Ich und Du. Who is Who? (Alena Maria Schneider)

Wir üben miteinander erste Nackenbehandlungstechniken. Mein Partner kniet auf meinen Haaren, dreht mir den Kopf in die andere Richtung und klappt mir das Ohr um. Er merkt’s nicht, es ging ja nicht darum eine Ohrfaltetechnik zu erlernen und dabei an den Haaren zu ziehen. Er veranstaltet, während seine Aufmerksamkeit mit neuen Techniken kämpft, ein recht eindrücklich unkomfortables Programm an meinem Kopf. In der Rückmeldungs-Aussprache blickt er mich tief an, mit diesem jeden weißen Kittel ersetzenden Blick und sagt: „Es fällt dir offensichtlich nicht leicht loszulassen.”

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Ein Mitlernender gibt mir eine Übungsbehandlung und kommt so richtig in Schwung. Er rauscht so ungefähr durch jede Technik, die wir als „sedierend” gelernt haben, dehnt, faltet, rotiert und wuselt an mir herum, ohne auch nur außer Atem zu geraten, während ich nach Luft schnappe und mich frage, wieso ich ihn zu so einem Schleuderwaschgang an Shiatsu inspiriere. Schließlich ist er fertig. Ein tiefes, befriedigtes Aufseufzen zeigt es an. Ich tauche aus der Schleudertrommel auf und frage verwirrt: „Warum hast du das denn gemacht?” Er mit leuchtenden Augen: „Das hat gut getan, das hatte ich heute einfach nötig.” Anders ausgedrückt: Du sollst es auch einmal richtig gut haben, sagte der Vogel, hob den Fisch sanft aus dem Wasser und setzte ihn hoch oben im Baum in sein Nest.

Manche Verwechslungen zwischen Ich und Du sind leicht zu durchschauen. Sobald man sich die Situation mit ruhiger Aufmerksamkeit betrachtet, kommt ein Lachen des Erkennens. Wenn ich die vorne angeführten Anekdoten aus meinen frühen Shiatsu-Übungszeiten in meinen Gruppen erzähle, sind sie Anlass zu großer Heiterkeit. Diese Heiterkeit entspringt nur zum Teil dem Witz der Geschichten. Ein anderer Teil entstammt dem, dass man sich ertappt und wieder erkennt: „Also so, oder ähnlich, kann mir das ja eigentlich auch passieren.” Vielleicht unterläuft es einem sehr viel subtiler, so dass nur ein Hauch Skepsis bleibt: „Was stimmte hier eigentlich nicht in dieser Behandlung?” Aber dennoch läuft das gleiche Muster ab: eine Verwechslung zwischen Ich und Du.

Solche Verwechslungen sind nicht per se ein Unglück in Shiatsu-Behandlungen. Wenn eine gerade froh und glücklich in einer neuen Liebe getragene Kollegin bemerkt, noch nie habe sie die Herzenergie ihrer Shiatsu-Partnerinnen so tief berührt und sie würde am liebsten Shiatsu-Behandlungen nur noch über die Behandlung dieses Meridianes machen, so wunderschön sei das. Und die Herzenergie sei doch auch der oberste Regent … So ist zu spüren, dass sich da eine segensreiche Resonanz entwickelt hat, nach der sich sicherlich alle Menschen sehnen und die somit nie fehl am Platze ist.

Und dennoch gilt es klaren Geistes ein bisschen Distanz zu schaffen, um einen atmenden Raum zwischen ich und du entstehen zu lassen, die eigene aufblühende Herzenergie (Liebe sucht Liebe sucht Liebe sieht Liebe) zu spüren und offen zu sein für die Shiatsu-Partnerin, die halt doch vielleicht gerade woanders ist. Die Unterscheidung zwischen Ich und Du ist in jeder menschlichen Begegnung ein Thema. Im Shiatsu sind wir ganz besonders gefordert, klar damit umzugehen, und es gibt viel zu entdecken. Das Thema lässt sich von einem psychologischen Blickwinkel aus betrachten, und es gibt viel aus der Perspektive des Arbeitens mit Ki dazu zu sagen.

Als ich mit Shiatsu begann, war meine Sicht durch den psychologischen Hintergrund meines musiktherapeutischen Studiums geprägt. Im Laufe der Zeit änderte sich mein Verständnis und gestaltet sich heute mehr und mehr aus dem konsequenten Eingehen auf Ki und dem Beobachten der Qualitäten dieser Lebensenergie. Dabei entstehen neue Perspektiven. Da in meinem psychotherapeutisch geprägten Background die Musik eine so große Rolle spielte, war bereits ein Medium im Spiel, das dem Ki so nahe kommt wie nur möglich. Musik ist Klang und Schwingung. Musik ist gestalteter Lebensfluss. Wenn man Musik macht, arbeitet man daran sein Handwerk dem zur Verfügung zu stellen, dass Fluss entsteht. Klang ist ein Phänomen, das bewegt und verbindet.

Schwingungen bewegen sich im Musikinstrument wie im Körper und erzeugen Resonanzen. Die Saiten eines Instrumentes reagieren so zum Beispiel empfänglich auf Stimmen und „antworten”. Wenn ich bei mir zu Hause mit Menschen spreche, klingt auf einmal die Harfe an oder das Cello will aus seiner Ecke heraus mitreden. Im Frühlingsgarten steht ein großer Gong, den wir zum Spaß den „Qi Gong” nennen, und dessen eindrucksvolles Schwingen weit durch die Luft in seinem Vibrieren empfangen werden kann von „hinhörenden” Händen. Das Phänomen Klang ist wie ein etwas grober gestalteter Verwandter des ultrafein schwingenden Ki. Beide sind Schwingung und Bewegung, beide können im Fluss oder gebrochen bzw. stagniert sein und – hier kommen wir wieder zu der Geschichte vom ich und vom du – beide verbinden. Musik ist ein Weg der Kommunikation, sie kann heilend eingesetzt werden, wo Menschen seelische Verletzungen oder Defizite mit sich tragen, die Ihnen Vertrauen und Fähigkeiten zu zwischenmenschlichen Beziehungen genommen haben. Klang schafft Verbindung. Und dieser subtile Lebensklang, das Ki hebt Trennung auf.


Wo Ki fließt hört Trennung auf

In diesem kleinen Satz eröffnet sich eine ganze Welt. Diese Welt gilt es erst einmal erfahrbar werden zu lassen. Das ist meine Arbeit im Frühlingsgarten. Und hier will ich sie nun auf Papier beschreiben. Du meine Güte, was habe ich mir da vorgenommen?! Nun, man kann’s versuchen:

Wir üben im Frühlingsgarten Fan Teng Gong. Das ist eine der Übungen zur Pflege des Ki, die auf körperliche Übung über Bewegung verzichten und geradeaus und essentiell mit Ki arbeiten. Als Gruppenleiterin erlebe ich dabei (was sicher alle anderen auch erleben, nur dass sie ihre Aufmerksamkeit im eigenen Lichtkegel behalten, während ich mich für die ganze Gruppe öffne) wie aus einem stückeligem, stotternden Etwas ein fließender Kreis wird. In diesem fließenden Ganzen tauchen immer wieder Verdichtungen, Engpässe oder Brüche auf und immer wieder Lösungen, die das Ganze stärker werden lassen. Ich spreche vom Ki-Organismus der Gruppe.

Jeder Einzelne ist beim Qi Gong damit befasst, Qi-Fluss in sich zu ermöglichen und zu stärken. Dabei entsteht ein Augenblick des Lebens, in dem alle in gemeinsamer Konzentration verbunden sind. Und es entsteht ein fließendes Ganzes, in dem die Erfahrung menschlichen Getrenntseins aufhört.

Sinnigerweise gehört es auch zur Übung, sie damit zu beenden, dass man den geistigen Fokus wieder auf die Erfahrung konkreter Grenzen lenkt: den konkreten, tragenden Boden und die Körperkontur, die uns Gestalt gibt. Wenn der Körper das Instrument ist und das Ki der Klang, so richtet man die Aufmerksamkeit sozusagen vom Klang zum Instrument, wenn man das Üben beendet. Sonst würde man nachher womöglich dem Irrtum verfallen, man könne durch Wände laufen. Und das kann bös ausgehen.

Ein anderes Beispiel: Wenn wir uns im Shiatsu-Unterricht an die Arbeit mit dem Ki-Fluss heranschleichen, so geht es auf einer Stufe darum, wahrzunehmen, wann in der Berührung Ki erreicht ist. Man sinkt zum Beispiel mit dem Daumen in eine Stelle auf dem Meridian ein. Die Landkarte der Energiebahnen behauptet, da sei er. Das hat man gelernt. Also irgendwo taucht man hier irgendwann in diesen Ki-Fluss ein. Was auch immer das ist. Und woher weiß man dann, dass man da ist? Wo auch immer man da ist? Ein Buch mit sieben Siegeln, solange der Kopf regiert.

Aber nicht umsonst hat man ja zum Zeitpunkt dieser Shiatsu-Etappe schon eine Weile geübt, sich aus der eigenen Mitte, aus dem Hara heraus, der Situation zuzuwenden. Und so geht man allen Zweifeln zum Trotze auch hier in die innere Sammlung und sinkt so gelöst und achtsam wie möglich aus dem Hara heraus in den Tsubo ein – und erlebt etwas Aufregendes: Wo Ki erreicht ist, hört Trennung auf. Klang begegnet Klang.

Ein Fließen entsteht – das sich nach außen hin atmosphärisch mitteilt und von sich einlassenden, still Zuschauenden wahrgenommen und bestätigt werden kann. Das gleiche geschieht zum Beispiel auch zwischen Mutterhand und wandernder Hand, die einen Meridianabschnitt zwischen sich nehmen. Wenn Ki ins Fließen kommt, hört Trennung auf. Wenn das nun so ist, dass Fließendes Ki Trennung aufhebt, und wenn wir uns beim Shiatsugeben dem widmen, dass der Ki-Fluss frei schwingen kann – dann kommen wir aber in recht interessante Verhältnisse in Bezug auf das Thema „Ich und Du”. Shiatsu-Lernende, die anfangen ernsthaft zu behandeln, kriegen an dieser Stelle nicht selten erstmal einen Schrecken und rufen laut nach Techniken zur Abgrenzung. Das verstehe ich gut. Aber es geht nicht um Abgrenzung. Vielmehr geht es um Durchlässigkeit, Bewusstheit und die Fähigkeit, zu unterscheiden. Das sind Begriffe, die der Arbeit mit Ki angemessen sind. Abzugrenzen macht eine Arbeit am Ki-Fluss unmöglich. Es käme dem im Shiatsu widersinnigen Versuch gleich, dem Ki sein immanentes Streben nach Fluss und Resonanz zu unterbinden.

Wie kann man sich in der Fähigkeit zu unterscheiden üben? Wie kann man sich und seine Shiatsu-Partner davor beschützen, in ein heilloses Durcheinander zwischen ich und du zu geraten? Es gibt im Qi Gong und Taiji und in anderen Meditationen ganz elementares geistiges Handwerkszeug, das man sich erüben kann. Beim stetigen Üben schafft man sich ein energetisches Muster, auf das man dann immer selbstverständlicher im Shiatsu zurückgreifen kann. Was ich hier jetzt beschreibe, erwächst meinem Alltag des Umgehens und Erforschens im Bezug auf Taiji, Qi Gong und Shiatsu. (Ich gehe aber jede Wette ein, dass Ähnliches vielfach schon beschrieben wurde, vielleicht in ganz anderem Zusammenhang.) Ich versuche es einfach zu machen:

Wir leben als Menschen in Verbundenheit und Beziehungen, die uns elementar ausmachen. Diese kann man als Achsen verstehen. Eine Verbundenheit ist unser Getragensein auf der Erde, die Schwere, die Wurzeln. Im Taiji sagen wir: die Schwere ist die Wurzel des Leichten (Laotse). Die Leichtigkeit ist der nach oben strebende Gegenpol – die wache subtile Verbindung der Krone des Kopfs zum Himmel hin. Sinken und schweben, wurzeln und wachsen, niedergelassen sein und sich aufrichten, drücken sich hier aus. Im Einatmen und Ausatmen schwingen diese beiden Pole mit. In vielen Qi Gong-Übungen taucht es auf; ausatmen sinken wurzeln – einatmen steigen nach oben wachsen usw. Unsere inneren Qi-Bewegungen schwingen entsprechend mit und erfüllen die Aufrichtung mit Kraft und Geschmeidigkeit.

Es gibt ein ständiges Aufnehmen und Abgeben von Ki, das uns mit Himmel und Erde verbindet wie eine in einem Lichtstrahl stehende schwingende Antenne. Diese vertikale Achse gibt uns Präsenz, Aufrichtigkeit, Unbestechlichkeit und Klarheit. Sie ist ein Aspekt unseres Seins, der sich mit Garantie aus zwischenmenschlichen Verwicklungen und Mustöpfen raushält. Es ist allerdings auch eine menschlich einsame Achse. So hat uns also die weise schöpferische Kraft noch mit einer weiteren Achse ausgestattet: der horizontalen. Diese öffnet sich vom Herzen durch die Arme in die Hände, die hier Botschafter des Herzens sind. Die Handmitte, das Herz der Hand, Laogong genannt, ist von der Feuerenergie des Meridians Perikard erfüllt, der derjenige ist, der die Herzenergie in zwischenmenschliche Beziehungen hinein ausdrückt. Die horizontale Achse ist die der Verbindung von Mensch zu Mensch oder weiter ausgedrückt von Mitwesen zu Mitwesen. Auch hier gibt es einen Puls, der mit dem Atem schwingt: ein Öffnen und Zusammenführen (das zurück verbindet zur vertikalen), ein Weiten und Sammeln, ein Raum gewinnen und sich wieder in sich zurückziehen. Das ist die Achse des Liebens.

Es gibt Musik, die die eine oder andere dieser Achsen ausdrückt. Wir erlauben uns in meinen fortgeschrittenen Taiji-Gruppen, damit zu experimentieren zu der einen und der anderen Art Musik Taiji zu machen, um die Qualitäten diese Achsen zu erforschen. Da gibt es die Gymnopédies von Satie: das Klavier pflanzt wurzelnde Töne und lässt andere sich als hochstrebende, schwebende Tupfen darübersetzen. Ein Beispiel für die vertikale. Für die horizontale dient zum Beispiel „der Schwan” von Saint Saens: die Harfenbegleitung plätschert in einem perlenden Flusse dahin und untermalt die getragene Weite des Celloklanges.

Gleich wachsen die Armenbewegungen der Taijispielerinnen, Brustraum, Arme und Hände gewinnen Präsenz. Wenn nun der Cellist selbst sich dem horizontalen Aspekt dieser Musik zu sehr hingibt, kann’s kitschig werden, und die Taijispieler bekommen etwas balleteuses Romantisches. Hält sein Spiel die Balance zur Vertikalen, bleibt sein Spiel klar und verzichtet zum Beispiel auf schmachtende Ritardandi und Glissandi – so lässt sie einfach das Herz atmen. Dies drückt sich dann auch im Taiji aus. Wir brauchen diese beiden Achsen, wenn wir Shiatsu geben. Wir müssen in Ihnen so zuhause sein, dass sie uns fließend zur Verfügung stehen. Geraten wir im Shiatsu zu einseitig in die horizontale Achse, verfließen wir mit unseren Partnern, geraten wir zu einseitig in die Vertikale, kann die Klarheit zur Kälte und Einsamkeit werden. Die Kunst liegt darin, eine angemessene Ausgewogenheit auszubalancieren. Dann kann nichts mehr schief gehen.

Man kann dies mit Taiji und Qi Gong und schließlich auch im Shiatsu üben. Im fortgeschrittenen Shiatsu-Unterricht tun wir das. Und wir üben darüber hinaus sowohl im Qi Gong als auch in Shiatsu-Behandlungen den geistigen Fokus einzustellen, so dass er vom ich zum wir zum du und wieder zurück wandern kann.. Das ist eine hochanspruchsvolle Geschichte. Sich selbst wahrzunehmen ist darin schon ein weitläufiges, herausforderndes Kapitel.

Man übt zum Beispiel ganz pragmatisch die eigene Haltung immer wieder in die Aufmerksamkeit zu nehmen, die eigene Entspanntheit und Durchlässigkeit, den eigenen freien Atemfluss, das Hara und die Körperachsen. Dann gibt es die feinen inneren Ki-bezogenen Techniken: Man kann sich vorstellen, wie sich Ki-Wege (z.B. durch die Schultern, Arme und Hände) öffnen, wunderbar ist eine Technik, die wir den rückwärtsfließenden Kreislauf nennen und manches mehr. Und dann gibt es noch ein leises, freischwebendes Aufmerksamsein für das eigene Treibgut, das auftaucht: emotionale Reaktionen, Ablenkungen, Gedanken, Bilder. Wobei die Kunst ist, dies einfach nur wahrzunehmen – ohne urteilen, ohne interpretieren und ohne weiter darauf einzusteigen. Diese leise gleichmäßige Selbstbeobachtung kann anfangs auch mal alle Energie, die man fürs Aufmerksamsein hat, verschlingen.

Dann übt man diese Ebene langsam leiser werden zu lassen – das ist auch nichts anderes als beim gemeinsamen Musizieren. Nur ein blutiger Anfänger versucht seine Stimme so laut zu spielen, dass er sie über die anderen erhebt. Ein Könner hört sowohl die anderen als auch das ganze, während er seinen Part mit aller Achtsamkeit für Haltung, Technik, Musikalität und Beseeltheit spielt. Es gibt aber auch diejenigen, die sofort mit ihren Antennen dem du geöffnet sind und sich selbst vergessen. Es gibt auch diejenigen, die im Wir abtauchen und fortan als Ich vom Bildschirm ihrer Wahrnehmung verschwunden sind. Es gibt eine Selbstvergessenheit sowohl in der Musik als auch in den Ki-Künsten, die ist göttlich. Das ist ein tiefes Sein. Man „tut” nichts mehr. Man ist. Das sind vollkommene Momente des Einsseins.

Aber es gibt auch ein geistiges sich Abhandenkommen, das schadet. Hier kann ein Shiatsu-Partner subtil missbraucht werden: Man erlebt sich über dessen Ki, man kann in das Gewirr seines Treibguts geraten und sich in emotionalen Geschichten verwickeln, deren eigenen Anteil man nicht versteht. Nachher fühlt man sich womöglich ausgenutzt. Verantwortlich für diese Sorte Eintopf ist man selber, das muss leider so nüchtern gesagt werden. Es ist ungemein wichtig sich selbst kennen zu lernen, um gut mit sich und anderen umzugehen. Dies gilt um so mehr in der Arbeit mit Ki – da wir uns hier auf diesen subtilen Ebenen bewegen, auf denen mit Abgrenzung nichts zu erreichen ist. Es geht um Bewusstsein und Achtsamkeit, die ein Mitschwingen erlauben, ein Berührtsein und eine Mitmenschlichkeit, die seinesgleichen sucht – und dabei klar bleibt.

Manche scheuen die Ebene des Wir, die Brücke zwischen hier bin ich, so fühle ich mich an und da bist Du, so fühlst Du Dich an. Die Ebene des Wir ist die, wo es wirklich keine weißkittligen Standesunterschiede mehr gibt. Im Ki-bezogenen Shiatsu berührt mich das, was ich berühre, es fließt durch mich hindurch, es rührt an mein Treibgut, meine Ungelöstheiten, und ich kann mich nicht anders „ verteidigen”, als es einfach und ehrlich so wahrzunehmen wie´s ist und es weiterziehen zu lassen. Wenn ich dies aufrichtig geschehen lasse, werde ich zur Shiatsu-Partnerin.

Ich bin kein Stück erhaben über den Menschen, den ich behandle und nehme doch meine professionell begleitende Rolle aufrecht und verantwortlich ein. Das Heilungspotential, das hier bereitliegt, ist außerordentlich. Es gibt ein aus der Hingabe an den Ki-Fluss entstehendes, geschwisterliches Mitgefühl, das den Leidenden die Scham an ihrem Leiden nehmen kann. Darin liegt großer Mut des Liebhabens von Mensch zu Mensch auf ganz essentieller Basis. Das ist ein Meilenstein zur Meisterschaft im Shiatsu.

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© Alena Maria Schneider leitet in Hamburg den Frühlingsgarten (22763 Hamburg, Bei der Rolandsmühle 6, Tel. +49 40 881 32 09, www.fruehlingsgarten.org), ein Studio für Taichi, Qigong und Shiatsu. Sie ist von der GSD zur Ausübung von Shiatsu Praxis und Lehre anerkannt und Autorin des Buches “Wenn Lachen und Weinen einander freundlich grüßen – Shiatsu-Wege der Entfaltung” (veröffentlicht in “Wenn Lachen und Weinen einander freundlich grüßen – Shiatsu-Wege der Entfaltung”, Verlag Ganzheitlich Leben, Herbst 2005)    
Dieser Artikel ist dem Buchmanuskript “Wenn Lachen und Weinen einander freundlich grüßen – Shiatsu-Wege” von Alena Maria Schneider entnommen.