Shiatsu im Spannungsfeld zwischen Gesundheitsberufen und Gewerbe. Rechtliche und begriffliche Erläuterungen (Eduard Tripp)

Shiatsu ist seinem Ursprung nach eine ganzheitliche Behandlungsmethode, die sich aus chinesischen und japanischen Gesundheitslehren heraus entwickelt hat. Weitere bestimmende Einflüsse, die Shiatsu prägen, sind westliche Anatomie, Physiologie und Pathologie. Als eine östliches und westliches Verständnis miteinander verbindende Methode wurde Shiatsu vom japanischen Gesundheitsministerium 1964 anerkannt: „Shiatsu ist eine Form von manueller Behandlung, ausgeführt mit den Daumen, anderen Fingern und den Handflächen, ohne Zuhilfenahme irgendwelcher Instrumente. Durch Druck auf die menschliche Haut beseitigt sie innere Fehlfunktionen, fördert und erhält die Gesundheit und behandelt spezielle Krankheiten”. Etwa zwanzig Jahre nach dieser ersten Anerkennung breitete sich Shiatsu dann auch in der westlichen Welt aus, wo es auf teilweise sehr unterschiedliche gesellschaftliche und soziale Rahmenbedingungen und vor allem medizinische Systeme traf.

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In Österreich gibt es eine historisch gewachsene Trennung zwischen (medizinischen) Gesundheits- und gewerblichen Berufen. Medizinische Anwendungen fallen unter die Kompetenzen des Gesundheitsministeriums, gewerbliche Berufe unter die des Wirtschaftsministeriums. Diese Trennung von Berufsfeldern bringt allerdings einige Unklarheiten und Unsicherheiten mit sich, macht man doch als Shiatsu-PraktikerIn immer wieder die Erfahrung, dass Shiatsu-Behandlungen viele Menschen darin unterstützen, gesund zu bleiben und auch gesund zu werden. Dazu kommt, dass Shiatsu von seinem japanischen Ursprung her als Heilmethode betrachtet wird.

Ungeachtet der Gesundheit fördernden und erhaltenden Wirkungen von Shiatsu ist aber zu beachten, dass Shiatsu in Österreich ein gewerblicher – und kein medizinischer Beruf – ist. Und auf keinen Fall ist Shiatsu ein Ersatz für medizinische oder therapeutische Behandlungen.

Was bei der Anwendung und Präsentation von Shiatsu aus beruflicher und rechtlicher Sicht zu beachten ist, sind deshalb die beruflichen und rechtlichen Rahmenbedingungen, grundlegende Konzepte von Gesundheit, Krankheit und Gesundheitsvorsorge sowie die professionelle Ausübung von Shiatsu.


Beruflich-rechtliche Rahmenbedingungen

Die Unterscheidung von gewerblichen gesundheitsbezogenen Berufen/Tätigkeiten[1]Die Bezeichnung „gewerbliche Gesundheitsberufe“ sollte gemäß einer Information aus dem Ministerium für Gesundheit und Frauen (2006) aus verfassungsrechtlichen Gründen (Vorrang des … weiterlesen gegenüber (medizinischen) Gesundheitsberufen ist vor allem durch das Tätigkeitsprofil gegeben. Das heißt, dass sich gewerbliche Berufe über ihre Zielsetzungen und den Bereich ihrer Tätigkeiten wesentlich von Gesundheitsberufen unterscheiden müssen.[2]In der Massage beispielsweise unterscheiden sich bei manchen Methoden die Ausbildungsinhalte der gewerblichen und Heilmassage (und oft auch nicht die Ausbildungsanbieter) nicht voneinander. Was sich … weiterlesen So darf ein reglementiertes gesundheitsbezogenes Gewerbe beispielsweise nicht zum Ziel haben, Krankheiten zu heilen oder (medizinische) Diagnosen zu erstellen.


Ärztliche Vorbehaltstätigkeit

Der Tätigkeitsvorbehalt besagt, dass bestimmte Tätigkeiten ausschließlich durch bestimmte Personen, so wie es in den Berufsgesetzen der Gesundheitsberufe festgelegt ist, ausgeübt werden dürfen. Sofern im Zusammenhang mit Erkrankungen diagnostische, therapeutische, prophylaktische oder Rehabilitations-Maßnahmen gesetzt werden, handelt es sich um die Ausübung von (medizinischer) Heilkunde im Sinne des Ärztegesetzes. Dazu das Ärztegesetz §2 (2):

Die Ausübung des ärztlichen Berufs umfasst jede auf medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnissen begründete Tätigkeit[3]Arbeitsmethoden, die nicht wissenschaftlich im Sinne der empirischen Wissenschaften nachvollziehbar sind (d.h. nicht auf medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnissen beruhen), sind nicht den Ärzten … weiterlesen, die unmittelbar am Menschen oder mittelbar für den Menschen ausgeführt wird, insbesondere

  1. die Untersuchung auf das Vorliegen oder Nichtvorliegen von körperlichen und psychischen Krankheiten oder Störungen, von Behinderungen oder Missbildungen und Anomalien, die krankhafter Natur sind;
  2. die Beurteilung von in Punkt 1 angeführten Zuständen bei Verwendung medizinisch-diagnostischer Hilfsmittel;
  3. die Behandlung solcher Zustände (Punkt 1);
  4. die Vornahme operativer Eingriffe einschließlich der Entnahme oder Infusion von Blut;
  5. die Vorbeugung von Erkrankungen;
  6. die Geburtshilfe sowie die Anwendung von Maßnahmen der medizinischen Fortpflanzungshilfe;
  7. die Verordnung von Heilmitteln, Heilbehelfen und medizinisch diagnostischen Hilfsmitteln;
  8. die Vornahme von Leichenöffnungen.      


Ausbildungsvorbehalt

Das Ausbildungsvorbehaltsgesetz besagt, dass Ausbildungen in Gesundheitsberufen nur an gesetzlich definierten und bewilligten Ausbildungseinrichtungen durchgeführt werden dürfen.


Bezeichnungsvorbehalt

Die Berufsbezeichnungen der Gesundheitsberufe sind gesetzlich geschützt. Die normierte Berufsbezeichnung darf ausschließlich nach erfolgter Abschlussprüfung geführt werden. Ähnliche, d.h. verwechslungsfähige Berufsbezeichnungen dürfen nicht verwendet werden.


Berufsvorbehalt

Das Berufsvorbehaltgesetz regelt, dass bestimmte Tätigkeiten ausschließlich Angehörigen bestimmter Berufe vorbehalten sind. §2 Abs. 1 Ziffer 11 der Gewerbeordnung besagt, dass die Ausübung der Heilkunde, der Psychotherapie und des psychologischen Berufs, Hebammen, Medizinische und Heilmasseure, medizinisch-technische Dienste etc. explizit aus der Gewerbeordnung ausgenommen sind.

Bei den Gesundheitsberufen wird unterschieden zwischen

  • Tätigkeiten in Eigenverantwortung,
  • Tätigkeiten auf Anordnung und
  • Tätigkeiten unter Aufsicht.

Die Mithilfe von Hilfspersonen bei ärztlichen Tätigkeiten bezieht sich nur auf untergeordnete Unterstützung, wie z.B. Schreibarbeiten.        


Abgrenzung von Gesundheitsberufen und gewerblichen gesundheitsbezogenen Berufen

Die Unterscheidung von Gesundheitsberufen und gewerblichen gesundheitsbezogenen Berufen wird vor allem an Hand des Tätigkeitsziels vollzogen:

  • Gesundheitsberufe haben das erklärte Ziel Krankheiten zu heilen, Gesundheit wieder herzustellen, Schmerzen zu lindern, Heilmittel zu verordnen u.ä.m.
  • Gesundheitsberufe, wie z.B. die Medizinische und Heilmassage, dürfen nur auf Anordnung oder Überweisung eines Arztes tätig werden.
  • Gesundheitsbezogene gewerbliche Berufe haben das vorrangige Ziel der (nicht medizinischen) Gesundheitsvorsorge. Sie stärken Wohlbefinden, fördern Vitalität, Körperbewusstsein und ein positives Körpergefühl, verbessern soziale Kontakte u.ä.m.
  • Grundsätzlich dürfen gewerbliche gesundheitsbezogene Tätigkeiten unbedenklich nur an gesunden, nicht krankheitsverdächtigen Personen ausgeübt werden.
  • Bei Vorliegen von Erkrankungen ist eine Rücksprache mit dem behandelnden Arzt, der behandelnden Ärztin / Therapeut, Therapeutin – eventuell nach Hinzuziehung zusätzlicher Meinungen anderer fachkundiger Ärzte / Therapeuten – für die Anwendung gewerblicher gesundheitsbezogener Tätigkeiten erforderlich.
  • Bei Vorliegen von Beschwerden (Krankheitsverdacht) ist eine ärztliche Abklärung erforderlich.
  • Bei gewerblichen gesundheitsbezogenen Tätigkeiten muss klargestellt werden, dass es sich um keinen Ersatz für medizinische, psychiatrische oder sonstige therapeutische Tätigkeiten handelt.


Konzepte von Gesundheit und Krankheit

Was/wer gesund und was/wer als krank betrachtet wird, ist vom jeweiligen Gesundheits- und Krankheitsverständnis abhängig, das angewendet wird. Die Definitionen von Gesundheit und Krankheit orientieren sich dabei an teilweise sehr unterschiedlichen Modellen von Gesundheit und Krankheit:[4]Unterscheidung nach Bengel, Strittmatter & Willmann, 2001.

  • Idealnorm von Gesundheit,
  • Statistische Norm von Gesundheit,
  • Funktionelle Norm von Gesundheit,
  • Negativbestimmung von Gesundheit,
  • Mehrdimensionales Gesundheitsmodell,
  • Biomedizinisches Krankheitsmodell und
  • Biopsychosoziales Krankheitsmodell


Idealnorm von Gesundheit

Die WHO formulierte 1948 eine Idealnorm von Gesundheit, in der Gesundheit als Zustand eines vollkommenen psychischen, physischen und sozialen Wohlbefindens verstanden wird.[5]„A complete state of physical, mental and social well-being, and not merely the absence of disease or infirmity“. Einer späteren Definition der WHO zufolge umfasst Gesundheit: stabiles … weiterlesen Ein solcher Idealzustand, so die durchaus berechtigte Kritik an dieser Definition, lässt sich allerdings kaum erreichen.


Statistische Norm von Gesundheit

Als gesund wird hier bezeichnet, was auf die Mehrzahl der Menschen zutrifft. Abweichungen von so festgelegten Durchschnitts- und Grenzwerten werden als krank betrachtet.


Funktionelle Norm von Gesundheit

Die funktionelle Norm orientiert sich daran, ob eine Person in der Lage ist, die durch ihre sozialen Rollen gegebenen Aufgaben zu erfüllen. Die Anerkennung und Gültigkeit dieser Werte wird dabei vorausgesetzt.


Negativbestimmung von Gesundheit

Gesundheit wird hier als Abwesenheit von Krankheit definiert. Beim Vorliegen von Beschwerden und Symptomen wird eine Person als krank betrachtet. Vernachlässigt werden in diesem Modell Faktoren wie Wohlbefinden und Lebenszufriedenheit.


Mehrdimensionales Gesundheitsmodell

Ergänzend zu körperlichem Wohlbefinden (positives Körpergefühl, Fehlen von Beschwerden und Krankheitszeichen etc.) und psychischem Wohlbefinden (Freude, Lebenszufriedenheit etc.) werden in diesem Modell auch Faktoren wie Leistungsfähigkeit, Selbstverwirklichung und Sinnfindung berücksichtigt. Bedeutsam sind in diesem Modell auch Belastungen und Risiken durch die soziale und ökologische Umwelt wie auch die Möglichkeit sich Ressourcen und Unterstützung zu erschließen.


Biomedizinisches Krankheitsmodell

In Analogie des Körpers mit einer Maschine werden Krankheitssymptome (körperliche Beschwerden und Veränderungen und/oder psychische Auffälligkeiten) durch organische Defekte erklärt, die die eigentliche Krankheit bilden.


Biopsychosoziales Krankheitsmodell

Zu den somatischen Faktoren des biomedizinischen Krankheitsmodells werden auch psychosoziale Faktoren herangezogen, da für die Entstehung und den Verlauf, ja selbst für die Diagnostik und Behandlung von Erkrankungen psychische und soziale Einflüsse nachweislich von Bedeutung sind.

Wenngleich die moderne westliche Schulmedizin und Prävention vorrangig durch das biomedizinische Krankheitsmodell bestimmt wird, ist Krankheit nach heutigem Stand der medizinischen und sozialwissenschaftlichen Forschung das Ergebnis komplexer und zum Teil noch nicht bekannter Verursachungszusammenhänge. Ganz allgemein können Entstehungsbereiche gesundheitsgefährdender Faktoren in folgenden Bereichen liegen:

  • der genetischen Disposition und in erlernten Bewältigungsressourcen, die dem Einzelnen zur Verfügung stehen,
  • den jeweiligen Lebens-, Arbeits- und Umweltbedingungen sowie
  • der persönlichen Lebensweise des Einzelnen inklusive seinen Sozialbeziehungen.[6]Eine alternative Gliederung von Krankheitstheorien unterscheidet das biomedizinische Gesundheitsmodell, die psychosomatische Medizin und das sozialmedizinische Modell. Ergänzend gibt es dann noch … weiterlesen


Prävention und Gesundheitsförderung

Einen Teil von Medizin und Heilkunde bildet seit jeher das Bestreben Krankheiten zu verhüten. Dem wird auch im österreichischen Ärztegesetz §2 (2) Rechnung getragen und festgehalten, dass die Ausübung des ärztlichen Berufs auch die „Vorbeugung von Erkrankungen“ umfasst. Da sich Prävention und Gesundheitsförderung jedoch keineswegs nur auf medizinische Berufe und Tätigkeiten beschränken (vgl. auch die Otawa-Charta der WHO: „Programm zur Gesundheitsförderung“), ist es bedauerlich, dass es keine klaren Festlegungen und Definitionen gibt, worin ärztliche Prävention besteht und worin sie sich von nicht-ärztlicher Prävention abgrenzt.

Im Bereich der Prävention und Gesundheitsförderung lassen sich drei Ansätze unterscheiden[7]Nach Bengel, Strittmatter & Willmann, 2001.:

  • das biomedizinische Risikofaktorenmodell,
  • das Programm zur Gesundheitsförderung und
  • das Konzept der Salutogenese.


Biomedizinisches Risikofaktorenmodell

Dieses Modell wurde in den 1950er-Jahren vor allem in Zusammenhang mit der Erforschung von Herzerkrankungen auf der Grundlage von Statistiken von Lebensversicherungsgesellschaften entwickelt. Dabei zeigten sich Zusammenhänge zwischen Risikofaktoren wie z.B. hohen Blutfettwerten, Tabakkonsum, Blutdruck, Übergewicht etc. und dem Auftreten von Herzerkrankungen. Je mehr Risikofaktoren, desto höher die Wahrscheinlichkeit beispielsweise einen Herzinfarkt zu erleiden.

Die so erhobenen statistischen Zusammenhänge ermöglichen allerdings keine kausalen Interpretationen oder individuelle Vorhersagen, ob jemand erkranken (Morbidität) oder an einer bestimmten Krankheit sterben wird (Mortalität).

Da Risikofaktoren als beginnende Krankheiten aufgefasst werden, konzentriert sich die Prävention vor allem auf die Vermeidung von Risikofaktoren und individuelle Verhaltensänderungen – insbesondere die Reduktion „verhaltensgebundener Risikofaktoren“ wie z.B. Rauchen oder Übergewicht.


Programm zur Gesundheitsförderung

Das „Programm zur Gesundheitsförderung“ (Health Promotion) wurde in der Ottawa-Charta der Weltgesundheitsorganisation (WHO) 1986 vorgestellt[8]„Health promotion is the process of enabling people to increase control over, and to improve, their health. To reach a state of complete physical, mental an social well-being, an individual or … weiterlesen und ergänzt das biomedizinische Risikofaktorenmodell, indem es Gesundheit nicht als Ziel, sondern als Mittel sieht, Menschen zu befähigen, ihr individuelles und gesellschaftliches Leben positiv zu gestalten. Präventive Maßnahmen zielen in diesem Kontext auch auf die aktive und selbstverantwortliche Beteiligung von Laien an der Herstellung gesundheitsfördernder Bedingungen und den Dialog und die Interaktion zwischen Laien und Professionellen. Ergänzend zu individuellen Ansätzen wird auch die Notwendigkeit struktureller Veränderungen (z.B. durch eine entsprechende Gesundheitspolitik) betont.


Konzept der Salutogenese

Das Konzept der Salutogenese von Aaron Antonovsky setzt, anstatt krankmachende Einflüsse zu bekämpfen, verstärkt auf eine Förderung von Ressourcen, um den Organismus gegen schwächende und letztlich krank machende Einflüsse widerstandsfähiger zu machen. Die Frage ist weniger „Was macht krank?“ als vielmehr „Was macht und erhält uns gesund?“ Durch die Einbeziehung der individuellen Lebensgeschichte einer Person und durch die Erfassung aller Lebensaspekte werden Ressourcen (beispielsweise Eigenschaften und Fähigkeiten) gesucht und gefördert, die Menschen gesund erhalten oder – im Krankheitsfall – zu ihrer Genesung beitragen können.


Shiatsu als Beruf

Shiatsu ist eine ganzheitliche, d.h. Körper, Seele und Geist einbeziehende Form der Körperarbeit (Massage), der Gesundheitsvorsorge und Gesundheitspflege. Shiatsu hat als vorrangiges Ziel, Gesundheit, Vitalität, Körperbewusstsein, Entspannung und Wohlbefinden zu erhalten und zu stärken, wie auch in Schwangerschaften und zur Vorbereitung zur Entbindung unterstützend zu begleiten. Shiatsu fördert die innere Selbstregulation, wodurch – in einem ganzheitlichen Verständnis – auch Heilungs- und Wachstumsprozesse gefördert werden.

Rechtlich betrachtet ist die Ausübung von Shiatsu eine gewerbliche gesundheitsbezogene Tätigkeit und kein Gesundheitsberuf. Diagnostische und therapeutische Maßnahmen zu setzen ist den Gesundheitsberufen vorbehalten, und das Gesundheit fördernde Potential von Shiatsu beruht gerade nicht darauf, Krankheiten zu behandeln. Vielmehr behandelt Shiatsu den Menschen als Einheit von Körper, Seele und Geist und unterstützt ihn in der Bewältigung von belastenden, einschränkenden und krank machenden Faktoren mit seinen speziellen Methoden, wozu auch die Förderung von Achtsamkeit (sich selbst und anderen gegenüber) und Selbstgewahrsam gehören.

In der Darstellung von Shiatsu, wie auch in der Werbung für Shiatsu ist es deshalb aus inhaltlichen und rechtlichen Gründen wichtig, auf klare und unmissverständliche Formulierungen zu achten. Aus rechtlicher Sicht, damit nicht fälschlicherweise der Eindruck entstehen könnte, dass mit Shiatsu diagnostische oder therapeutische (medizinische) Maßnahmen gesetzt würden. Aus inhaltlichen Gründen, damit KlientInnen die bestmögliche Betreuung und Unterstützung erhalten.

Beim Vorliegen von Erkrankungen und Beschwerden, aber auch beim Vorliegen eines Verdachts auf solche, sollte mit einem Arzt, einer Ärztin (Therapeut, Therapeutin) abgeklärt werden, ob Shiatsu in dieser spezifischen Situation angewendet werden kann, beziehungsweise welche besonderen Bedingungen bei der Behandlung zu beachten sind.


Professionalität als Shiatsu-Praktiker*in

Zur professionellen Ausübung von Shiatsu gehört die kollegiale Zusammenarbeit mit anderen Berufsgruppen, denn, ganz im Verständnis des Programms zur Gesundheitsförderung der Weltgesundheitsorganisation (WHO), vermag die Zusammenarbeit mit Gesundheitsberufen Gesundheit fördernde Wirkungen zu entfalten und zu stärken.

Im Sinne der Professionalität von Shiatsu-Praktiker*innen empfiehlt sich zudem die Dokumentation der Shiatsu-Behandlungen. Über den Umstand hinaus, dass der*die Shiatsu-Praktiker*in mit Hilfe einer Dokumentation immer einen Überblick über relevante Informationen zu ihren KlientInnen und den bereits erfolgten Behandlungen, Zielsetzungen (etc.) hat, kann die Dokumentation in Haftungsfällen auch als schriftlicher Beleg dafür dienen, dass die Anwendung des Shiatsu gemäß den professionellen Qualitätsrichtlinien erfolgt.

Empfohlen wird vom Österreichischen Dachverband für Shiatsu auch die Verwendung der „Kenntnisnahme des gewerblichen Charakters von Shiatsu“, die, um Missverständnisse und Unklarheiten zu vermeiden, von dem*der Klient*in unterschrieben werden sollte:   

Ich bestätige hiermit, dass ich von Herrn / Frau ___________________________ (Shiatsu-Prakitiker/in) über den gewerblichen Charakter von Shiatsu aufgeklärt wurde. Naturgemäß dürfen gewerbliche Behandlungen nur an gesunden Menschen bzw. nach Rücksprache mit dem*der Ärzt*in oder Therapeut*in durchgeführt werden.

Des Weiteren wurde ich darüber ausdrücklich in Kenntnis gesetzt, dass Shiatsu kein Gesundheitsberuf ist und keinen Ersatz für eine medizinische, psychiatrische, psychotherapeutische oder sonstige therapeutische Behandlung darstellt.

Beim Vorliegen von Beschwerden ist eine medizinische Abklärung unbedingt notwendig, und ich nehme zur Kenntnis, dass Shiatsu-Behandlungen in diesem Fall nur nach Rücksprache mit dem*der behandelnden Ärzt*in / Therapeut*in – eventuell nach Hinzuziehung zusätzlicher Meinungen anderer fachkundiger Ärzt*innen / Therapeut*innen – stattfinden können.


Quellen

  • Antonovsky, A. (1997): Salutogenese: zur Entmystifizierung der Gesundheit. DGVT-Verlag
  • Bengel, Jürgen, Strittmatter, Regine & Willmann, Hildegard (2001): Was erhält Menschen gesund? Antonovskys Modell der Salutogenese – Diskussionsstand und Stellenwert. Forschung und Praxis der Gesundheitsförderung Band 6, Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, Köln

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© Dr. Eduard Tripp, Shiatsu Senior Teacher, Psychotherapeut und Supervisor (www.eduard-tripp.at).

Anmerkungen

Anmerkungen
1 Die Bezeichnung „gewerbliche Gesundheitsberufe“ sollte gemäß einer Information aus dem Ministerium für Gesundheit und Frauen (2006) aus verfassungsrechtlichen Gründen (Vorrang des Gesundheitswesens gegenüber den Angelegenheiten von Gewerbe und Industrie) vermieden werden zugunsten der Bezeichnung „gewerbliche gesundheitsbezogene Berufe“.
2 In der Massage beispielsweise unterscheiden sich bei manchen Methoden die Ausbildungsinhalte der gewerblichen und Heilmassage (und oft auch nicht die Ausbildungsanbieter) nicht voneinander. Was sich unterscheidet, ist hier (abgesehen von anderen Aspekten der Ausbildung) einzig das Tätigkeitsprofil.
3 Arbeitsmethoden, die nicht wissenschaftlich im Sinne der empirischen Wissenschaften nachvollziehbar sind (d.h. nicht auf medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnissen beruhen), sind nicht den Ärzten vorbehalten. Zu beachten ist allerdings, dass auch die Anwendung natürlicher Methoden in weiter Auslegung als Ausübung der Heilkunde betrachtet wird. Das besagt ein Gerichtsurteil des Oberlandesgerichts Graz vom 1. 3. 2006 mit Bezug auf eine Klage wegen Geistheilung. Wer eine solche, nicht-wissenschaftliche Tätigkeit ausübt, ist verpflichtet, um Missverständnisse und falsche Erwartungen zu vermeiden, seine KlientInnen darauf hinzuweisen, dass er keine ärztliche Tätigkeit ausübt, und er hat seinen KlientInnen beim Gewahrwerden von krankheitsverdächtigen Hinweisen den Besuch eines Arztes oder Therapeuten nahe zu legen. Auf keinen Fall sollte sein Verhalten den Eindruck erwecken, dass seine Tätigkeit einen Arzt- oder Therapeutenbesuch ersetzt.           
Der Begriff der „medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisse“ ist nicht dem der (westlichen) Schulmedizin gleichzusetzen. Wissenschaftlich fundiert können auch Methoden sein, die (noch) nicht Eingang in die Schulmedizin gefunden haben. Eine auf medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnissen gegründete Tätigkeit wird aber nur ausgeübt, wenn die angewandte Methode ein gewisses Mindestmaß an Rationalität aufweist und für ihre Durchführung das typischerweise durch das Medizinstudium vermittelte umfassende Wissen erforderlich ist. Aus diesem Grund, so eine höchstgerichtliche Entscheidung, ist beispielsweise die Bestrahlung mit einer Mineralienlampe oder das Auflegen von Blütenessenzen ohne vorangehende Diagnose ebenso wenig dem ärztlichen Vorbehaltsbereich zuzurechnen wie die Messung eines Körperwertes über die Hautoberfläche unter der Zuhilfenahme des vollautomatischen Gerätes, dessen Bedienung einfach ist und keinerlei spezifisches Sachwissen erfordert.
4 Unterscheidung nach Bengel, Strittmatter & Willmann, 2001.
5 „A complete state of physical, mental and social well-being, and not merely the absence of disease or infirmity“. Einer späteren Definition der WHO zufolge umfasst Gesundheit:
  • stabiles Selbstwertgefühl,
  • positives Verhältnis zum eigenen Körper,
  • Freundschaft und soziale Beziehungen,
  • intakte Umwelt,
  • sinnvolle Arbeit und gesunde Lebensbedingungen,
  • Gesundheitswissen und Zugang zur Gesundheitsversorgung sowie
  • lebenswerte Gegenwart und begründete Hoffnung auf eine lebenswerte Zukunft.
6 Eine alternative Gliederung von Krankheitstheorien unterscheidet das biomedizinische Gesundheitsmodell, die psychosomatische Medizin und das sozialmedizinische Modell. Ergänzend gibt es dann noch die soziologische Sichtweise, das Risikofaktorenmodell und das Stress-Coping-Modell.
  • Das biologisch-medizinische Krankheitsmodell basiert (wie auch schon oben ausgeführt) auf einem chemisch-biologischen Krankheitsverständnis und geht davon aus, dass jede Erkrankung eine spezifische Ursache hat, die zur Schädigungen des Organismus führt.
  • Das psychosomatische Modell erweitert das biologisch-medizinische Verständnis durch die Einbeziehung von körperlich-seelischen Wechselbeziehungen zwischen psychischen Belastungen und körperlichen Auswirkungen.
  • Das sozialmedizinische Modell betrachtet die über den individuellen Fall hinausgehenden Bedingungs- und Folgezusammenhänge von Krankheiten. So können sozialökonomische Lebenslagenmerkmale maßgeblich für eine Krankheitsentstehung sein.
  • Die soziologische Sichtweise setzt sich mit der sozialen Definition von Krankheit auseinander und untersucht die Rolle, die Kranke in einer Gesellschaft einnehmen (von der Inanspruchnahme des gesellschaftlichen Versorgungssystems bis hin zur Stigmatisierung Kranker).
  • Das Risikofaktorenmodell verbindet medizinische und sozialwissenschaftliche Sichtweisen. Grundlage sind epidemiologische Studien, wonach Erkrankungen signifikant stärker verbreitet sind bei sozialen Gruppen mit risikoreichen Verhaltensweisen (z.B. Rauchen, problematische Ernährungsweisen etc.) oder ungünstigen Lebensumständen (z.B. Giftstoffe am Arbeitsplatz, Schichtarbeit etc),
  • Das Stress-Coping-Modell sieht Krankheit auf der individuellen Ebene als ein Versagen von Regulationsmechanismen auf körperliche, psychische und soziale Anforderungen und hebt die Bewältigungsmöglichkeiten des Menschen in Hinblick auf Belastungen hervor. Hier gibt es keine scharfe Grenzlinie zwischen Gesundheit und Krankheit, vielmehr geht man von einem Kontinuum aus.
  • 7 Nach Bengel, Strittmatter & Willmann, 2001.
    8 „Health promotion is the process of enabling people to increase control over, and to improve, their health. To reach a state of complete physical, mental an social well-being, an individual or group must be able to identify and to realize aspirations, to satisfy needs, and to change or cope with the environment. Health is, therefore, seen as a resource for everyday life, not the objective of living. Health is a positive concept emphasising social and personal resources, as well as physical capacities. Therefore, health promotion is not just the responsibility of the health sector, but goes beyond healthy life-styles to well-being.             
    The fundamental conditions and resources for health are:
    • peace,
    • shelter,
    • education,
    • food,
    • income,
    • a stable eco-system,
    • sustainable resources,
    • social justice, and equity.

    Improvement in health requires a secure foundation in these basic prerequisites.” (Ottawa Charter for Health Promotion, WHO, 21. November 1986).