Thomas Pogge – Philosophie der sozialen Verantwortung

Für den Philosophen Thomas Pogge, Professor an der Yale-Universität (USA), zählen die Interessen eines jeden Menschen, überall auf der Welt, gleich. Wir sind deshalb, so das Zentrum seiner Lehre, zur Hilfe verpflichtet. Und das nicht nur wie ein Spaziergänger, der einem Kind helfen soll und muss, das in den Teich gefallen ist (wie es der australische Philosoph Peter Singer sieht), denn wir (die Angehörigen wohlhabender Nationen, sind nicht unschuldige Helfer. Wir sind vielmehr Mittäter, mitverantwortlich, weil wir durch die Aufrechterhaltung ungerechter globaler Spielregeln zum Fortbestand der Weltarmut beitragen.Es existiert nicht nur die lediglich “positive Hilfsplicht” den Armen gegenüber (Peter Singer), sondern zusätzlich eine “negative Gerechtigkeitspflicht”: Diese besagt, dass wir Anderen keinen Schade zufügen dürfen, sie vielmehr vor den Folgen unserer Handlungen schützen müssen.

Die den Überlegungen von Thomas Pogge zugrunde liegenden Fakten sind täglich 50.000 Menschen, die an armutsbedingten Krankheiten sterben (300.000 Millionen Armutstote seit dem Ende des “Kalten Krieges”) – ein Zustand, den Pogge als Form des Massenmords betrachtet. 2,6 Milliarden Menschen, das sind fast 40 Prozent der Menschheit, müssen täglich mit weniger als zwei Dollar (Kaufkraft 2005) auskommen. 884 Millionen Menschen haben keinen Zugang zu sauberem Wasser, 2 Milliarden keine Zugang zu Medikamenten. Demgegenüber steht, dass im Jahr 2000 das oberste Zehntel der Menschheit 85 Prozent des weltweiten Reichtums besaß, das unterste Zehntel nur 0,03 – das ist ein Verhältnis von 2836 : 1. Und einige Hundert Superreiche besaßen 3 Prozent des weltweiten Privatvermögens.

Unerbittlich steigt die globale Ungleichheit, trotz einen Zuwachses im Durchschnittseinkommen der Weltbevölkerung nimmt die Armut zu. Und Armut bedeutet nicht einfach nur Hunger, sondern auch Krankheit, Analphabetismus und ständiger Überlebenskampf mit Infektionskrankheiten, Kinderarbeit, Prostitution, Menschenhandel und Tod.

Nicht Barmherzigkeit ist das Ziel von Pogge, sondern geänderte ökonomisch Regeln. Den Menschen, die mit weniger als zwei Dollar pro Tag auskommen müssen, fehlen gerade einmal 300 Milliarden im Jahr, damit sie nicht mehr unterhalb der Armutsgrenze leben müssen. Das sind etwa 0,6 Prozent des Welteinkommens, weniger als die USA für ihr Militär ausgeben. Dabei geht es nicht um die Umverteilung von Geld, sondern um eine Veränderung des Markt- und Institutionsgefüges, so dass die Ärmsten der Armen davon profitieren können.

Eine andere Rechnung von Pogge besagt, dass die einkommensstarken Länder ihren Lebensstandard lediglich um ein Prozent einschränken müssten, um das größte Elend aus der Welt zu schaffen.

Nicht eine Alternative zum Kapitalismus ist das Ziel von Pogge, sondern eine Alternative im Kapitalismus, z.B. durch eine Korrektur der Vergabepraxis von Krediten (mit denen sich vielfach korrupte Menschen an der Macht halten, durch Änderung des Regeln für den Rohstoffkauft, damit der Erlös der gesamten Bevölkerung zugute kommt und nicht nur einer Elite. Eine weiteres Projekt von Pogge ist die Idee des Health Impact Fund: Pharmafirmen sollen ihre Medikamente nicht mehr patentieren lassen können (und damit zum optimalen “Monopolpreis” verkaufen), sondern sie überall auf der Welt zum niedrigstmöglichen Preis verkaufen. Im Gegenzug bekämen sie vom Health Impact Fund zehn Jahre lang eine Prämie, die der – durch ihre Produkte erzielten – Minderung der globalen Krankheitslast entspricht.

Letztlich, so Pogge, um dem Einwand “Gerechtigkeit ist die Feindin des Lebens” entgegenzuwirken, ist es genau umgekehrt: “Genießen kann man sein Glück nur, wenn man es nicht auf Kosten Anderer tut”.


Primäre Quelle

Thomas Assheuer – Der Weltveränderdenker, Die Zeit Nr. 18/2009 (http://www.zeit.de/2009/18/PD-Thomas-Pogge)