Wie Studien manipuliert werden können (David L. Sackett & Andrew D. Oxman)
Der Ex-Oxford-Professor David L. Sackett (Direktor des kanadischen Trout Research and Education Center) und Andrew D. Oxman vom norwegischen Direktorat für Gesundheit und Wohlbefinden sowie Departement of Health Services Research, beide Verfechter der evidenzbasierten Medizin, haben in einer Satire für das British Medical Journal (Dezember 2003) aufgezeigt, mit welchen Mitteln man zu „positiven“ Ergebnissen gelangen kann – positive Ergebnisse in dem Sinn, dass die Wirksamkeit eines (neuen) Medikaments nachgewiesen wird, wenn das Mittel nur „nicht weitaus schlechter als ein Schluck dreifach destilliertes Wasser“ wirkt.
Zuerst kommt es auf die Wahl des Vergleichspräparates an. Gut lassen sich hier Placebos verwenden, denn diese sind leichter zu schlagen als bereits eingeführte wirksame Medikamente. Aber auch im Kampf gegen etablierte Konkurrenzprodukte gibt es Möglichkeiten: Man setzt entweder deren Dosis herab, so dass der Neuling besser abschneidet, oder aber man erhöht die Dosis der bereits eingeführten Präparate, wenn es um die Nebenwirkungen geht.
Gefällt trotz ausgefeilter Planung das Ergebnis noch immer nicht, so kann man sich der Statistik bedienen. Sackett & Oxman empfehlen zur Schönung der Ergebnisse einfach so lange Daten von Teilgruppen zu untersuchen, bis sich ein signifikanter Effekt in der gewünschten Richtung findet.
In einem Kommentar zum Beitrag von Sackett & Oxman in „Die Zeit“ (Nr. 18 vom 22. April 2004) wird in diesem Kontext eine Untersuchung von Bodil Als-Nielsen (Centre for Clinical Intervention Research, Copenhagen University Hospital; JAMA, Vol 290, August 2003) zitiert, der bei der Analyse von 370 Untersuchungen feststellte, dass die Studienergebnisse signifikant davon beeinflusst scheinen, wer die Studie zahlt. Wenn Firmen die Studien finanzieren, schneidet ihr neues Medikament in 51 Prozent der Studien besser ab als das Vergleichsmedikament. Sind die Geldgeber neutral, so passiert dies nur in 16 Prozent der Studien.
Eine weitere Möglichkeit, die Daten zu verfälschen, besteht darin, nur die Daten derjenigen Patienten zu veröffentlichen, die bis zum Ende der Studie mitgemacht haben. Wer also im Laufe der Studie das Medikament verweigert, weil ihm die Nebenwirkungen zu viel werden oder weil es nicht anschlägt, fällt damit natürlich auch aus der Studie.
Eine andere, durchaus auch angewendete Methode ist das Unterschlagen von Ergebnissen. So wurde das Antidepressionsmittel Seroxat an Kindern und Jugendlichen getestet – mit dem Ergebnis, dass das Präparat in einer Studie sogar schlechter abschnitt als das Placebo. Das Central Medical Affairs Team von SmithKlineBeecham (Vorläufer des Pharmariesen GlaxoSmithKline und Auftraggeber der Studie) empfahl daraufhin, „die Verbreitung dieser Daten wirkungsvoll zu steuern, um jegliche negative Wirkung zu minimieren“ (DieZeit, Nr. 18).
Zwar kannten einige Spezialisten die Ergebnisse, waren aber durch Schweigeklauseln am Reden gehindert (Forscherin Jane Garland im Nachhinein). Als das Forschungsdokument vor kurzem an die BBC geschickt worden war, ließ GlaxoSmithKline verlautbaren, das Papier habe „sachlich falsche Schlüsse“ enthalten.
Von drei Studien zur Seroxatwirkung bei Kindern und Jugendlichen publizierte GlaxoSmithKline nur eine einzige in einer Fachzeitschrift. Bei der waren die Hauptwirkungen von Seroxat zwar auch nicht besser als jene des Placebos, doch konzentrierten sich die Forscher auf die Nebenwirkungen und resümierten, das Mittel sei bei Heranwachsenden „wirksam“. Dass fünf mit Seroxat Behandelte „emotionale Labilität“ zeigten, womit, so DieZeit, in erster Linie Selbstmordgedanken umschrieben werden (im Vergleich dazu gab es in der Placebo-Gruppe nur einen Fall), nahmen die Forscher nicht weiter tragisch.
2003 warnte die britische Arzneimittelbehörde nach Analyse der Daten davor, Minderjährigen Seroxat oder eines von fünf vergleichbaren Medikamenten zu verordnen: wegen erhöhter Selbstmordgefahr und zweifelhaftem Nutzen. „Nach Diskussionen“ mit der kanadischen Gesundheitsbehörde tat GlaxoSmithKline selbst öffentlich kund, das Mittel habe „keine größere Wirksamkeit bei Depressionen als Placebo gezeigt“ und sollte wegen „eines möglicherweise erhöhten Risikos suizidbezogener Nebenwirkungen“ bei Minderjährigen „nicht verwendet werden“.
Quellen
- David L. Sackett & Andrew D. Oxman: “HARLOT plc: an amalgamation of the world´s two oldest professions”. In: British Medical Journal 327, Dezember 2003, S. 1442 – 1445
- Jochen Paulus: “Die Tricks der Pillendreher. Wie Pharmafirmen mogeln, damit Studien die gewünschten Resultate zeigen“. In: Die Zeit Nr. 18, 22. April 2004, S. 40
- Bodil Als-Nielsen, Wendong Chen, Christian Gluud & Lise L. Kjaergard: „Association of Funding and Conclusions in Randomized Drug Trials. A Reflection of Treatment Effect or Adverse Events?”. In: Journal of the American Medical Association, Vol. 290 No 7, August 2003, S. 921 – 928
- Mohit Bhandari, Jason W. Busse, Dianne Jackowski, Victor M. Montorik, Holger Schünemann, Sheila Sprague, Derek Mears, Emil H. Semitsch, Dianne Heels-Ansdell & P.J. Devereaux: “Association between industry funding and statistically significant pro-industry findings in medical and surgical randomized trials. In: JAMC, 170 (4), 17. Februar 2004, S. 477 – 480
- Laurence Hirsch: “Randomized clinical trials: What gets published and when?” In: JAMC, 170 (4), 17. Februar 2004, S. 481 – 483