Kontraktion, Ruhespannung und Elastizität eines Muskels

Motorische Einheit

Alle Muskelfasern, die von einem motorischen Nerv innerviert werden, fasst man als eine motorische Einheit zusammen. Sie wird gebildet von einem Motoneuron und dem ihm innervierten Kollektiv von Muskelfasern.[1]Motorische Fasern sind markscheidenhaltige, schnell leitende Fasern, die Leitungsgeschwindigkeiten bis zu 120 m/s (432 km/h) aufweisen. Marklose, langsam leitende Fasern signalisieren den … weiterlesen

Von den Neuronen des Zentralnervensystems werden die Bewegungsimpulse über die efferenten Nerven (entlang der Pyramidenbahn) zu den motorischen Vorderhornzellen (Alpha-Motoneuronen) des Rückenmarks geleitet, die ihrerseits die zugehörige Skelettmuskulatur innervieren. Bei der Ankunft am Muskel erfährt der periphere motorische Nerv eine vielfache Aufzeweigung in einzelne Nervenfasern, die jeweils über eine motorische Endplatte (eine Art Synapse als Bindeglied zwischen Nervenfaser und Muskel) eine bestimmte Zahl an Muskelfasern innervieren.[2]Die Zahl der von einem Alpha-Motoneuron innervierten Muskelfasern variiert nach Art und Funktion des Muskels. In großen, kraftorientierten Muskeln (wie z.B. dem M. gastrocnemius) beträgt das … weiterlesen


Intra- und intermuskuläre Koordination

Funktionell arbeiten niemals alle Motoneurone gleichzeitig. Moduliert werden die Kontraktionsstärke und -geschwindigkeit der Skelettmuskulatur durch nachfolgende Mechanismen:

  • Die Feinabstufung der Bewegung erfolgt über die Steigerung der Entadungsfrequenz des zugehörigen Motoneurons.
  • Die Grobabstufung der Bewegung wird über eine vermehrte oder verringerte Rekrutierung von motorischen Einheiten erreicht. Das Maximum der realisierten Kraft wird durch die Aktivierung aller in einem Muskel vorhandenen motorischen Einheiten und ihre kurzzeitige synchronisierte Tätigkeit erreicht.
  • Die Variation der Bewegungsgeschwindigkeit erfolgt durch die Aktivierung spezieller motorischer Einheiten (FT-, ST-Fasern; kleinere und größere Einheiten) auf Grund der unterschiedlichen Reizschwelle der verschiedenen Motoneurone. Die großen Alpha-Motoneurone mit höherer Impulsentladungsfrequenz und geringerer Erregbarkeit werden den FT-Fasern, die kleineren mit geringerer Entladungsfrequenz und höherer Erregbarkeit den ST-Fasern zugeordnet.

Durch Training kann die Fähigkeit erworben werden, mehr motorische Einheiten eines Muskels gleichzeitig zu aktivieren und (synchron) zu kontrahieren. Man spricht hier von einer intramuskulären Koordinationsverbesserung.

Das harmonische Zusammenwirken mehrerer Muskeln und Muskelgruppen wird als intermuskuläre Koordination bezeichnet und bedarf der Interaktiion zahlreicher Steuermechanismen des Zentralen Nervensystems (ZNS):

  • Erstellung von Bewegungsprogrammen und Auslösung der konzipierten Projekte;
  • räumlich-zeitliche Gliederung und affektive Ausgestaltung der Bewegung;
  • Kontrolle und Abstimmung der Muskeltätigkeit auf die situativen Notwendigkeiten mittels peripherer Rückmeldungsinformationen (Realafferenzen) über die Analysatoren; und
  • für unterschiedliche Bewegungen, abhängig davon wie komplex sie sind, sind verschiedene, hierarchisch gegliederte Steuerungsinstanzen in die Regulation des Bewegungsablaufs involviert:
  • Das Rückenmark dient neben der Leitung sensorischer und motorischer Fasern der Ausführung einfacher Haltungs- und Bewegungsmuster (z.B. Koordination der Gehbewegungen). Innerhalb dieser Spinalmotorik sind die propriozeptiven Reflexe (ein wichtiger Vertreter ist der Muskeldehnungsreflex der Muskelspindeln) von großer Bedeutung für die Aufrechterhaltung des Organismus.
  • Der Hirnstamm (bestehend aus Verlängertem Rückenmark, Brücke und MIttelhirn) sorgt für eine den Notwendigkeiten der Zielmotorik angepasste Stützmotorik (Haltung).[3]Ziel- und Stützmotorik ergänzen einander. Die Koordination spezieller Bewegungsabläufe der Extremitäten bedarf der Zielmotorik, die entsprechende Körperhaltung der Stützmotorik.
  • Kleinhirn und Basalganglien (vor allem Striatum und Pallidum) gliedern die grobmotorischen Bewegungsmuster der Assoziationszentren des Endhirns räumlich-zeitlich.
  • Das Endhirn ist über die motorischen Rindenfelder, die Assoziationszentren sowie über die Motivations- und Antriebsareale von besonderer Bedeutung für die Durchführung von Bewegungshandlungen, die Bereitstellung von Programmentwürfen und die Regulierung des Handlungsantriebes.
  • Für die Realisierung einer Bewegungshandlung sind die beteiligten anatomischen Strukturen in einer Funktionskette hintereinandergeschaltet:
Anatomische StrukturAblauf der Bewegungshandlung
Limbisches System und andere MotivationsarealeEntscheidungsinstanz für den Abruf von
Assoziationsfelder des Endhirnsgespeicherten Programmentwürfen, die Kleinhirn und Basalganglien (vor allem Endhirnstruktur des Striatums bzw. Zwischenhirnstruktur des Pallidums) in räumlich-zeitlich gegliederte Bewegungsprogramme umgesetzt,
Motorische Rindenfelder dem Motorkortex als Exekutivorgan für die Ausführung des Bewegungsprogramms zugeführt werden. Über efferente Bahnen gelangen die differenzierten Bewegungsengramme (Bewegungsschemata)
Hirnstammbei angepasster Stützmotorik
Rückenmarkzu den motorischen Vorderhornzellen des Rückenmarks, wo sie auf die Alphaneurone umgeschaltet werden, die über
Skelettmuskulaturdie Zahl der innervierten motorischen Einheiten bzw. die vorliegende Impulsfrequenz der aktivierten Muskeln zu abgestuften Muskellängen und -kraftänderungen und damit zu einer Bewegung oder Haltungsveränderung führen.
  • Feedback über den erzielten Bewegungseffekt ist notwendig, damit die Bewegungen der Skelettmuskulatur an die äußeren Rahmenbedingungen angepasst werden können. Auch dieser Vorgang findet (wie die Bewegungssteuerung) auf den verschiedenen Organisationsniveaus statt. Untergeordnete Schaltsysteme (z.B: die spinale Ebene) versorgen dabei nur einen sehr beschränkten Regelbereich, erfassen nur einen Teil der organismischen Gesamtsteuerung und können deshalb größere Abweichungen vom gewünschten Ziel nicht ausgleichen. Höhere Schaltkreise (z.B: supraspinale und subkortikale) versorgen bereits den gesamten Organismus, aber auch ihre Steuerungsmöglichkeiten reichen bei extremen Aussteuerungen nicht aus. Die höhste Ebene der Steuerung, der Kortex, hingegen vermag als einziges System eine Integration aller funktionellen Möglichkeiten des Organismus herbeizuführen. In der Regel sind höhere und niedrigere Regelmechanismen so verwoben, dass die höheren Systeme die normgebende Zielangabe übernehmen (z.B. die Ausführung von motorischen Bewegungen), während die weniger hochstehenden Regelkreise die Durchführung der stützmotorischen Bewegungen und die schnelle Rückführung der äußeren Störgrößen übernehmen.


Funktionelle Einheiten

Bei den funktionellen Einheiten des Muskels unterscheidet man

  • kontraktile Elemente (Aktin und Myosin),
  • parallel-elastische Elemente (Sarkolemm, Perimysium und Fascie[4]Das heißt, die Bindegewebshüllen um die Muskelfasern, die Muskelfaserbündel und den Gesamtmuskel.) und
  • serien-elastische Elemente (Sehnen).


Muskelkontraktion

Die Kontraktionsfähigkeit ist das charakteristischte Merkmal der Muskeln. Man unterscheidet dabei

  • die isotonische Kontraktion und
  • die isometrische Kontraktikon.

Die isotonische Kontraktion bezeichnet die starke Verkürzung eines Muskels, z.B. beim Heben eines Gewichts. Isotonische Muskeln haben lange Fasern, entwickeln aber weniger Kraft als die isometrischen Muskeln. Sie sind für Beugungs- und Streckbewegungen zuständig.

Die isometrische Kontraktion übt Kraft aus, ohne das sich der Muskel (nennenswert) verkürzt. Isometrische Muskeln bestehen aus relativ kurzen Fasern und haben vor allem die Aufgabe das Körpergewicht zu tragen.

Zu den Skelettmuskeln fürhren viele motorische Nervenfasern (Motoneuronen) und Sinnesnervenfasern. Die Motoneuronen übertragen die vom Gehirn kommenden Reize, die eine Muskelkontraktion auslösen. Die Sinnesnervenfasern sind mit Rezeptoren verbunden, die Schmerz-, Druck- und Berührungsempfindungen registrieren und dem Gehirn mitteilen. Auch können die Rezeptoren selbst Reflexbewegungen auslösen, d.h. Bewegungen, die unabhängig von unserem Willen sind.


Gleitfilamenttheorie der quergestreiften Muskulatur

  • Die Köpfchen der Myosinfilamente stehen in entspanntem Zustand (Ruhezustand) senkrecht aus den Filamenten heraus. Myosinköpfchen und Aktinfilament haben eine hohe Affinität, d.h. sie sind bestrebt, spontan Bindung miteinander einzugehen. Das wird jedoch durch Tropomyosinfilamente (Tropomyosinfäden) verhindert, die um die Aktinfilamente gewickelt sind.
  • Auf Grund von Nervenimpulsen wird innerhalb der Muskelzelle Calzium ausgeschüttet.[5]Das intrazelluläre Calzium steigt von ca. 10-8 mol/l auf 10-5 mol/l. Dieses bewirkt, dass sich die Tropomyosinfäden ins Innere der Aktinfilamente verlagern. Damit wird die Blockierung aufgehoben und die Myosinköpfchen können sich gelenkartig mit den Aktinfilamenten verbinden.
  • Zudem bewirkt das Calzium, dass das Enzym ATP-ase aktiviert wird und das and das Myosin gebundene ATP (Adenosintriphosphat[6]Ein Teil des ATP befindet sich im Sarkoplasma. Besonders hoch ist die ATP-Konzentration allerdings im Bereich der Z-Scheiben der Myofibrillen.) in ADP (Adenosindiphosphat) und Phosphat gespalten wird. Dieser Vorgang führt zu einer Strukturveränderung innerhalb des Myosinmoleküls, so dass das Myosinköpfchen in eine 45-Grad-Stellung kippt und dabei das angeheftete Aktinfilament um ein Stückchen (ca. 10 nm) verschiebt. Energie wird dabei in Form von ATP verbraucht und auch etwas Wärme wird frei.
  • Nach dem Umkippen des Myosinköpfchens löst sich dieses – sofern noch weiteres ATP vorhanden ist, das sich wieder an das Myosin-Köpfchen bindet – rasch vom Aktin, richtet sich wieder auf und kann sofort eine erneute Bindung mit dem Aktinfilament eingehen, wobei die neue Bindungsstelle gegenüber der vorigen etwas versetzt liegt.
  • Dieser Zyklus von “Anheften, Umkippen, Lösen und Aufrichten” (Querbrückenzyklus) zwischen Aktin- und Myosinfilament wird in Sekundenbruchteilen merhrfach durchlaufen – je nach Art des Muskels bis zu 50 mal pro Sekunde.
  • Die Myosinköpfchen arbeiten dabei asynchron, d.h. während die einen ziehen, richten sich die anderen auf, so dass die Aktinfilamente ruckfrei immer tiefer zwischen die Myosinfilamente gezogen werden.
  • Die einzelnen Sarkomere einer Muskelfaser verkürzen sich bei diesem Vorgang um bis zu 30 Prozent ihrer Ruhelänge, was – bei Tausenden von Sarkomeren, die in einer Muskelfaser hintereinander liegen – zu einer deutlichen Verkürzung des gesamten Muskels führt. Die Längen der Filamente bleiben bei diesem Geschehen unverändert, nur ihre Position verändert sich.


Vom neuralen Impuls zur Muskelkontraktion

  • Ein Impuls des Zentralnervensystems (ZNS), der über das Motoaxon läuft, trifft auf alle innervierten Faserzellen (das können, je nach Muskeltyp, wenige oder bis zu 1.000 Muskelfasern sein) und bewirkt dort ein postsynaptisches Potential. Alle Muskelfasern einens Motoneurons werden damit voll aktiviert und kontrahieren sich. Ob dies zu einer einzelnen Zuckung oder einer anhaltenden Kontraktion wird, bestimmt die Frequenz der eintreffenden Impulse.
  • Trifft eine Aktionspotential in den Endigungen eines Motoneurons ein, so führt dies zur Ausschüttung des Neurotransmitters Acetylcholin. Dieser diffundiert über den synaptischen Spalt zwischen Motoaxon und motorischer Endplatte und bindet sich an Inonenkanäle, die sich nun öffnen. Dadurch entsteht an der Oberflächenmembran je nach Muskeltypus ein Aktions- oder auch Rezeptorpotential. Dieses breitet sich über die ganze Muskelfasermembran aus und erregt sie.
  • Die Erregung wird über sich verzweigende transversale Tubuli (Einstülpungen der Oberflächenmembran), die sich vor allem um die Z-Scheiben herum befinden, tief in die Muskelfaser getragen. v Die Kontraktion der Muskelfaser wird nun durch eine Veränderung der Kalziumkonzentration im Myoplasma der Muskelfaser ausgelöst. Die Kalziumionen dafür werden im Sarkoplasmatischen Retikulum, das um jede Myofibrille von einer Z-Scheibe zur nächsten gewickelt ist, bereitgestellt.
  • Das Sarkoplasmatische Retikulum hat an seinen Einden sehr engen Kontakt zu den transversalen Tubuli (T-Tubuli) und so wird das elektrische Signal im Falle der Erregung über den Tubulus getragen und führt durch eine Ausschüttung eines intrazellulären Messengers zur Ausschüttung der Kalziumionen aus dem Sarkoplasmischen Retikulum.


Ruhespannung und Elastizitätsverhalten des Muskels

  • Die Titinfilamente arbeiten als molkulare Federn. Durch sie entsteht die Ruhespannung und das Elastizitätsverhalten des Muskels bei Dehnungen (“Gummibandeffekt”).
  • Die Dehnungsspannung einzelner Titinmoleküle nimmt im Verlauf von Dehnungen in ganz ähnlicher Weise ab wie die des gesamten Muskels.

Anmerkungen

Anmerkungen
1 Motorische Fasern sind markscheidenhaltige, schnell leitende Fasern, die Leitungsgeschwindigkeiten bis zu 120 m/s (432 km/h) aufweisen. Marklose, langsam leitende Fasern signalisieren den Schmerz.

Eine Nervenzelle (Neuron) besteht aus dem Zellkörper, den Dendriten (kurze, zur Zelle hinführende Fortsätze, die der Informationsaufnahme aus der Umgebung dienen) und dem Neurit (Axon; langer Fortsatz, der die Informationen zu anderen Zellen oder zum Erfolgsorgan, z.B. dem Muskel, weiterleitet. Mehrere Neuriten werden zu einem Leitungsbündel zusammengefasst, das in seiner Gesamtheit einen Nerv bildet. Ihre “höheren” Fähigkeiten entfalten Neuronen aber erst im wechselseitigen Verbund, dem Nervensystem. Sie sind über Synapsen (Kontaktstellen, die Übertragungsstoffe, Neurotransmitter, bilden) in Funktionskreisen miteinander verknüpft, wobei keine 1:1-Beziehung vorliegt, sondern eine vieltausendfache Vermischung.

2 Die Zahl der von einem Alpha-Motoneuron innervierten Muskelfasern variiert nach Art und Funktion des Muskels. In großen, kraftorientierten Muskeln (wie z.B. dem M. gastrocnemius) beträgt das Innervations-Verhältnis von Nervenzelle zu Muskelfaser ca. 1 : 1600, in kleineren, feinmotorischen Muskel (wie z.B. dem Augenmuskel) dagegen nur ca. 1 : 10.
3 Ziel- und Stützmotorik ergänzen einander. Die Koordination spezieller Bewegungsabläufe der Extremitäten bedarf der Zielmotorik, die entsprechende Körperhaltung der Stützmotorik.
4 Das heißt, die Bindegewebshüllen um die Muskelfasern, die Muskelfaserbündel und den Gesamtmuskel.
5 Das intrazelluläre Calzium steigt von ca. 10-8 mol/l auf 10-5 mol/l.
6 Ein Teil des ATP befindet sich im Sarkoplasma. Besonders hoch ist die ATP-Konzentration allerdings im Bereich der Z-Scheiben der Myofibrillen.