Soll man Wein trinken?
Viele Medien berichten unter Berufung auf aktuelle Studien, dass Wein trinken gesund ist. Auf die entsprechende Frage antwortet Udo Pollmer, deutscher Lebensmittelexperte in Tembiz Talk, dass man ihn nicht trinken soll, sondern dass man ihn trinken kann – unter der Voraussetzung, dass man ihn verträgt.
Welchen Wein man trinken soll, hängt dabei davon ab, welche Vorlieben man hat. Und das wiederum hängt damit zusammen, welche Enzyme vorhanden und wirksam sind, denn diese bedingen, welche Weine man verträgt. Manche Menschen beispielsweise haben Probleme mit jungen Weinen. Die Ursache dafür sind die in ihnen enthaltenen Polyphenole, die Kopfschmerzen bewirken, wenn ein bestimmtes Enzym im Darm nicht oder nicht ausreichend in der Lage ist, sie zu entgiften.
Polyphenole
Polyphenole sind aromatische Verbindungen, die zu den sekundären Pflanzenstoffen gerechnet werden und in Pflanzen als bioaktive Substanzen wie Farbstoffe (Flavonoide, Anthocyane), Geschmacksstoffe und Tannine (Gerbstoffe) vorkommen. Sie sollen die Pflanzen vor Prädatoren („Beutemacher“: Organismen, die einen anderen, noch lebenden Organismus oder Teile von diesem konsumieren) schützen oder durch ihre Farbe Insekten zur Bestäubung anlocken. Zudem sind Polyphenole Grundbausteine wichtiger Biopolymere wie Lignin und Suberin, die in der Zellwand eingelagert werden (Biopolymere sind natürlich vorkommende Polymere, die als Energiespeicher, Katalysatoren, Erbsubstanz oder Strukturaspekte der Zellen oder des Organismus dienen, wie z.B. Proteine, Peptide, Nukleinsäuren, Lipide u.ä.m.).
Viele Polyphenole gelten als gesundheitsfördernd. Pflanzen mit hohem Polyphenolgehalt sind beispielsweise die Blätter und Trauben roter Weinreben (auch als Rotwein oder Sherry), der Saft des Granatapfels (Punica granatum), Ginkgo und Tee. Einige Polyphenole wirken wie andere Antioxidantien unter anderem entzündungshemmend und krebsvorbeugend. Flavonoide und Anthocyane beispielsweise schützen Körperzellen vor freien Radikalen und verlangsamen die Zelloxidation. Sie vermindern die Fettablagerungen (Plaques) in den Blutgefäßen und beugen damit der Arteriosklerose vor.
Gleichzeitig können sich Polyphenole aus pflanzlicher Nahrung an Verdauungsenzyme binden und so die Nährstoffaufnahme im Darm vermindern. Beim gesunden Menschen verhindern die im Speichel enthaltenen prolinreichen Proteine diese Wirkung, indem sie einen im Verdauungstrakt stabilen Komplex mit den Polyphenolen bilden. Polyphenole aus Weintrauben hemmen die Bakterienart Streptococcus mutans, die zum Aufbau von Zahnbelägen (Plaque) und sogenannten Biofilmen auf den Zähnen beiträgt. Durch ihre bakterizide Wirkung hemmen Polyphenole die schädlichen Auswirkungen der Bakterien und wirken so auch vorbeugend gegen Zahnkaries. Viele Polyphenole besitzen in geringer Dosis positive biologische Eigenschaften. Apigenin, Quercetin und Kaempferol wirken cytostatisch (Antitumor-Wirkung). Diese sowie einige andere Polyphenole wie Brenzcatechin, Genistein und Gossypol sind dennoch als Gesundheitsschädliche Stoffe eingestuft, Quercetin gar als Gift.
Wirkungen alkoholischer Getränke
Die unterschiedlichen alkoholischen Getränke haben unterschiedliche Wirkungen. Sekt beispielsweise macht die Menschen etwas fröhlicher und Wein wirkt stimmungsaufhellend. Das hängt mit den enthaltenen Wirkstoffen zusammen. Die Hauptwirkung geht zwar vom Alkohol aus, aber die diversen Begleitstoffe, wie die biogenen Amine, modifizieren den Effekt. Zudem hängt es davon ab, welche Stimmung der Mensch hat, der das alkoholische Getränk zu sich nimmt. Es gibt Stimmungen, bei denen es Menschen nach Alkoholgenuss eher schlechter geht, und es gibt Stimmungen, bei denen Alkohol eher förderlich wirkt. Das hängt damit zusammen, dass die verschiedenen Stimmungen in uns geprägt sind von bestimmten Stoffen (Botenstoffen) in unserem Körper, vor allem biogenen Aminen, die mit einem Abbauprodukt des Alkohols, mit Acetaldehyd, reagieren. Und je nachdem, was an Reaktionspartnern da ist, entstehen jeweils andere Wirkstoffe, was wiederum zu den unterschiedlichen Reaktionen der Menschen auf die alkoholischen Getränke führt.
Biogene Amine
Biogene Amine entstehen im Stoffwechsel (von Mikroorganismen, Pflanzen, Tieren und Menschen) durch die so genannte enzymatische Decarboxylierung von Aminosäuren. Biogene Amine sind häufig Synthesevorstufen von Alkaloiden oder Hormonen. Sie dienen auch als Bausteine für die Synthese von Coenzymen, Vitaminen und Phospholipiden. Einige freie biogene Amine entfalten selbst physiologische Wirkungen, beispielsweise als Neurotransmitter. Es wird zwischen endogenen und exogenen biogenen Aminen unterschieden. Endogene Amine werden in vielen verschiedenen Geweben produziert (z. B. Adrenalin im Nebennierenmark oder Histamin in Leber und Mastzellen). Die Ausschüttung erfolgt lokal oder über das Blutsystem. Die exogenen Amine hingegen werden aus der Nahrung im Darm resorbiert. Alkohol kann dabei die Resorptionsrate erhöhen. Die Monoaminooxidase (MAO) baut biogene Amine ab und verhindert eine übermäßige Resorption. Bei sensitiven Menschen ist die Monoaminooxidase nicht ausreichend vorhanden oder gehemmt. MAO-Hemmer sind z. B. in Medikamenten zur Behandlung von Depressionen enthalten. Eine kombinierte Einnahme von biogenen Aminen und Stoffen, die die Resorption steigern (z.B. Alkohol) oder verlangsamen, kann zu einer allergischen Reaktion führen.
Acetaldehyd
Acetaldehyd entsteht im menschlichen Körper als Zwischenprodukt beim Abbau von Ethanol (Alkohol) durch die so genannte Alkoholdehydrogenase. Acetaldehyd ist neben anderen Stoffen für den Kater am nächsten Morgen verantwortlich (und im Normalfall wird Acetaldehyd schnell zu Acetat verstoffwechselt, weshalb der Kater nicht allzu lange anhält). Außerdem ist Acetaldehyd in pflanzlichen Extrakten, ätherischen Ölen und geröstetem Kaffee vorhanden. Die schädlichen Wirkungen des Acetaldehyds in der Leber sind vielfältig. Es bildet Proteinaddukte, die die sog. Kupffer-Sternzellen (Makrophagen der Leber), aktivieren. Diese sezernieren verstärkt Stoffe, die andere Zellen der Leber, die Itozellen, so verändern, dass diese daraufhin verstärkt Kollagen bilden. Das begünstigt die Ausbildung einer Leberzirrhose. Außerdem führt Acetaldehyd zur vermehrten Bildung von Sauerstoffradikalen, welche die Membranen der Zellen schädigen, die dabei zugrunde gehen. Die Wirkung eines Weins ist abhängig von den Inhaltstoffen , wobei unterschiedliche Menschen bestimmte Stoffe ganz unterschiedlich vertragen oder eben nicht vertragen.
Glühwein
Ein Beispiel, dass selbst objektiv schlechte Weine hervorragend sein können, wenn man richtig mit ihnen umgeht, ist Glühwein. Da achtet man darauf, dass ganz bewusst kein guter Wein verwendet wird, sondern eben ein „schlechter“. Dann kommen Gewürze hinzu und das Ganze wird gekocht. Obwohl man annehmen könnte, dass die Wirkungen vom Alkohol ausgehen, ist das Verfahren aber so, dass durch das Kochen (meist noch dazu im offenen Topf) der Alkohol größtenteils verdunstet. Und dennoch sind die Menschen, die den Glühwein trinken, fröhlich.
Der Grund dafür liegt darin, dass in den Gewürzen bestimmte Substanzen enthalten sind (insbesondere Allyl- und Propenylbenzole), die mit den biogenen Aminen schlechter Weine reagieren – gerade das kennzeichnet ja schlechte Weine, dass mehr biogene Amine enthalten sind. Dabei entstehen Amphetamine, wobei Alkohol das Lösungsmittel für diese Reaktion ist. Er sorgt dafür, dass die reagierenden Stoffe aus den Gewürzen gelöst werden. Dass er dabei fast vollständig verdampft ist nicht so wichtig, weil die Wirkung des Glühweins vor allem durch die stimmungsaufhellenden Amphetamine ausgelöst wird.
Glühwein wird deshalb mit einem guten Wein nicht besser, ganz im Gegenteil, denn im guten Wein sind weniger biogene Amine enthalten. Amphetamine Amphetamine bilden eine Strukturklasse, der eine Vielzahl psychotroper Substanzen angehört, unter anderem MDMA (Ecstasy) oder das in der Natur vorkommende Ephedrin. Es ist ein indirektes Sympathomimetikum (d.h. es wirkt stimulierend auf den Sympathikus) und hat eine anregende Wirkung auf das Zentralnervensystem. Aufgrund seiner stimulierenden und euphorisierenden Wirkung wird Amphetamin als Rauschmittel eingesetzt. Illegal wird es meist unter den Namen Speed und Pep angeboten. Im Gehirn bewirkt Amphetamin die Ausschüttung und Wiederaufnahmehemmung von Adrenalin, Noradrenalin und Dopamin, wodurch sich eine enorm hohe Konzentration dieser drei Substanzen ergibt. Der Organismus wird in einen Zustand versetzt, der als „Fight-Fright-Flight“ („Kämpfen, Fürchten, Flüchten“) bezeichnet wird, und der in lebensbedrohlichen Lagen sinnvoll ist. Dabei werden körperliche Mechanismen ausgeschaltet, die nicht überlebensnotwendig sind (etwa Hunger, Durst, Müdigkeit und Schmerzempfinden). Kraft, Schnelligkeit und Libido werden hingegen erheblich gesteigert (vorrangig durch Adrenalin/Noradrenalin), um den Organismus möglichst effizient reagieren zu lassen. Kreislauf und Körper bereiten sich auf eine hohe Belastung vor, indem sie den Blutdruck steigern und die Bronchien zur vermehrten Aufnahme von Sauerstoff weiten. Das Selbstbewusstsein wird gesteigert bis zur Euphorie (vorrangig durch Dopamin), und die Aggressionsschwelle wird stark gesenkt. Das soll eine körperliche Verteidigung gegen Gefahr erleichtern. Außerdem wird das Bewusstsein stark auf ein bestimmtes Ereignis konzentriert (ursprünglich auf die Gefahr), was man auch als „Tunnelblick“ bezeichnet. Löst man diese Reaktionen des Körpers künstlich durch Amphetamine aus, ergeben sich verschiedene Anwendungsmöglichkeiten. Zum einen die Appetithemmung, weshalb verschiedene Amphetaminderivate als Diätmittel genutzt werden. Die Verringerung des Schlafbedürfnisses wird oft dort genutzt, wo Menschen über lange Zeit Leistung erbringen müssen oder wollen, beispielsweise also Schichtarbeiter, Fernfahrer, Partygänger oder Soldaten. Die Steigerung des Selbstbewusstseins ist ein Grund des Einsatzes von Amphetamin als Rauschmittel. Die Konzentration des Bewusstseins auf bestimmte Aufgaben macht sich die Medizin beim Einsatz von Amphetamin bei Hyperaktivität zu Nutze, da sich konzentrationsschwache Menschen danach länger auf eine Aufgabe konzentrieren können. Auch die rein körperlichen Wirkungen werden medizinisch genutzt. So kam Amphetamin früher als Asthmamittel zum Einsatz, da das Abschwellen der Schleimhäute und vor allem die Weitung der Bronchien ein freieres Atmen ermöglichen. Heute findet man diesen Zusammenhang noch bei verschiedenen Antiallergika, die Pseudoephedrin enthalten. Pseudoephedrin ist ein Amphetaminderivat (genauer: eines des Methamphetamin) und führt daher auch ein Abschwellen der Schleimhäute herbei, was unter anderem bei Heuschnupfen erwünscht ist. Es hat aber eine nur sehr geringe psychoaktive Wirkung, was eine deutlich freiere und risikoärmere Anwendung ermöglicht. Amphetamine kommen deshalb bei einer solchen Indikation gar nicht mehr zum Einsatz. Akute Hauptwirkungen sind Appetithemmung, Mobilisierung letzter Kraftreserven und Verringerung des Schlafbedürfnisses, Steigerung des Selbstbewusstseins bis hin zur Euphorie sowie eine erhöhte Aufmerksamkeit und Konzentrationsfähigkeit (bei hohen Dosen überdecken die anderen Wirkungen diese, so dass eher Bewegungsdrang bis zur Nervosität bleibt).
Sekt
Eine andere Situation liegt beim Sekt vor. Hier sorgt die zweite Gärung für eine Zunahme an Stimmungsbeeinflussenden Stoffen. So wird beispielsweise der Gehalt an ß-Carbolinen verdoppelt. Dazu kommt noch die Kohlensäure, die dazu führt, dass die Alkoholaufnahme schneller erfolgt – man also schneller beschwipst wird.
ß- Carbolin
ß-Carbolin, auf der Aminosäure Tryptophan beruhend, ist ein Alkaloid, eine natürlich vorkommende stickstofhaltige organische Verbindung des Sekundärstoffwechsels, die auf den (tierischen und menschlichen) Organismus wirkt. Über 10.000 verschiedene pflanzliche, tierische oder von Mikroorganismen produzierte Substanzen werden der Stoffgruppe der Alkaloide zugeordnet. Zu den Alkaloiden gehören auch die Halluzinogene, Stoffe, die mehr oder weniger ausgeprägte Veränderungen der visuellen, akkustischen oder haptischen Wahrnehmung (also Halluzinationen) hervorrufen. Das wohl bekannteste Halluzinogen ist LSD.