Klatsch & Tratsch

Klatsch und Tratsch dient vielfach als sozialer Kitt. Er befestigt Beziehungen und beugt egoistischem Verhalten vor. Lästern als Sonderfall des Tratsches ist eine Form indirekter Aggression. Es kann physische Gewalt ersetzen, etwa wenn Menschen Rache üben, ihrem Ärger Luft machen oder einen Rivalen ausschalten wollen.

Für den sozialen Kitt zwischen Gruppenmitgliedern sorgte (in den Augen der Forschung) bei unseren Vorfahren das wechselseitige Lausen, das so genannte “grooming”, das sich noch heute bei Affen beobachten lässt. Während der Fellplfege schütten die Tiere Endorphine aus, ihre Herzrate sinkt und sie entspannen sich. Da mit steigender Gruppengröße (die im Kampf gegen Feinde einen Überlebnsvorteil darstellte) banspruchte die nötige wechselseitige Fellpflege wohl zu viel Zeit, so dass sie die verbale Interaktion als eine Art soziale Ersatzwährung etabliert haben: Die Beteiligten bauen dabei Vertrauen zueinander auf und festigen ihre Beziehung. Und so wie sich früher beim Lausen Parasiten identifizieren ließen, halten wir es heute noch, wenn wir z.B. über einen jemanden schimpfen, der eine Vereinbarung nicht einhält. Klatschgeschichten haben möglicherweise, so beispielsweiseder Psychologe Roy Baumeister von der Florida State University in Tallahassee), die Funktion soziale Regeln und Normen zu vermitteln. Das informelle Gespräch beispielsweise ist die zentrale Informationsquelle für neue Mitarbeiter in einem Unternehmen. Auf diese Weise lernen sie die Gepflogenheiten an ihrem Arbeitsplatz am besten kennen (eine ähnliche Funktion haben Märchen und Bibelgeschichten, die die moralischen Werte und Verhaltensnormen unter das Volk bringen). Ohne die Konsequenzen eines Regelverstoßes am eigenen Leib erfahren zu müssen, lernen die Zuhörer aus den Erfahrungen der handelnden Personen in den Geschichten.

Als Wurzel des menschlichen Tratschverhaltens sehen Forscher das eigennützige Ziel, persönliche Ansichten zu überprüfen, Bestätigung zu suchen und sich mit anderen zu vergleichen, um sich als besser dazustellen. Aus Vergleichen erwächst ein befriedigendes Gefühl eigener Überlegenheit und gemeinsamer Identität in Abgrenzung zu Dritten.

Das Wort Kaffeeklatsch geht ursprünglich zurück auf einen Brauch männlicher Zeitungsredakteure im 18. Jahrhundert, in Kaffeehäusern Neuigkeiten auszutauschen. Unter dem englischen Pendant gossip (Klatsch, Tratsch) verstand man bis etwa 1800 einen Mann, der mit Freunden trinkt.


Geschlechtsunterschiede

Während enge Freundinnen (Untersuchungen an SchülerInnen zwischen 9 und 12 Jahren) besonders gerne über ihren Schwarm tratschen, führen männliche Freunde solche Gespräche eher selten und schon gar nicht über ihre weiblichen Favoritinnen.

Ähnliche Geschlechtunterschiede zeigen sich auch bei erwachsenen Menschen: Männer bewegen sich lieber auf emotional ungefährlichem Terrain. Sie unterhalten sich z.B. über Prominente wie Sportler und Politiker, die sie aus dem Fernsehen kennen oder über entfernte Bekannte. Frauen hingegen reden am häufigsten über nahe Angehörige wie Freunde und Verwandte.


Quelle

Gehirn & Geist 1-2/2012