Erscheinungsformen der Muskelkraft

Kraft wird als die Fähigkeit des Nerv-Muskelsystems definiert, durch Innervations- und Stoffwechselprozesse mit Muskelkontraktion Widerstände zu überwinden (konzentrische Arbeit), ihnen entgegenzuwirken (exzentrische Arbeit) oder sie zu halten (statische Arbeit).


Maximalkraft

Die Maximalkraft ist die höchstmögliche Kraft, die das Nerv-Muskelsystem bei maximaler willkürlicher Kontraktion gegen einen Widerstand aufbringen kann.[1]Die Maximalkraft liegt bei untrainierten Menschen bei etwa 70 Prozent der Absolutkraft. Sie ist der willkürlich aktivierbare Teil der Absolutkraft. Diese wiederum ist abhängig von der … weiterlesen Sie wird beeinflusst durch

  • den physiologischen Querschnitt der Muskeln (Muskelfaserzahl[2]Die Muskelfaserzahl ist genetisch bedingt und deshalb durch Training wenig veränderbar. und Querschnitt der eingesetzten Muskelfasern),
  • die Muskelzusammensetzung,
  • die inter- und intramuskuläre Koordination[3]Unter intermuskulärer Koordination versteht man die Koordination (Zusmmenarbeit) zwischen den Muskeln, welcher an einer Bewegung beteiligt sind. Im Unterschied dazu versteht man unter … weiterlesen,
  • die Muskellänge,
  • den Winkel zwischen Kraftangriffsrichtung und Knotenachse und
  • der Motivation.

Die Maximalkraft verändert sich bei unterschiedlicher Muskellänge. Bei einem bereits stark vorgedehnten oder stark verkürzten Muskel nimmt das Kraftniveau im Vergleich zur Ruhelänge deutlich ab.[4]Das beruht darauf, dass sich die Aktin- und Myosinfilamente im Fall des verkürzten Muskels bereits stark überlappen, bei einer starken Vordehnung sich hingegen nur noch wenige Aktin- und … weiterlesen


Schnellkraft

Die Schnellkraft (auch Explosionskraft) ist die Fähigkeit des Nerv-Muskelsystems, optimal schnell einen möglichst hohen Kraftfluss (Impuls) zu entfalten, d.h. Widerstände mit einer größtmöglichen Kontraktionsgeschwindigkeit zu überwinden (und damit das Kraftmaximum in optimal kurzer Zeit zu erreichen). Definiert wird sie als Quotient aus dem Maximalkraftwert und der Zeit, die erforderlich ist, diesen Wert zu erreichen. Sie wird beeinflusst durch

  • die Rekrutierung und Frequenzierung einzelner motorischer Einheiten,
  • den Muskelquerschnitt,
  • die Muskelfaserzusammensetzung und
  • eine gute Beweglichkeit verbunden mit einer guten (intra- und intermuskulären) Koordination.

Abhängig ist die Schnellkraft von

  • der Startkraft,
  • der Explosivkraft und
  • der Maximalkraft..

Unter Startkraft versteht man diejenige Kraft, die innerhalb von 30 Sekunden erbracht werden kann. Sie bezeichnet das Vermögen des schnellen Reagierens bei der Kraftentwicklung. DIe Explosivkraft ist die Fähigkeit, innerhalb einer bestimmten Zeit einen maximalen Kraftwert zu realisieren. Dabei steht der Kraftzuwachs pro Zeiteinheit im Vordergrund.

Um die Schnellkraft zu trainieren wird konzentrisch mit möglichst maximaler Geschwindigkeit gearbeitet, wobei man zwischen zwei Zielsetzungen unterscheidet:

  • explosiver Start und
  • höchste Endgeschwindigkeit.


Kraftausdauer

Kraftausdauer ist die Fähigkeit des Nerv-Muskelsystems bei einer bestimmten Wiederholungsanzahl von Kraftstößen (Impulsen) innerhalb eines definierten Zeitraums die Verringerung der Kraftstoßhöhen möglichst gering zu halten. Sie ist die von der Maximalkraft abhängige Ermüdungswiderstandsfähigkeit gegen lang andauernde sich wiederholende Belastungen. Ihre Qualität äußert sich in der Anzahl der erreichten Bewegungswiederholungen und der möglichen Zeitdauer der Kraftentfaltung (Haltearbeit) gegen einen Widerstand.

Die Kraftdauer ist abhängig von

  • der Maximalkraft,
  • der anaeroben wie auch aeroben Ausdauer,
  • der Erholungsfähigkeit der Muskulatur, vder intramuskulären Koordination und
  • der intermuskulären Koordination.

Bei Kraftausdauertraining stehen hohe Wiederholungsraten im Verhältnis zur Last im Vordergrund (z.B: 40 bis 70 Prozent Belastung bei 20 Wiederholungen in 3 bis 5 Serien oder 30 bis 40 Prozent Belastung bei 30 Wiederholungen in 4 bis 6 Serien).


Reaktivkraft

Die Reaktivkraft ist jene Muskelleistung, die innerhalb eines Dehnungs-Verkürzungs-Zyklus einen erhöhten Kraftstoß generiert, wie z.B. bei einem Tief-Hochsprung, bei dem man auf der Landefläche aufkommt um anschließend möglichst sofort ab- und hochzuspringen.[5]Beim Aufsprung ist die synergistische Muskulatur bereits innerviert und angespannt und wirkt wie ein Gummiband. In der nachgebenden Beugephase wird die Muskulatur gedehnt und bremst den Körper ab. … weiterlesen Sie ist abhängig von

  • der Maximalkraft,
  • der Kraftbildungsgeschwindigkeit und
  • der relativen Spannungsfähigkeit.


Dimensionen der Maximalkraft

Höher als die Maximalkraft ist die Absolutkraft. Sie stellt die Summe aus Maximalkraft und Kraftreserven dar, die unter besonderen Bedingungen (z.B. Todesangst, Hypnose) mobilisiert werden können. Bei der Maximalkraft unterscheidet man eine statische und eine dynamische Maximalkraft.

Die statische Maximalkraft ist die höchste Kraft, die das Nerv-Muskelsystem bei willkürlicher Kontraktion gegen einen unüberwindbaren Gegenstand auszuüben vermag.

Die dynamische Maximalkraft ist die höchste Kraft, die das Nerv-Muskelsystem bei willkürlicher Kontraktion innerhalb eines Bewegungsablaufs zu realisieren vermag, d.h. ein maximales Gewicht, das noch bewegt werden kann. Da das Gewicht dabei eine Beschleunigung erfährt, ist die dynamische Muskelkraft geringer als die statische Muskelkraft.

Anmerkungen

Anmerkungen
1 Die Maximalkraft liegt bei untrainierten Menschen bei etwa 70 Prozent der Absolutkraft. Sie ist der willkürlich aktivierbare Teil der Absolutkraft. Diese wiederum ist abhängig von der Muskelzusammensetzung und vom Muskelquerschnitt (und aktiviert alle motorischen Einheiten). Die Differenz zwischen Maximalkraft und Absolutkraft nennt man “Kraftdefizit”. Dieses Kraftdefizit wird durch Training (oder auch Anabolika) verringert.
2 Die Muskelfaserzahl ist genetisch bedingt und deshalb durch Training wenig veränderbar.
3 Unter intermuskulärer Koordination versteht man die Koordination (Zusmmenarbeit) zwischen den Muskeln, welcher an einer Bewegung beteiligt sind. Im Unterschied dazu versteht man unter intramuskulärer Koordination die Koordination innerhalb des Muskels. Durch eine verbesserte intramuskuläre Koordination ist es möglich, die Kraftfähigkeit zu steigern, ohne wesentliche Muskelquerschnittszunahme. Bei allen Trainingsmethoden, die auf eine Verbesserung der intra- und intermuskulären Koordination zur Vergrößerung des Muskelquerschnitts (Hypertrophietraining) abzielen, wird konzentrisch (oder – seltener – isometrisch) gearbeitet. Die Kraftzunahme, die bereits kurze Zeit nach Beginn eines Krafttrainings zu bemerken ist, ist nicht auf eine Muskelzunahme (die nicht so schnell erfolgt) zurückzuführen, sondern auf koordinative Leistungsverbesserungen. Die intramuskuläre Koordination beruht auf einer verbesserten Koordination, wodurch bei einer willkürlichen Kontraktion mehr Muskelfasern zugleich zur Kontraktion gebracht werden. Die Steigerung der intermuskulären Koordnination bewirkt ein verbessertes Zusammenarbeiten der einzelnen Muskeln und Muskelgruppen. Die Muskeln arbeiten ökonomischer und störende Einflüsse der Antagonisten werden geringer. Bei Maximalkrafttraining wird mit hohen Lasten, geringen Wiederholungsraten, schnell und explosiv gearbeitet, was zu einer optimalen Verbesserung der intra- und inermuskulären Koordination führt. Museklhypertrophie bedeutet das Dickenwachstum des Muskels, das durch Verdickung der einzelnen Muskelfasern bzw. durch Myofibrillenvermehrung und -durchmesserzunahme zustande kommt. Der Zellkern enthält dasgenetische Material und besitzt die Fähigkeit zur identischen Verdoppelung. Zusammen mit den Ribosomen ermöglichen beide durch eine Vermehrung der Eiweißstrukturen ein Muskelwachstum.
4 Das beruht darauf, dass sich die Aktin- und Myosinfilamente im Fall des verkürzten Muskels bereits stark überlappen, bei einer starken Vordehnung sich hingegen nur noch wenige Aktin- und Myosinfilamente überlappen.
5 Beim Aufsprung ist die synergistische Muskulatur bereits innerviert und angespannt und wirkt wie ein Gummiband. In der nachgebenden Beugephase wird die Muskulatur gedehnt und bremst den Körper ab. Die kinetische Energie des fallenden Körpers wird in Verformungsenergie des Sehnen-Muskelsystems umgewandelt und kurzfristig gespeichert. In der anschließenden konzentrischen Streckung erfolgt wieder eine Umwandlung in kinetische Energie, was zu einer Erhöhung des konzentrisch gebildeten Kraftstoßes führt.