Yin und Yang
“Bevor Himmel und Erde waren, gab es etwas Verschwommenes, still, einsam, alleine stehend, wandellos, im ewigen Kreislauf ohne Unterlaß, fähig die Mutter aller Dinge zu sein” (Laozi): das Dao (Tao), das Große Nichts, aus dem Yin und Yang als (scheinbar) gegensätzliche, jedoch einander in dynamischem Wandel ergänzende Aspekte entstehen. Das gesamte Universum ist aus dem Wechselspiel dieser beiden Kräfte geschaffen und von ihm bedingt. Es gibt kein Yin ohne Yang und kein Yang ohne Yin. Alle Dinge und Erscheinungen tragen ihr Gegenteil in sich und bilden mit diesem eine Einheit.
Alle Dinge tragen das Yin in sich,
Das Yang in den Armen.
Die Kraft der Leere erzeugt ihre Harmonie.
Yin und Yang sind voneinander abhängig. Yin ernährt Yang, Yang schützt Yin. Das Yang, der aktivere und veränderlichere Aspekt, formt und gestaltet das Yin, das Körperlichere, das Materiellere. Yin, als Ausdruck der Materie, bietet den aktiven Kräften des Yang Widerstand und erhält die Kraft des Yang. Zusammen erst bilden sie die Ganzheit. Und so beschreiben Yin und Yang das Wechselspiel des Qi, der strömenden Lebenskraft, des Ursprungs aller Wesen und Dinge.
Primär ist das Yin in der Erde, in der Nacht und im Winter symbolisiert, das Yang hingegen im Himmel, im Tag und im Sommer. Yin ist passiv, ruhig, leise, langsam, schwer und weich. Yang hingegen ist aktiv, bewegt, laut, schnell, leicht und fest. Yin ist unten, vorne und innen. Yang ist oben, hinten und außen.
Im Körperaufbau ist der obere Körperteil allgemein Yang, der untere Yin. Außen ist Yang, innen ist Yin. Hinten ist Yang, vorne ist Yin. Das Bild ist das eines nach vorne gebeugt stehenden Menschen, eines Reisbauern etwa, dessen Kopf und Rücken der Sonne ausgesetzt sind. Diejenigen Körperbereiche, die von der Sonne beschienen werden, sind Yang. Die Körperbereiche, die im Schatten liegen, sind Yin.
Anschaulich zeigt sich der rhythmische Wechsel, das Zusammenspiel von Yin und Yang, im Wechsel der Jahreszeiten: Im Frühling werden die Tage länger, Helligkeit und Wärme nehmen zu. Die Natur expandiert, die Säfte und die Lebenskräfte fließen wieder in die Peripherie. Die Pflanzen sprießen, treiben aus, die Natur grünt, die Tiere beenden ihren Winterschlaf. Der Yang-Aspekt tritt in den Vordergrund, und mit dem Sommer erreicht das Yang seine höchste Ausprägung. Die Tage sind lang und warm, die Natur ist voll entfaltet.
Zugleich damit beginnt aber auch der Yin-Aspekt sichtbar zu werden: Die Säfte und die Lebenskräfte beginnen sich mit der Reife mehr und mehr ins Innere zurückzuziehen. Die Blätter verfärben sich und fallen ab.
Das Leben zieht sich wieder mehr und mehr ins Innere zurück. Es beginnt die Zeit der Dunkelheit und der Kälte. Die Oberfläche erstarrt in Eis und Schnee.
Nur im Inneren wartet der Keim des Lebens auf das erneute Heraufsteigen der Yang-Kraft mit dem beginnenden Frühling, dem erneuten Sprießen und Keimen.
Und so wie alles in der Natur dem Kreislauf von Yin und Yang unterworfen ist, pulsiert auch der menschliche Organismus im Spannungsfeld dieser beiden Kräfte, in ihrem Wechselspiel von Expansion und Kontraktion, von Verdampfung und Abkühlung (Kondensation). Erwärmen, Bewegen, Umwandeln, Zurückhalten und Schützen sind die Hauptfunktionen des Yang im menschlichen Organismus. Kühlen, Befeuchten, Ernähren und Beruhigen sind die Hauptfunktionen des Yin.