Shiatsu in Europa – Besonderheiten und Entwicklungen (Peter Itin)

  • Was sind die besonderen Stärken und Merkmale des in Europa praktizierten und unterrichteten Shiatsu – im Unterschied zum Shiatsu, wie es uns durch unsere japanischen Lehrer unterrichtet wurde oder wird?
  • Was sind spezielle, wichtige Aspekte (Theorien, Philosophien, Techniken), die Du persönlich in Deinen Unterricht einbringst?
  • Was wird im Europäischen Shiatsu im Jahre 2025 unterschiedlich sein im Vergleich zu heute? Was betrachtest Du als die hauptsächlichen Entwicklungen?
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Diese drei Fragen habe ich per email den Lehrpersonen aus Deutschland, Grossbritannien, Schottland, Österreich und der Schweiz gestellt, welche am Dritten Europäischen Shiatsu Kongress im Kiental (13.-16.10.11) einen Beitrag geleistet haben. Im ersten Teil des Artikels findet sich eine Auswertung dieser Umfrage. Im zweiten Teil sind ergänzende Aspekte zusammengestellt, welche von Praktizierenden am Kiental-Kongress in einem Workshop genannt wurden, nachdem ich ihnen vorgängig die Ergebnisse der Lehrerumfrage präsentiert hatte. Im dritten Teil finden sich meine persönlichen Schlussfolgerungen, welche auch weitere im Kiental geführte Diskussionen mit einbeziehen, insbesondere jene zu den Themen “Braucht Shiatsu zusätzliche Qualifikationen?”, und “Was ist der Kern des Shiatsu?”.


Teil 1: Die Lehrer-Umfrage

16 Lehrpersonen gaben schriftlich Antwort zu den oben genannten drei Fragen.[1]Die an der Umfrage mitwirkenden Lehrpersonen waren: Beatrice Bircher (CH), Werner Brünner (A), Ricarda Doneiser (A), Gabriele Falk (D), Tamsin Graininger (UK), Peter Itin (CH), Karin … weiterlesen) Die Umfrage-Ergebnisse erheben somit nicht den Anspruch, repräsentativ im statistischen Sinne zu sein. Sie spiegeln jedoch die Tendenzen von Shiatsu in den vertretenen Ländern.

Die Antworten wurden vom Autor anonymisiert und in 10 Punkten pro Frage zusammengefasst. Zu jedem der 30 Punkte liegen Statements von mindestens zwei Lehrpersonen vor, zu einem Punkt sogar von 12 Personen (Masunaga als Basis des eigenen Unterrichts). Die Zusammenfassung gibt ein gutes Gesamtbild der Antworten, wobei es natürlich nicht möglich ist, allen Voten umfassend gerecht zu werden. Einzelne Stichwörter, die aufgeführt wurden, sind in Klammern angefügt, um einen Punkt mehr zu konkretisieren. 5 der 16 Lehrpersonen (ca. ein Drittel) haben auch grundsätzliche Kritiken, Bedenken und Appelle eingebracht, die separat aufgelistet sind.


Die besonderen Stärken und Merkmale des in Europa praktizierten und unterrichteten Shiatsu

  • Shiatsu in Europa hat sich den kulturellen, sozialen und rechtlichen Bedingungen und der modernen Lebensweise in Europa angepasst. Es unterscheidet sich vom japanischen Shiatsu, das in einer anderen Zeit und Kultur entstand und heute wieder durch das europäische Shiatsu beeinflusst wird.
  • Shiatsu wird in Europa als Therapie eingesetzt zur Unterstützung persönlicher Entwicklungsprozesse, und einem höherem Stellenwert der Gesprächsführung ((“Komplementärtherapie”, “Psychotherapie über den Körper”, psychische Themen, Psychosomatik).
  • Im Vergleich zu Japan ist Shiatsu in Europa eine “sanfte” Behandlungsform (“emotional berührendes Shiatsu”).
  • Es entstanden eigenständige, kreative Formen des Shiatsu als Weiterentwicklungen und Differenzierungen der Arbeit von Masunaga durch erfahrene und innovative Lehrpersonen.
  • Diese verwenden andere Worte und Metaphern als traditionell von japanischen Lehrpersonen vermittelt, und sie interpretieren die Energiearbeit neu.
  • Sie nutzen Verknüpfungen der fernöstlichen Philosophie mit westlichem Wissen (Psychologie, Neurowissenschaft, Quantenphysik usw.).
  • Sie stellen Bezüge zu anderen Formen der Körperarbeit her (Craniosakraltherapie, Qi Gong, Atemtherapie usw.).
  • Es entstanden Spezialisierungen der Arbeit in verschiedenen Gebieten (Schwangerschaft, Kinder, Stress, Psychosomatik, Trauma, Behinderte usw.), auch in Kooperation mit der Schulmedizin.
  • Erklären und Verstehen von Theorien und Techniken haben in der Ausbildung in Europa einen höheren Stellenwert als in Japan, wo Beobachten und Nachahmen im Vordergrund stehen.
  • Das Lernen in Europa umfasst mehr Selbstexploration, Selbsterfahrung, Supervision und selbstgesteuertes Lernen.


Spezielle, wichtige Aspekte des eigenen Unterrichts

  • Philosophie, Theorien und Techniken von Masunaga bilden die Ausgangsbasis (z.B. energetische Evaluation, Druck, Fokus, Haltungen, Positionen, Rotationen).
  • Es werden Shiatsu-Theorien und -Techniken vermittelt, welche durch die Antwortenden selbst oder andere Lehrpersonen in Europa bzw. ausserhalb von Japan weiterentwickelt wurden, und es ergeben sich Verbindungen zu anderen Fachgebieten (z.B. zu Psychologie, anderen Formen der Körper- und Energiearbeit, zur spirituellen Arbeit), die als Inspirationsquelle des eigenen Stils wirken.
  • Ein besonderer Fokus liegt auf der bewussten inneren Ausrichtung und Haltung im therapeutischen Beziehungsfeld (Empathie, Ganzheitlichkeit des Denkens und Handelns, Gegenwärtigkeit, Stille, Langsamkeit, Achtsamkeit, Autotomie/Selbstwahrnehmung/Selbstverantwortung der KlientInnen, Vertrauen auf den Prozess, sich leiten lassen).
  • Die Wandlungsphasen haben einen besonderen Stellenwert (Meridianentwicklungskonzept, Meridianfamilien, Kontrollzyklus, mit ihren Bezügen zu Persönlichkeitsentwicklung, Lebensphasen, Emotionen und körperlich/energetischem Ausdruck), und die 8 ausserordentlichen Gefässe.
  • Die Vernetzung West-Ost (Energetik-Anatomie) und der Bezug zur fernöstlichen Philosophie und Lebensanschauung wird vermittelt (Zen und Shen).
  • Es werden erweiterte Kompetenzen für spezielle Anforderungen (Arbeit mit Personen im Rollstuhl, auf der Liege, bei Behinderungen usw.) sowie Vertiefungen und Spezialisierungen nach Themen oder Zielgruppen vermittelt (Schwangerschaftsbegleitung, prä- und perinatale Themen, Babies, Kinder, Senioren, Shiatsu bei Sterbehilfe, Stress- und Traumafolgen, seelischen Probleme und Lebenskrisen).
  • Ergänzend zur Shiatsu-Behandlung umfasst das Lehrangebot die professionelle Kommunikation, die Kompetenz zur Ernährungs-Beratung und das Anleiten von Übungen (Dehnübungen, Qi Gong, Yoga, Entspannung).
  • Die Kommunikationsfähigkeit und Zusammenarbeit mit anderen Berufsgruppen des Gesundheitswesens, zu denen man akzeptierte Partner sein möchte, wird geschult (medizinische Sprache, gemeinsame Basis).
  • Die Selbstentwicklung, Selbsterfahrung, Selbst-Sorge wird betont (Meditation, Selbstexploration), das selbstgesteuerte Lernen unterstützt und der Mut zum eigenen Stil gestärkt.
  • Die berufliche Professionalität wird als wichtig erachtet (Standortbestimmungen, Supervision, Protokollführung, eigene Grenzen erkennen usw.)


Was wird im Europäischen Shiatsu im Jahre 2025 unterschiedlich sein im Vergleich zu heute?

  • Shiatsu wird sich kennzeichnen durch Spezialisierungen und Differenzierungen, mit besonderen/höheren Anforderungen für die klinische bzw. therapeutische Berufstätigkeit (Sport, Schwangerschaft, Geburt, Kinder, Senioren, Behinderte, Stress, Trauma, Burnout, Psychiatrie, Psychosomatik, usw.).
  • Shiatsu entwickelt sich weiter als “Energie-/Schwingungsmedizin” (Verbesserung der energetischen Wahrnehmungsfähigkeit und Effektivität).
  • Die externen Befruchtungen durch Quantenphysik, Neurologie, Schulmedizin, andere Körpertherapien usw. werden weitergehen.
  • Shiatsu entwickelt sich weiter als “Beziehungs- und Begegnungsmedizin”.
  • Shiatsu gibt bewusst Anstoss zur gesundheitlichen Selbstverantwortung und zur Persönlichkeitsentwicklung (“inneres Erwachen”).
  • Die Ausbildungen werden sich weiterentwickeln und professionalisieren (Theorien, Techniken, Bezug zu Anwendungsfeldern, von der Methoden- zur Berufsausbildung).
  • Es wird ein gemeinsamer Ausbildungs-Nenner und ein Basis-Curriculum für die Shiatsu-Ausbildungen in Europa entwickelt werden.
  • Es wird mehr Forschung zu Shiatsu geben.
  • Die Zusammenarbeit mit der Schulmedizin wird voranschreiten.
  • Shiatsu entwickelt sich zu einer in der Bevölkerung verbreiteten Therapieform für wichtige Probleme und Themen und zum bekannten und anerkannten Gesundheitsberuf.


Kritiken, Bedenken und Appelle

  • Die Bedeutung der Arbeit an sich selbst wird heute unterschätzt.
  • Gesprächsführung und Kontakt sind zu oberflächlich, unbewusst und unprofessionell.
  • Es besteht eine Tendenz zur „Überpsychologisierung“.
  • Geht das ursprüngliche Shiatsu mit dem Bezug zur Zen-Meditation verloren zu Gunsten einer technisch orientierten Ausbildung an halbstaatlichen Institutionen im Zuge einer europaweiten Reglementierung der Komplementärtherapie?
  • Bleibt man verhaftet an Traditionen, Techniken und Formen, statt sich an der Effektivitätsverbesserung (z.B. in der energetischen Wahrnehmung) zu orientieren?
  • Verliert man sich in „modischen“ Themen, Theorien und Mutmassungen?
  • Führt die Vielzahl persönlicher Stile zu einer Verwässerung des Shiatsu, und kommt es zu einer Marginalisierung des Shiatsu, das sich selbst nicht ernst nimmt?
  • Kann der „Kern des Shiatsu“ erhalten werden, auch wenn die Form sich wandelt?
  • Es braucht ein Committement zum Erforschen der „Geheimnisse“ des Shiatsu.
  • Schulen und Verbände sollten sich der grossen Verantwortung bewusst sein, Ausbildungen, Theorie und Techniken weiterzuentwickeln, die Stärken und den speziellen Ansatz des Shiatsu zu erhalten und gegenläufigen Kräften von Seiten staatlicher Regulierungsinstanzen und des „Medizinbusiness“ Stand zu halten.


Teil 2: Die Sicht von Praktizierenden

Am 14.10.2011 fand im Rahmen des Kiental-Kongresses ein Workshop zu „Shiatsu in Europa“ statt, der von Eduard Tripp moderiert wurde. Ausgehend von den obigen Ergebnissen haben die 26 PraktikerInnen in Kleingruppen zwei Fragen bearbeitet. Die Antworten wurden in Stichworten zusammengefasst und vom Autor gruppiert.


Was war Dir in der Ausbildung wichtig und sollte auch in Zukunft Teil der Ausbildung sein?

  • Eigenentwicklung (persönlicher Entwicklungsprozess): Öffnung hin zu neuen Perspektiven; Genug Zeit (min. 3 Jahre); Annehmen von eigenen Fehlern und Schwächen / positive, selbstkritische Haltung; Selbstwahrnehmung und Fremdwahrnehmung; Entwicklung von Selbstvertrauen; sich jemandem zumuten können
  • Philosophie und Theorie von Shiatsu: Shiatsu als Lebenshaltung; Ganzheitlichkeit; „Leben und Atmen“; Blick auf die Stärken und das Potential der KlientInnen
  • Entwicklung der Begegnungsqualität: Achtsamkeit, Feines, Liebevolles entwickeln; Berührungsqualität; Entwicklung von Sensitivität und Durchlässigkeit
  • Energiearbeit in Shiatsu: Phänomene der Resonanz
  • Techniken: spez. Diagnosetechniken (z.B. Gesichtsdiagnose); Lehnen; Einsetzen der Mitte; Strukturarbeit
  • Die Lehrperson: Integrität, Authentizität; ihre Weltanschauung; dass sie sich ständig weiterentwickelt
  • Formen und Inhalt des Unterrichts: Open Clinic; Verbindung Theorie und Praxis; viele Behandlungen; Raum und Zeit für Austausch von Behandlungen; Stufenmodell der Ausbildung
  • Gesprächsführung: wertfreie Kommunikation.


Was hat Dir in der Ausbildung gefehlt und ist Dir wichtig, dass es zukünftig dazukommt?

  • Eigenentwicklung: Die eigene Stärke spüren; Unterstützung darin, das Selbstvertrauen zu entwickeln; Frühzeitige Anregung zu Supervision und Intervision; Grundlagen der Psychologie als Basis der Selbstreflexion
  • Philosophie und Theorie von Shiatsu: Verbindung zum Quell / der Herkunftskultur (Japan); Mehr Wissen über die Wandlungsphasen;
  • Entwicklung der Begegnungsqualität: Stärkung des Begegnungsaspekts
  • Energiearbeit in Shiatsu: Mehr Energiewahrnehmungsübungen; mehr Raum-/Feldwahrnehmung;
  • Techniken: mehr Diagnoseformen; mehr begleitetes Üben verbunden mit genauen Korrekturen;
  • Lehrperson:
  • Formen oder Inhalt des Unterrichts: Open Clinic; supervidierte Praxis; Frühzeitige Auseinandersetzung mit der Diplomarbeit als Unterstützung der Spezialisierung; Verbindung zur westlichen Medizin; Verstehen von westlichen Diagnosen/Befunden; Vermittlung des Werts von Shiatsu; Reflexion des Geschehens; Berufsperspektive: wirtschaftliche Fragen und Aspekte der Praxisgründung und –führung (ökonomische Basis)
  • Gesprächsführung: Kommunikation der eigenen Arbeit in die Gesellschaft; ressourcenorientierte Form der Gesprächsführung; Gespräch als Tel der Begegnung;
  • Weiteres: europäisch einheitliches Diplom; selbstkritischer Austausch zwischen Shiatsu und Psychotherapie; mehr Austausch der Schulen untereinander; Zusammenkommen verschiedener Methoden (Networking)

Während es also Praktikerinnen gab, denen der Aspekt der Eigenentwicklung in der Ausbildung zu wenig Gewicht erhielt, gab es auch solche, wo dieser Aspekt in der Ausbildung grosses Gewicht hatte, was auf schulenspezifische Unterschiede verweist.


Teil 3: Persönliches Fazit des Autors zur Zukunft des Shiatsu in Europa

  • Shiatsu wird sich immer wandeln. Shiatsu in Europa zeigt ein lebendiges Bild. Shiatsu kann sich in der Gesellschaft nur behaupten, wenn es nicht in Traditionen erstarrt sondern in der jeweiligen Gesellschaft und Kultur eingebettet ist und darin einen eigenständigen, wertvollen Beitrag leistet. Auch Meister Masunaga hatte – aufbauend auf Bestehendem – Neues kreirt. Seit seinem Hinschied sind 30 Jahre vergangen. Theorien, Techniken und berufliche Anwendungsfelder werden sich immer weiter wandeln.
  • Der “Kern des Shiatsu” liegt in der Haltung, nicht in der Technik. Die Essenz des Shiatsu bedeutet für mich im konkreten Berufsalltag eine innere Haltung und Ausrichtung darauf, den Menschen in seinem tiefsten inneren Kern zu berühren, in dem Liebe, Mitgefühl, Freude und Gelassenheit erlebt werden können. Ich Ich möchte ihn darin unterstützen, mit seinen Ressourcen in Kontakt zu kommen und ein grösseres “Containment” zu erhalten, um den Schwierigkeiten des Lebens zu begegnen, und dass er mehr Raum, Bewusstheit und Freiheit erlangt, sein Potential zu leben und einengende Persönlichkeitsmuster zu transformieren. Die Essenz des Shiatsu liegt für mich in der inneren Haltung und Ausrichtung. Sie kann in anderen Therapieformen durchaus gleich verstanden werden. Der Kern des Shiatsu ist zu unterscheiden von der Definition von Shiatsu, die sich mehr an formalen Kriterien orientiert und sich auf Geschichte, Theorie und Behandlungs-Techniken bezieht, die jeder Shiatsu-Ausbildung zu grunde liegen sollte.
  • Berufsreglementierungen sollten auf dem aktuell praktizierten Shiatsu aufbauen. Ich erwarte, dass in Europa im Jahre 2025 im Gesundheitswesen einheitliche Anforderungen an die Berufsausbildungen gelten werden. Die Shiatsu-Berufsverbände werden deshalb ein europäisches Curriculum definieren müssen. Dieses sollte nicht wie bisher eine reine, umfassende Auflistung von Ausbildungsinhalten sein. Moderne Berufsbilder und Ausbildungsvorgaben basieren heute international durchgängig auf Kompetenzprofilen, welche dann in Bezug auf Fertigkeiten, Wissen und Haltungen “runtergebrochen” werden und den Schulen und neueren Entwicklungen mehr Spielraum lassen. Es ist selbstverständlich, dass über die Haltungen auch in Zukunft gerade jene Qualitäten geschult und vertieft werden müssen, welche den Kern des Shiatsu ausmachen.
  • Shiatsu muss sich von der Methoden- zur Berufsausbildung weiterentwickeln. Der Shiatsu-Unterricht muss sich so weiterentwickeln, dass Diplomierte den Anforderungen der beruflichen Praxis umfassend gerecht werden. Es muss bei den Verbänden und den Schulen auf breiter Basis eine Weiterentwicklung des Denkens von der Methoden-Ausbildung zur Berufs-Ausbildung stattfinden, wenn sich Shiatsu in die Berufslandschaft einfügen will. Die shiatsu-Ausbildung muss sich als Berufsausbildung verstehen, um wirklich attraktiv und nützlich zu werden. Die zu erwerbenden Kompetenzen müssen über das reine Praktizieren von Shiatsu-Techniken hinausreichen und Professionalität in allen Belangen gewährleisten. Professionelle Formen der Gesprächsführung zur Anleitung und Beratung von Klientinnen und Klienten sind erforderlich, um die Wirkungen des Shiatsu gezielt und nachhaltig zu unterstützen, sodass es zum “Berühren und Berührt werden” mit Worten wird. Für das Ausüben von Shiatsu braucht es auch Kompetenzen, die über jene hinausreichen, die das Arbeiten mit den Klientinnen und Klienten umfassen. Die Notwendigkeit und Bedeutung der Kompetenz, sich persönlich weiterzuentwickeln, wurde bereits im Teil Zwei angesprochen. Die Fähigkeit, mit anderen Fachpersonen interdisziplinär zusammen zu arbeiten und zu kommunizieren, diese zu verstehen und ihnen die eigene Arbeit verständlich zu machen, ist ein weiteres Beispiel. Die professionelle Tätigkeit umfasst zudem die Kompetenz, nach berufsethischen Prinzipien handeln zu können. Praxisgründung und wirtschaftlich selbständige Betriebsführung ist als ein weiteres wichtiges Kompetenzfeld zu nennen. Australien und die Schweiz haben hierzu Entwicklungsarbeiten geleistet, auf die man in Europa zukünftig aufbauen kann.
  • Shiatsu muss für breite Bevölkerungskreise zugänglich und  finanzierbar sein. Dies ist nur dann realistisch, wenn angemessene rechtliche Rahmenbedingungen für das Praktizieren bestehen und die Krankenversicherer Finanzierungsbeiträge an die Behandlungen leisten. Ohne ein grosses Engagement der nationalen Berufsverbände ist dieses Ziel jedoch nicht zu erreichen. Es liegt im ureigenen Interesse der Praktizierenden, sich dem nationalen Berufsverband anzuschliessen, um sich und dem Berufsstand als Ganzes eine wirtschaftlich tragfähige Zukunft zu bereiten. Nur gemeinsam sind wir stark. Das Vermitteln dieser Haltung gehört notabene ebenfalls bereits in jede Ausbildung integriert.

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© Peter Itin (http://peteritin.wordpress.com), Shiatsu-Therapeut und Kursleiter in der Schweiz. Autor von “Shiatsu als Therapie”.

Anmerkungen

Anmerkungen
1 Die an der Umfrage mitwirkenden Lehrpersonen waren: Beatrice Bircher (CH), Werner Brünner (A), Ricarda Doneiser (A), Gabriele Falk (D), Tamsin Graininger (UK), Peter Itin (CH), Karin Kalbantner-Wernicke (D), Lothar Löffler (A), Mike Mandl (A), Britta Ossenbrüggen (D), Wilfried Rappenecker (D), Veronika Rüfenacht (CH), Jürg Schürpf (CH), Eduard Tripp (A), Mike Webster (UK), Susanne Yates (UK