Ein neues Konzept des Verständnisses von Shiatsu Energie Arbeit (Cliff Andrews)
Übersetzung: Eduard Tripp
Ich war begeistert von der Einladung, auf dem Kongress des italienischen Shiatsu Verbandes eine Präsentation machen zu dürfen. Es passiert einem nicht oft, mit einer Gruppe von 300 StudentInnen arbeiten zu können, und das an der Seite eines führenden Physikers, der sich auf die neuesten wissenschaftlichen Erklärungsmodelle über Energiearbeit spezialisiert hat. Vor einigen Jahren, anlässlich einer „Quantum Shiatsu“-Konferenz in Rom, habe ich Emilio del Guidice kennen gelernt, und nun saß ich hier neben ihm in einem riesigen Saal, umgeben von der größten Schar von Shiatsu-StudentInnen, die ich je versammelt sah.
Nach Emilios Einleitung, in der er sich über Unterschiede zwischen der klassischen und der quantenphysikalischen Betrachtung der Welt erging, lag es an mir einige praktische Übungen anzuleiten. Ich liebe es, die Dinge praktisch anzugehen und die StudentInnen aus eigener Erfahrung lernen zu lassen – was für eine reiche Erfahrung würde da auf uns zukommen!
Die mehr als 300 Studenten vervielfachten sicherlich die Wirkung der Übungen. Zunächst stießen wir aneinander, als wären wir unabhängige Teile der Gruppe, doch dann schufen wir ein harmonischeres Energiefeld, in dem wir uns alle einträchtig miteinander im Kreis bewegten – und erlebten das Gefühl der Verbindung mit den Anderen in diesem Kreis, als wir uns entspannten und zentrierten.
Dann war es Emilio der alle zum Lachen brachte, als er jenen Zufall zum Besten gab, der zur Entdeckung führte, dass lebende Objekte Licht aussenden: Eines Tages im Labor registrierte ein neuer Photonendetektor, der noch nicht einmal eingeschaltet war, Photonenemissionen unbekannter Herkunft. Es stellte sich heraus, dass jemand zufällig seinen Einkaufssack auf dem Detektor abgestellt hatte, in dem Erbsen waren, die den Detektor anspringen ließen. Der Mann, der das entdeckte – Fritz-Albert Popp (1994) – profitiert heute von den kommerziellen Anwendungen seiner Entdeckung.
Aber wie können uns das Gefühl der Einheit während des gemeinsamen Schreitens im Kreis und diese Licht emittierenden Erbsen näher an ein Verständnis des Wirkens von Shiatsu bringen?
Das klassische Konzept des Universums als ein Raum, der mit von einander unabhängigen Partikeln gefüllt ist, kommt einer Erklärung von Shiatsu nicht einmal nahe (Green, 2004, S.77). Die Ansicht, dass Geist und Körper voneinander getrennt sind (Descartes, 1596-1650, 1968), unterstreicht das Problem der westlichen Wissenschaft mit der Verbindung von physischem Körper, Emotion, Geist und Seele. Die quantentheoretische Betrachtung der Welt, in der alles Existierende gleichzeitig aus Wellen und Teilchen besteht und Verbindung ein integraler Teil der Natur ist, macht Sinn für uns, die wir mit Shiatsu befasst sind (Damasio, 1994; Del Guidice, 2005, S.9).
Wir „schwingen“ uns auf Tsubos ein, wir „harmonisieren“ Meridiane, der Geist regiert das Ki, und das Ki bewegt das Blut. Alle diese Beschreibungen zielen auf „wellenartige“ Erfahrungen von Wechselwirkungen zwischen verschiedenen Teilen unseres Ki mit dem Ki anderer.
Was passiert nun wirklich wenn wir einen Meridian behandeln? Wir könnten uns am klassischen chinesischen Modell orientieren (Mulvach, 2005) und uns auf TCM-Konzepte wie Qi und Blut beschränken. Aber warum sollten wir die Möglichkeit außer Acht lassen, Shiatsu als Teil des modernen Verständnisses der Natur des Lebens zu sehen?
Die Meridiane agieren wie kohärente Quantenfelder des Körpergewebes (Del Guidice, 2005, S.10). Aber was bedeutet hier „kohärent“? Sie kennen doch dieses Gefühl bei Shiatsu- oder Qi Gong-Gruppenübungen, wenn die Gruppe wie ein einziger Körper agiert? Sie erfahren dieses Gefühl, wenn Sie das Gewahrsein als Einzelperson fast verloren zu haben glauben und aufgehen in dem Gefühl der Gruppe als Ganzes. Genau das ist Kohärenz oder „in Gleichklang sein“ mit anderen. Lebende Organismen gehen immer wieder in diesen Zustand von Kohärenz oder verlassen denselben, wobei Energie freigesetzt wird in Form von Licht, so wie bei den Photonen aussendenden Erbsen.
So, also was sind Tsubos? Tsubos kann man in diesem Sinne als inkohärente (nicht zusammen schwingende) Bereiche im Körpergewebe beschreiben.
Als dieser Tag mit Emilio auf dem Italienischen Kongress zu Ende ging, war mein Geist in Aufruhr: Da musste etwas Wahres dran sein, dessen war ich mir sicher. Die quantenmechanische Betrachtung erklärt so vieles, was wir durch Shiatsu erfahren. Und sie erklärt vieles, das wir tun, und was manchen außerhalb der Shiatsu-Welt unheimlich erscheint, vielleicht sogar manchen von uns innerhalb dieser Welt (Garrington, 2004). Die meisten von uns haben unbewusst eine klassische Betrachtung der Welt verinnerlicht, die ungeeignet für das Verständnis dessen ist, was wir tun wenn wir mit Ki arbeiten:
„Das Konzept der psychoemotionalen Einheit eines Menschen (und ganz allgemein eines lebenden Organismus) … die klassische Physik und alle anderen ‚fundierten Wissenschaften’, die wie die moderne Molekularbiologie auf ihr beruhen, sind ungeeignet für diese grundlegende Betrachtungsweise“ (Del Guidice, 2005, S.1).
Im Folgenden einige Fragen, die man durch ein quantenmechanisches Kohärenzmodell der Meridiane beantworten kann.
- Warum sind Meridiane nicht anatomisch lokalisierbar? Weil sie ein quantenmechanischer Zustand des Körpergewebes sind (Del Guidice, 2005, S.10).
- Was ist der Mechanismus hinter der Erfahrung mit der 2-Hand-Technik? (Masunaga, 1977, S.77). Die 2-Hand-Technik vermittelt die direkte Erfahrung des Zustandes der Gleichphasigkeit (Kohärenz) im Meridian-Verlauf.
- Wie bringt die Behandlung des Tsubos einen Meridian wieder ins Gleichgewicht? Durch Druck auf einen Tsubo führen wir dem System Energie zu, und schon ein wenig Energie reicht aus – besonders wenn sie von richtiger Art Qualität ist oder, anders ausgedrückt, richtig schwingt –, um das Körpergewebe aus einem inkohärenten in einen kohärenten Zustand zu bringen. Deshalb kann oft schon verhältnismäßig wenig Arbeit an einem Tsubo eine große Wirkung auf den entsprechenden Meridian erzielen.
- Wie ist es möglich, Tsubos außerhalb des Körpers zu fühlen? Das elektromagnetische Feld entlang der kohärenten (ausgeglichenen oder fließenden) Bereiche des Meridians und jenes in inkohärenten Zonen (Tsubos oder „blockierte“ Bereiche des Meridians) unterscheiden sich. Das elektromagnetische Feld in den inkohärenten Zonen (den Tsubos) wäre demnach unterbrochen und würde wieder ausgeglichen, wieder „in Gleichschwingung“ gebracht und somit kohärent werden (die Tsubo-Erfahrung verschwindet sobald der Meridian wieder im Gleichgewicht ist).
Und das ist erst ein Anfang. Was ist mit dem Einschwingen auf verschiedenen Ebenen? (Andrews, 2001). Modelling? Verwendung von Mindset? Alle diese Techniken, unser Handwerkzeug als Shiatsu-Energie-Arbeiter, sind auf einmal erklärbar, sobald wir von einer quantenmechanisch verbundenen Welt ausgehen (Green, 2004, S.77). Viele jener Erfahrungen, die wir üblicherweise metaphorisch betrachten, würden real geschehen.
Emilio sagte, „es ist, als ob sie alle im Einklang wären“, als die über 300 Shiatsu-Studenten das beeindruckende Schauspiel des gegenseitigen Einstimmens ihres Ki boten. „Doch nein“, korrigierte sich Emilio, „sie sind in Einklang – genau das ist es, was gerade geschieht … Ihre elektromagnetischen Felder sind gleichphasig“.
Später am gleichen Tag beschrieb Emilio ein Experiment zur Messung des Phasen-Zustands einer Gruppe von Personen. Man fand zwei Personen, die ganz genau gleich schwangen – und niemand hatte eine Erklärung dafür. Emilio zwinkerte mit den Augen, als er sagte: „Man fand heraus, dass sie verliebt waren“.
Was uns wieder zu Masunaga bringt (1977, S.51), der das Gefühl zweier Händchen haltender Verliebten im Zusammenhang mit Energie-Verbindung beschreibt. Masunagas Theorie kann mit quantentheoretischen Begriffen erklärt werden.
Masunagas Arbeit, die Shiatsu weltweit populär machte, verband tiefgehende Studien der chinesischen Klassik und interpretierte sie im Lichte des neuesten wissenschaftlichen Verständnisses der Lebensprozesse. Möge sein Geist lange fortbestehen – oder besser gesagt, möge er lange Resonanz finden (Zohar, 1990, S.123).
Quellen
- Andrews, C. (2001) “Teaching Vibrational Frequency in Shiatsu”. Available from www.shiatsucentre.net
- Carrington, J. (2004) “Healing Hands”. Letter to Shiatsu Society News 89, pp 20-21
- Damasio, A. (1994) “Descartes’ Error: Emotion, Reason and the Human Brain”. New York: Putnam
- Del Giudice, E.(2005) “The psycho-emotional-unity of living organisms as an outcome of quantum physics”. Available from www.shiatsucentre.net
- Descartes, R. (1968) “Discourse on Method and Meditations”. England: Penguin
- Green, B. (2004) “The Fabric of the Cosmos”. New York: Vintage Books
- Masunaga, s. (1977) “Zen Shiatsu”. Tokyo: Japan Publications
- Mulvagh, T. (2005) “Classically Based Shiatsu”. Shiatsu Society News 94, pp 6-7
- Popp, F. A., Gu, Qiao and Li, Ke-Hsueh, (1994) “Biophoton emissions: experimental background and theoretical approaches”. Modern Physics Letters B, 8(21/22): 1269-96
- Zohar, D. (1990) “Quantum Self”. London: Bloomsbury
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© Cliff Andrews ist Mitbegründer des Shiatsu College in Norwich (GB) und Direktor des shiatsucentre.net, cliff@shiatsucentre.net, Telefon: +44 (1) 603 632555 (veröffentlicht in Shiatsu Society News Autumn 2005).