Notfälle in der Shiatsu-Praxis
Immer wieder, so Dr. Dominik Meraner, Shiatsu-Praktiker und Facharzt für Orthopädie, im Rahmen eines Vertiefungskurses zur energetischen Einschätzung (Juli 2010) sieht sich der*die Shiatsu-Praktiker*in mit Klient*innen konfrontiert, die Krankheitszeichen zeigen. Meist handelt es sich dabei um Erkrankungen, die entweder ungefährlich sind, wie z.B. ein Schnupfen, oder aber vor der Shiatsu-Behandlung schon schulmedizinisch diagnostiziert und behandelt wurden. Es kann aber auch sein, dass ein Symptom oder eine Pathologie erst während einer Shiatsu-Sitzung oder in der dieser vorangehenden Anamnese augenscheinlich werden.
Im Folgenden werden, in Anlehnung an den Vortrag von Dominik Meraner (die Gliederung von “Kopf bis Fuß” folgt ebenfalls seinem Vortrag), Erkrankungen und typische Symptome angeführt, bei denen möglichst rasch ein*e Ärzt*in zu Rate gezogen werden soll, in manchen Fällen ist es sogar erforderlich, sofort die Rettung zu rufen.
Kopf – Blutungen
Jedes traumatische Geschehen im Kopfbereich in Folge eines Sturzes oder eines Schlags ist potentiell gefährlich und kann besonders bei Patient*innen mit Blutverdünnung (Marcoumar, Thrombo Ass, Aspirin, Plavix o..ä.) zu Gehirnblutungen führen. Auch junge Personen mit entsprechendem Trauma können im Kopf bluten, wobei die Symptome häufig erst nach einiger Zeit auftreten können (lucides Intervall) und unter Umständen vom*von der Patient*in selbst gar nicht sofort bemerkt werden.
Ein Sturz, der nicht erinnerlich ist oder mit Ohnmacht einhergeht, muss sofort für mindestens 24 Stunden zur Beobachtung ins Spital. Blutungen bzw. Infarkte der gehirnversorgenden Blutgefässe können aber auch ohne Sturz auftreten (Schlaganfall).
Beim Auftreten unten genannter Symptome soll sofort ein*e Ärzt*inn aufgesucht werden:
- Bewusstlosigkeit
- Lähmungen (auch im Gesicht)
- Wesensveränderungen oder unerklärbare Schläfrigkeit
- Kurzzeitige Sehverschlechterung oder Blindheit, auch nur eines Auges (Amaurosis fugax) oder ungleiche Pupillen, bzw. Pupillen, die nicht auf Lichteinfall reagieren
- Schlagartig einsetzender “Vernichtungskopfschmerz”
- Meningismus (Dehnungsschmerz)
Gefährlicher Kopfschmerz
Mehr als 90% der Patient*inneen, die unter Kopfschmerzen leiden, haben keine bedrohliche Erkrankung. Besondere Alarmsignale, die auf einen bedrohlichen Prozess hinweisen, sind nachfolgend gereiht:
- Ungewohnte Kopfschmerzen bei sonst völlig Kopfschmerzfreien Patienten
- Erstmalige Kopfschmerzen im höheren Alter
- Schlagartig einsetzende Kopfschmerzen (“Vernichtungsschmerz”)
- Kopfschmerzen, die immer an der selben Stelle auftreten
- Stete Progredienz (Zunahme) der Kopfschmerzintensität
- Dauerkopfschmerz
- Kopfschmerzen die mit psychischen Auffälligkeiten, Bewusstseinsstörungen oder epileptischen Anfällen einhergehen
- Meningismus (Dehnungsschmerz der HWS bis in den Rücken/Beine ziehend)
Wirbelsäule
Einer der häufigsten Gründe für einen Besuch beim*bei der Shiatsu-Praktiker*in sind schmerzhafte Beschwerden im Bereich der Wirbelsäule. Dabei kann es sich um “harmlose” funktionell-muskuläre Störungen, aber durchaus auch um knöcherne, entzündliche oder nervale Pathologien handeln. Meistens gehen diese Erkrankungen mit starken Schmerzen im Bereich der Wirbelsäule einher, aber es gibt auch Ausnahmen.
Alarmierende Symptome:
- Lähmungen einer Extremität, der Finger oder Zehen
- Sensibilitätsverlust („Bamstigkeit“, auch am Rumpf)
- Blasen- und Stuhlentleerungsstörungen (Cauda-Symptomatik)
- Klopfschmerz an der Wirbelsäule, eventuell auch mit Fieber ( Entzündung, Fraktur)
- Dehnungsschmerz der Unteren Extremität (Lasegue Zeichen)
Osteoporose
Osteoporose bzw. Osteopenie (wenn keine Fraktur vorliegt) ist eine universelle oder lokalisierte Verminderung der Knochenmasse und Rarefizierung der Knochenstruktur. Knochen sind ein lebendiges Organ und einem ständigen Auf- und Abbau unterworfen. Bei der Osteoporose kommt es zu einem Ungleichgewicht dieses Vorgangs zu Gunsten des Knochenabbaus, bzw. zu einer verminderten Calcium-Einlagerung. Dies führt wiederum zu einem erhöhten Risiko für Knochenbrüche, teilweise auch ohne adäquates Trauma. Fallweise kommt es auch zu so genannten Spontanfrakturen, vor allem im Bereich der Wirbelsäule oder an den Füßen.
Die Erkrankung betrifft häufig Frauen in der Menopause, kann aber auch bei Männern und jüngeren Patient*innen vorkommen. Besonders Alkohol, Nikotin und Cortison, aber auch eine Anorexie oder längere Immobilität führen zu Störungen des Knochenstoffwechsels.
Beweisend für die Erkrankung ist das Röntgen-Bild, bzw. eine Knochendichtemessung, die ältere Patient*innen regelmäßig durchführen lassen sollten. Leider kommt es immer wieder zu Brüchen bei älteren Patienten*innen (Schenkelhalsfraktur) nach banalen Stürzen wegen unbehandelter Osteoporose. Eine ausreichende Calcium- und Vitamin D-Zufuhr ist oft schon genug als Therapie, in schwereren Fällen muss medikamentös (Bisphosphonate) nachgeholfen werden.
Symptome:
- Verlust an Körpergröße
- Verstärkte Brustkyphose, abgeflachte Lendenlordose
- Schräge Hautfalten an den Flanken (Tannenbaumphänomen)
- Schmerzen durch Frakturen oder Überlastung der Rumpfmuskulatur
- Rippenbogenrandschmerzen
Gelenke
Notfälle im Bereich der Gelenke sind häufig nach Unfällen zu bemerken und verirren sich nur selten zum*zur Shiatsu Praktiker*in. Trotzdem gibt es Erkrankungen wie zum Beispiel eine bakterielle Entzündung oder Instabilitäten nach Bandverletzungen im Bereich der Gelenke, die von Patienten*innen leichtfertig selbst behandelt und dadurch übersehen werden können.
Symptome:
Schmerzhaftes, überwärmtes, gerötetes und geschwollenes Gelenk, eventuell nach kleinerer Verletzung der Haut oder im Rahmen eines grippalen Infekts mit Fieber:
Sofort ins nächste Unfallspital, da eine Sepsis lebensbedrohlich ist! Auch Schmerzen, die mit einer Instabilität in einem Gelenk einhergehen (z.B. Schulterluxation) sollten vom*von der Orthopäd*in oder Unfallchirurg*in angesehen werden.
Extremitäten
“Notfälle” an den Extremitäten kommen meistens bei Unfällen vor und werden daher seltener in der Shiatsu-Praxis beobachtet. Es gibt aber auch Knochenbrüche, die sehr unscheinbar vonstattengehen. Spontanfrakturen bei Osteoporose wurden bereits weiter oben besprochen. Häufig sind Frakturen der Mittelfußknochen bei sportlicher Betätigung (Fußball). Ein Röntgen-Bild bei anhaltenden Schmerzen, eventuell auch mit Hämatom und Schwellung, ist sinnvoll.
Weiters könnte auch eine Beinvenenthrombose oder ein akuter Gefässverschluss beim*bei der Praktiker*in auffallen. Alarmzeichen:
- Druckschmerzhafter, geschwollener Unter- oder Oberschenkel
- Fußdehnungsschmerz
- Fehlen von Pulsen an den Füssen und weiß-livide Verfärbung der Zehen (arterieller Gefässverschluss) mit Schmerzen
Bauch/Abdomen
Verdauungsprobleme sind ebenfalls weit verbreitet und können mit Shiatsu und TCM häufig gebessert werden (Obstipation, Diarrhöe). Es gibt jedoch auch Situationen, in denen ein Besuch beim*bei der Schulmediziner*in angeraten werden sollte.
Blutungen im Bauchraum bzw. Darm sind häufiger als gedacht. Viele ältere Menschen nehmen Schmerzmittel gemeinsam mit blutverdünnenden Substanzen und in dieser Kombination können gefährliche Blutungen entstehen. Blutige Stühle und Schmerzen im Bauch sollten in jedem Fall von einer chirurgischen Ambulanz gesehen werden. (Auch wenn sich häufig nur harmlose Hämorrhoiden dahinter verbergen).
Eine länger dauernde Verstopfung trotz der Einnahme von Abführmitteln kann Ausdruck eines so genannten Ileus (Darmverschluss) sein. Stuhlverhalt über 5 Tage (bei entsprechenden Beschwerden auch früher) indiziert ebenfalls einen Arztbesuch.
Unter einem akuten Abdomen versteht man rasch eintretende Schmerzen im Bauchraum mit Abwehrspannung der Bauchdeckenmuskulatur, Störungen der Darmtätigkeit und Fieber, im schlimmsten Fall mit Kreislaufschock. In diesem Fall sofort die Rettung rufen!