Störungen der inneren Uhr durch die Zeitumstellung Sommerzeit-Winterzeit

Auf Grund einer gesellschaftlichen Übereinkunft muss sich rund ein Viertel der Weltbevölkerung zweimal im Jahr an eine um eine Stunde geänderte Zeit anpassen, einmal von der Winter- zur Sommerzeit und dann wieder von der Sommer- zur Winterzeit. Diese Umstellung hat keine biologische oder umweltbedingte Notwendigkeit, bringt aber drastischere Auswirkungen mit sich, als bisher vermutet wurde, wie eine im Herbst 2007 erschienene Studie um Professor Till Roenneberg von der Ludwig-Maximilians-Universität in München zeigt.[1]Thomas Kantermann, Myriam Juda, Martha Merrow & Till Roenneberg: The Human Circadian Clock´s Seasonal Adjustment Is Disrupted by Daylight Saving Time. In: Current Biology 17, 1-5, … weiterlesen

Die innere Uhr des Menschen, die seine circadianen, im Tageslauf rhythmisch stattfindenden Körperfunktionen steuert, passt sich vor allem mit Hilfe des Tageslichtes an den 24-Stunden-Rhythmus der Umwelt an. Für diesen Vorgang, Entrainment genannt, besonders wichtig ist die Dämmerung, der Wechsel von Tag und Nacht. In einer Fragebogenerhebung an etwa 55.000 Menschen[2]Die befragten Personen lebten alle in Zentraleuropa. DIe Befragung diente auch der Validierung des MCTQ /Munich Chrono Type Questionnaire). konnte zunächst deskriptiv aufgezeigt werden, dass sich die innere Uhr genau an die saisonalen Veränderungen der Morgendämmerung anpasst. Im Winter ist sie auf spät, im Sommer auf früh gestellt. Diese Anpassung an die jahreszeitlich bedingte Schwankungen wird durch die Zeitumstellung allerdings abrupt unterbrochen.[3]Die MCTQ-Befragung (Befragung mit Hilfe des Munich Chrono Type Questionnaire) ergab, dass der Wechsel zur Sommerzeit keine signifikante Veränderung im “Schlaftiming” mit sich bringt, … weiterlesen

Die Ergebnisse der Fragebogenerhebung wurden durch eine experimentelle Studie ergänzt, an der 50 Personen vier Wochen vor und nach den beiden Zeitumstellungen in Hinblick auf ihre Aktivitäten und ihr Schlafverhalten untersucht wurden.

Dabei zeigt sich, dass die Umstellung im Herbst kaum Probleme macht[4]Den meisten Menschen machen auch Flüge nach Westen (“mit der Zeit”) weniger Probleme (Jetlag) als Flüge nach Osten., unter anderem, weil es der inneren Uhr leichter fällt, sich zu verzögern. Sehr viel schwieriger ist allerdings die Anpassung an die Sommerzeit im Frühjahr. Speziell bei den “späten Chronotypen” (Eulen; d.h. Menschen, die eher spät ins Bett gehen und morgens länger schlafen) zeigt sich kaum eine Umstellung der inneren Uhr. Das biologische Timing bleibt auf Normalzeit, während alle sozialen Aktivitäten um eine Stunde früher stattfinden.[5]In der Untersuchung werden nur die Ergebnisse der frühen (Lerchen) und späten Chrontypen (Eulen) berücksichtigt (die “Mischtypen” liegen erwartungsgemäß zwischen den Ergebnissen von … weiterlesen Aber auch den “frühen Chronotypen” (Lerchen, d.h. Menschen, die eher früh schlafen gehen und auch früh aufstehen) gelingt die Anpassung an die Sommerzeit nur unvollständig, weil die abrupte Umstellung nicht den tatsächlichen Zeiten der Dämmerung entspricht.[6]Thomas Kantermann et al. schreiben dazu: “Our data indicate that the human circadian system does not adjust to DST (daylight saving time) and that the seasonal adaptation to the changing … weiterlesen

Setzt man die Auswirkungen der Sommerzeit auf geographische Veränderungen um, so bedeutet das, dass man im Frühjahr von Frankfurt plötzlich nach Marokko gebracht wird (und im Herbst ebenso unmittelbar wieder zurück), ohne Zeitzone und Klima zu verlassen – mit all den damit verbundenen Anpassungsproblemen.[7]Fernreisen zu Zielen mit stark unterschiedlichen Sonnenzeiten, insbesondere zwischen der Süd- und Nordhalbkugel der Erde, wirken sich stark auf die menschliche Psyche (z.B. auf Depressionen) aus. Die Sommerzeitumstellung, so interpretieren Thomas Kantermann et al. ihre Ergebnisse, scheint große Schwierigkeiten in der saisonalen Anpassung des Menschen mit sich zu bringen. Wie auch andere Lebewesen sind Menschen saisonal beeinflusst. Diese jahreszeitliche Gebundenheit ist in den industrialisierten Ländern in den letzten 60 Jahren aber stark zurückgegangen, wobei der Hauptgrund dafür wahrscheinlich darin besteht, dass sich der Mensch zunehmend von den natürlichen Zeitgebern (allen voran dem Tageslicht) abschirmt. Und die Umstellung auf die Sommerzeit ist wahrscheinlich ein zusätzlicher Faktor, der das menschliche Leben von den Jahreszeiten entfernt. Welche Auswirkungen sich aus der Zeitumstellung auf die Gesundheit der Menschen ergeben, kann derzeit, so Roenneberg, noch nicht ernsthaft abgeschätzt werden, die Ergebnisse der Untersuchung zeigen aber, dass das Problem ernst genommen werden sollte.

Anmerkungen

Anmerkungen
1 Thomas Kantermann, Myriam Juda, Martha Merrow & Till Roenneberg: The Human Circadian Clock´s Seasonal Adjustment Is Disrupted by Daylight Saving Time. In: Current Biology 17, 1-5, 2007.      
Bei der Bewertung der Auswirkungen der Zeitumstellung sind Faktoren wie der chronobiologische Genotyp, Geschlecht, Alter und Lichtexposition zu berücksichtigen. Für die Studie von Thomas Kantermann et a.. wurde deshalb ein Test zur Bestimung des Chronotyps entwickelt, der Munich Chrono Type Questionnaire (MCTQ).
2 Die befragten Personen lebten alle in Zentraleuropa. DIe Befragung diente auch der Validierung des MCTQ /Munich Chrono Type Questionnaire).
3 Die MCTQ-Befragung (Befragung mit Hilfe des Munich Chrono Type Questionnaire) ergab, dass der Wechsel zur Sommerzeit keine signifikante Veränderung im “Schlaftiming” mit sich bringt, wohingegen die Rückumstellung auf die Winterzeit mit großer Verzögerung erfolgt. Nach eigenen Angaben verändert sich die Schlafdauer signifikant über die Jahreszeiten (um ungefähr 20 Minuten).
4 Den meisten Menschen machen auch Flüge nach Westen (“mit der Zeit”) weniger Probleme (Jetlag) als Flüge nach Osten.
5 In der Untersuchung werden nur die Ergebnisse der frühen (Lerchen) und späten Chrontypen (Eulen) berücksichtigt (die “Mischtypen” liegen erwartungsgemäß zwischen den Ergebnissen von Eulen und Lerchen), zudem konzentrieren sie sich vor allem auf die freien Tage, die weniger sozial beeinflusst sind.
6 Thomas Kantermann et al. schreiben dazu: “Our data indicate that the human circadian system does not adjust to DST (daylight saving time) and that the seasonal adaptation to the changing photoperiods is disrupted by the introduction of summer time. This disruption may extend to other aspects of seasonal biology in humans.”
7 Fernreisen zu Zielen mit stark unterschiedlichen Sonnenzeiten, insbesondere zwischen der Süd- und Nordhalbkugel der Erde, wirken sich stark auf die menschliche Psyche (z.B. auf Depressionen) aus.