heilen durch Handauflegen. Wir sind aber mit der Entwicklung eines Berufsbildes “Shiatsu in der Gesundheitsförderung” auf dem richtigen Weg. Wir werden den Unterschied zur ärztlichen Tätigkeit herausstellen, indem wir deutlich machen, dass Shiatsu keine ärztlichen Fachkenntnisse erfordert, und dass es frei von gesundheitlichen Risiken für die EmpfängerIn praktiziert wird.

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© Bruno Endrich ist Mitglied im GSD-Vorstand; gemeinsam mit seiner Frau Anna Christa Endrich leitet er das E.S.I. Heidelberg, esi-heidelberg@shiatsu.de (veröffentlicht im Shiatsu Journal Nr. 38, Sommer 2004)