Probiotische Lebensmittel

Probiotische Lebensmittel, allen voran Joghurts wie LC1 und Actimel, werden in der Werbung als gesundheitsfördernd gepriesen, und mittlerweile ist schon ein großer Teil der verkauften Joghurts „probiotisch“. Den Joghurts, die besondere Bakterien beinhalten, wird nachgesagt, dass sie das Immunsystem stimulieren und Dickdarmkrebs verhindern. Tatsächlich aber ist ihre Wirkung bislang wissenschaftlich noch wenig untermauert, weshalb die Deutsche Gesellschaft für Ernährung keine Empfehlung zum Verzehr von probiotischen Produkten abgibt.[1]Lebensmittel mit Zusatzfunktionen (wie z.B. probiotische Produkte) werden als „funktionale Lebensmittel“ (functional food) bezeichnet. Auch herkömmliche, nicht wärmebehandelte Joghurts und … weiterlesen Es fehlen ausreichend kontrollierte Studien an Menschen und letztlich bislang der Beweis, dass probiotische Produkte besser sind als herkömmliche. Es fehlt zudem die (kontrollierte) Erfahrung, ob es für Gesunde langfristig überhaupt ratsam ist, ihre individuelle Darmflora durch probiotische Produkte zu verändern und das Immunsystem zu aktivieren. Auch unterscheiden sich die einzelnen Stämme von Mikroorganismen hinsichtlich ihrer probiotischen Eigenschaften erheblich, und der Wirkungsnachweis eines Stammes lässt sich nicht auf andere Stämme übertragen.

  • Probiotika („für das Leben“) sind lebende Bakterien, die in ausreichender Menge und aktiver Form in den Darm gelangen müssen, um sich positiv auf die Gesundheit auszuwirken.
  • Präbiotika („vor dem Leben“) sind quasi Futter für diese Mikororganismen. Oligosaccharide (Mehrfachzucker) und Raffinose[2]Raffinose ist ein Zucker und zählt demnach zu den Kohlenhydraten. Chemisch gesehen ist sie ein Trisaccharid und setzt sich aus den drei Einfachzuckern Traubenzucker (Glucose), Fruchtzucker … weiterlesen, die auch in Pflanzen wie Zwiebel und Chicorée[3]Bekannt ist Chicorée im deutschen Sprachraum schon lange: Im 19. Jahrhundert wurden seine Wurzeln getrocknet, geröstet und zu einem billigen Kaffee-Ersatz für die einfachen Leute verarbeitet. Auf … weiterlesen vorkommen, sind Präbiotika – eigentlich unverdauliche Stoffe, die selektiv bestimmte Bakterien in ihrem Wachstum im Darm fördern. Sie werden ebenfalls Joghurt zugesetzt, aber auch Müsli-Mischungen oder Brot.

 
Der Darm in seiner Bedeutung für unsere Immunität

Im Darmtrakt ist das größte Immunorgan des Körpers angesiedelt. Es ist ein dezentrales System: In der Darmwand lösen Lymphfollikel und die so genannten Peyer´schen Plaques eine Immunantwort auf fremde Eiweiße aus. In der Darmschleimhaut befinden sich vereinzelt Immunzellen, die krankheitsauslösende Bakterien und Viren abwehren. Darüber hinaus lebt im Darm eine große Menge von Bakterien – hundert Billionen Keime (Bakterienzellen). Einige von ihnen bauen im Dickdarm unverdaute Speisereste ab. Dabei entstehen Substanzen, die beispielsweise die Darmschleimhaut intakt halten und sie vor krankhaften Veränderungen schützen. Außerdem bilden diese “guten” Bakterien (es sind vor allem Milchsäurebakterien) eine natürliche Schranke für krankheitserregende Keime, denn viele dieser Bakterien produzieren Hemmstoffe, die Krankheitserreger beeinträchtigen. So behindern spezielle Milchsäurebakterien das Wachstum von Helicobacter pylori. Das Bakterium gilt als Verursacher von Magengeschwüren, in einigen Fällen sogar als Krebsauslöser.

Englische Mikrobiologen von der University of Reading konnten Bakterien identifizieren, die in den Cholesterin-Stoffwechsel eingreifen. Eine Störung dieser Zusammenarbeit zwischen Mensch und Mikrobe könnte einer der Gründe für einen zu hohen Cholesterin-Spiegel sein. Andere Organismen helfen nicht nur bei der Beseitigung von Krebs erregenden Stoffen, sondern ganz allgemein bei der Entgiftung mit. Wieder andere Mikroorganismen unterstützen die Verdauung. Sie spalten Nahrungsbestandteile, die der Mensch selbst nicht zerlegen kann.

Der Wirtsorganismus scheint seine Mitbewohner regelrecht zu füttern. Die Darmwand neugeborener Mäuse gibt einen speziellen Zucker ab, der von Bakterien begierig aufgenommen wird. Sind keine Bakterien anwesend, dann produziert der Darm auch keinen Zucker. An Menschen können entsprechende Versuche nicht durchgeführt werden, doch es gibt keinen Grund für die Annahme, warum es bei uns anders sein sollte als bei den Mäusen. Von solchen Einzelheiten abgesehen weiß man insgesamt allerdings erst recht wenig über das Zusammenleben von Mensch und Mikrobe.

Lange Zeit nahm man an, dass die Besiedlung des Darms stabil ist und kaum durch die Ernährung beeinflusst werden kann. In den letzten Jahren ist Forschern jedoch der Beweis gelungen, dass Pro- und Präbiotika die Mikroflora des Darms beeinflussen. Unklar ist allerdings, ob diese Veränderungen anhaltend sind und ob sie wirklich einen gesundheitlichen Nutzen haben.

Lange ist darüber gerätselt worden, warum sich mit steigendem Alter immer mehr Bakterienarten im Darm einfinden. Es gab sogar die Vermutung, dass sie im Darm selbst entstehen, aber eine Artenvervielfachung im Darm durch Mutationen wird inzwischen als sehr unwahrscheinlich eingeschätzt. Vermutlich ist es so, dass der Mensch im Laufe seines Lebens einer Reihe von neuen Mikroorganismen begegnet, die sich dann in seinem Körper ansiedeln. Je mehr Bakterien sich einfinden, desto komplizierter werden allerdings ihr Zusammenspiel untereinander und ihre Beziehung zum Menschen.


Nachweisliche Wirkungen von Probiotika

Hinweise auf eine positive Wirkung der Probiotika auf das Immunsystem kamen zunächst aus Tierfütterungsstudien. Forscher beobachteten, dass die Verabreichung lebender Milchsäurebakterien einen Teil des Immunsystems, die Lymphozyten, stimuliert. Auch die Mengen anderer Abwehrstoffe (beispielsweise Immunglobuline) sowie die Anzahl der natürlichen Killerzellen erhöhten sich. In einer der wenigen klinischen Studien an Menschen vervierfachte sich nach dem Verzehr von fermentierter Milch mit zwei Milchsäurebakterienarten die Immunantwort gegenüber Krankheitserregern. Außerdem haben Forscher beobachtet, dass sich Entzündungen im Darm mit Probiotika mindern. Die Datenlage – über alle Studien betrachtet – ist allerdings keineswegs eindeutig, denn es gibt auch Studien, in denen Probiotika keinen positiven Effekt auf das Immunsystem haben, und solche, in denen auch die konventionellen Produkte gut abschneiden. Lediglich die positive Wirkung von Probiotika bei Durchfallerkrankungen bei Kleinkindern gilt als wirklich gesichert.

Ähnlich vage sind die Ergebnisse bei den Krebsstudien. In Tierversuchen verhinderten die funktionellen Zusätze die Entstehung von Dickdarmkrebs und seinen Vorformen. Russische Wissenschaftler haben festgestellt, dass die Bakterien in Joghurt und Kefir Krebs erregende Stoffe aus der Nahrung (die in großer Vielfalt z.B. beim Braten und Backen entstehen) unschädlich machen können. Auf welche Weise dies geschieht, ist jedoch noch unklar. In Studien mit Ratten ist gezeigt worden, dass Pro- und Präbiotika Erbgutschäden im Darm verhindern und die Darmzellen vor Risikosubstanzen schützen. Beim Menschen ist es jedoch sehr schwer und langwierig, einen Beweis zu erbringen, dass einzelne Lebensmittel oder Stoffe vor Krebs schützen können.


Quellen

Anne Brüning: „Bakterien zum Löffeln“. In: Berliner Zeitung vom 07.02.2001
Margrit Ehlers: „Der Mensch braucht die Mikrobe“. In: Welt am Sonntag vom 22. 12. 2002

Anmerkungen

Anmerkungen
1 Lebensmittel mit Zusatzfunktionen (wie z.B. probiotische Produkte) werden als „funktionale Lebensmittel“ (functional food) bezeichnet.

Auch herkömmliche, nicht wärmebehandelte Joghurts und Milchprodukte, so der Rat der Deutschen Gesellschaft für Ernährung, enthalten lebende Laktobazillen und Bifido-Stämme und sind gesundheitsförderlich.

2 Raffinose ist ein Zucker und zählt demnach zu den Kohlenhydraten. Chemisch gesehen ist sie ein Trisaccharid und setzt sich aus den drei Einfachzuckern Traubenzucker (Glucose), Fruchtzucker (Fructose) und Schleimzucker (Galactose) zusammen. Raffinose besitzt allerdings nur 20% der Süßkraft von Rübenzucker (Saccharose). Im Dünndarm wird sie nur in geringem Umfang gespalten und resorbiert, was zur Folge hat, dass größere Mengen in den Dickdarm gelangen. Die dort vorhandene Darmflora verwertet sie als Nahrung und produziert dabei unter anderem Gase, die zu Blähungen führen. Raffinose ist in Zuckerrohr und Zuckerrüben enthalten und sammelt sich bei der Zuckerherstellung in der Melasse an. Sie kommt auch in Hülsenfrüchten vor, was deren blähende Wirkung erklärt.
3 Bekannt ist Chicorée im deutschen Sprachraum schon lange: Im 19. Jahrhundert wurden seine Wurzeln getrocknet, geröstet und zu einem billigen Kaffee-Ersatz für die einfachen Leute verarbeitet. Auf die Wurzeln abgesehen haben es auch die heutigen Gemüsebauern. Bei der Ernte im Herbst werden die grünen Blätter, die an großen Löwenzahn oder Zuckerrüben erinnern, auf dem Feld gelassen. Sie sind wegen des darin enthaltenen Bitterstoffs Intybin nicht genießbar. Was am Gemüsestand als Chicorée verkauft wird, sind vielmehr die blassgelben, in völliger Dunkelheit aus den Wurzeln getriebenen Blätter. Sie enthalten fast keine Bitterstoffe, dafür die Vitamine A, B und C sowie Kalium, Phosphor, Calcium und Magnesium. Nach der Ernte werden die Chicorée-Wurzeln mehrere Wochen lang aufrecht stehend in dunklen Reifekammern eingelagert. Manche Sorten müssen mit Erde abgedeckt werden, neuere umspült man lediglich mit nährstoffhaltigem Wasser. Durch die Dunkelheit bilden die Blätter kein Chlorophyll und fast kein Intybin. Fiele Licht auf die Blätter, würden sie sich grün färben und unangenehm bitter schmecken. Roter Chicorée entsteht durch die Kreuzung mit Radicchio. Wegen seines besonders milden Geschmacks und der dekorativen Farbe ist er rund 30 Prozent teurer als die blassgelbe Sorte.