Die Ziele, die Aktivitäten und die Struktur der European Shiatsu Federation
Autoren: Chris McAlister & Eduard Tripp
Deutsche Adaptierung: Dr. Eduard Tripp
© November 2022
Zielsetzung
Die Ziele des Europäischen Shiatsu-Verbandes sind, Shiatsu als Methode zur Förderung der Selbstheilung in ganz Europa zu propagieren, das gesetzliche Recht zur Ausübung von Shiatsu als unabhängige, sich selbst regulierende Gesundheitsmethode zu etablieren und hohe Standards der Berufsausübung zu fördern.
Um dies zu erreichen, hat die ESF vier große Strategie- und Aktionsbereiche: 1) berufliche Entwicklung, 2) Forschung, 3) politische Arbeit und 4) Öffentlichkeitsarbeit. Alle Strategien und Maßnahmen sind darauf ausgerichtet, sich gegenseitig zu unterstützen und die Ziele des Europäischen Dachverbandes zu fördern.
Organisation
Die ESF, wie sie üblicherweise genannt wird, ist eine demokratische und nicht gewinnorientierte Organisation, deren Mitglieder nationale Shiatsu-Dachverbände sind. Sie ist ein formeller, in Schweden eingetragener Verein mit Statuten, Mitgliedsbeiträgen und Entscheidungsprotokollen. Ihr Zweck ist es, sich auf gemeinsame Strategien und Maßnahmen zu verständigen, deren Einhaltung bzw. Umsetzung (in den Mitgliedsländern) zu ermöglichen und auch die ESF zu ermächtigen, diese Strategien umzusetzen.
Die ESF entwickelte sich 1994 mehr oder weniger informell aus einem Treffen von fünf nationalen Verbänden, nämlich der Shiatsu Society UK (SSUK, Großbritannien), der Federazione Italiana Shiatsu (FIS, Italien), der Shiatsu Gesellschaft Schweiz (SGS, Schweiz), der Gesellschaft für Shiatsu in Deutschland (GSD, Deutschland) und dem Österreichische Dachverband für Shiatsu (ÖDS, Österreich).
1999 wurden die Statuten angepasst, um die ESF formell als gemeinnützige Organisation nach schwedischem Recht zu etablieren. Diese Entscheidung wurde aus Gründen der Einfachheit (weniger Bürokratie) und Kosten (keine Gebühren, keine Steuern) getroffen.
Eine wesentliche Neuerung in den späten 1990er Jahren war die Einführung einer anspruchsvollen Gebührenstruktur. Jede nationale Mitgliedsorganisation sollte für jedes ihrer Mitglieder 10 € zahlen, um der ESF finanzielle Autonomie zu verschaffen. Der Betrag wurde später auf 15 € pro Person erhöht. 2004 wurde diese Gebührenstruktur allerdings geändert, um die finanzielle Belastung der größeren Mitgliedsverbände zu senken. Und vor nicht allzu langer Zeit nochmals, um der aktuellen wirtschaftlichen Lage der Shiatsu-Verbände und ihrer Mitglieder Rechnung zu tragen.
Angesichts der lähmenden Auswirkungen, die die Beschränkungen und Schließungen der letzten beiden Jahre auf unseren Berufsstand, seine Angehörigen und ihre Verbände hatten, wurde die Beitragsstruktur 2022 erneut abgeändert. Informationen über die ESF-Beitragsstruktur sind auf Anfrage erhältlich unter secretary@europeanshiatsufederation.eu.
Die ESF ist ein Gründungsmitglied der EFCAM, der Europäischen Gesellschaft für Komplementär- und Alternativmedizin. Das Ziel der EFCAM ist es, dem Berufsstand der Komplementär- und Alternativmedizin in Europa eine einheitliche Stimme zu verleihen, da Politiker nicht mit einzelnen Fachrichtungen kommunizieren, vielmehr eine gemeinsame Stimme verlangen, damit ein konstruktiver Dialog stattfinden kann.
ESF-Mitglieder
Nach einer langen und ereignisreichen Geschichte mit verschiedenen Eintritten und Austritten hat das ESF aktuell zehn nationale Mitglieder:
Belgien | Belgische Shiatsu Federatie (BSF) |
Griechenland | Ελληνική Εταιρεία Σιάτσου (HSS) |
Großbritannien | Shiatsu Society UK (SSUK) |
Irland | Shiatsu Society Ireland (SSI) |
Italien | Coordinamento Operatori Shiatsu (COS) |
Österreich | Österreichischer Dachverband für Shiatsu (ÖDS) |
Schweden | Kroppsterapeuternas Yrkesförbund (KrY) |
Spanien | Asociación de Profesionales de Shiatsu de España (APSE) |
Tschechien | Česká Asociace Shiatsu (ČAS) |
Ungarn | Magyar Shiatsu Társaságot (MASHITA) |
ESF-Vertreter*innen
Die Rolle des*der ESF-Vertreter*in ist von zentraler Bedeutung. Sie besteht aus zwei unterschiedlichen, sich aber ergänzenden Aspekten: 1) Der*die Vertreter*in bringt ein Mandat und Anliegen des nationalen Verbandes in den ESF-Vorstand ein; 2) gleichermaßen vermittelt der*die Vertreter*in den Willen und die Beschlüsse des ESF zurück an den nationalen Verband.
Die erforderlichen Kommunikationsfähigkeiten – über die Sprachkenntnisse hinaus – sind beträchtlich und können einige Zeit in Anspruch nehmen, bis sie sich entwickeln. Das hat seinen Grund darin, dass es die Aufgabe der Repräsentant*innen ist, die Kommunikation zwischen der ESF als europäischer Vertretung und dem Verband zu vereinfachen, der die Interessen seiner Mitglieder auf nationaler Ebene vertritt.
E-Mail ist das nützlichste Kommunikationsinstrument für die Zeit zwischen den Sitzungen, aber auch virtuelle Vorstandssitzungen finden regelmäßig statt. Darüber hinaus ist es gängige Praxis, dass virtuelle Sitzungen zwischen zwei oder mehreren Vertreter*innen stattfinden, die gerade an bestimmten Projekten in Arbeitsgruppen arbeiten.
Rolle und Status von ESF-Vertreter*innen
- Der*die ESF-Vertreter*in hat eine Doppelfunktion als nationale*r Vertreter*in und als ESF-Botschafter*in.
- Der nationale Verband sollte dem*der ESF-Vertreter*in eine konstitutionelle Rolle und Verantwortung übertragen, deren Ziel es ist, der europäischen Dimension der Arbeit des Landesverbandes Priorität zu geben.
- Die nationalen Verbände sollten idealerweise eine ESF-Untergruppe haben, die von einem*einer ESF-Vertreterin geleitet wird.
- Vertreter*innen sollten immer ein Mandat haben, aber mit einer gewissen Befugnis, ihre Position zu ändern, wenn eine Frist für die Beschlussfassung gesetzt wurde.
- Die nationalen Verbände sollten mindestens 10 % ihrer Zeit der europäischen Dimension und der ESF-Arbeit widmen.
- Jede Generalversammlung der nationalen Verbände muss einen ESF-Bericht erhalten und ESF-Beschlüsse fassen.
- Jede*r Präsident*in (Obmann/Obfrau) einer nationalen Vereinigung sollte alle ESF-Dokumente erhalten.
- Jeder Newsletter der nationalen Verbände sollte in jeder Ausgabe einen ESF-Bericht enthalten.
- Die nationalen Verbände sollten die interne Arbeit im Zusammenhang mit der ESF angemessen finanzieren.
- Die nationalen Verbände sollten eine Geschäftsordnung beschließen, um die finanziellen Fristen für ESF-Projekte einzuhalten.
ESF-Strategie von 1995 bis heute
- Primär lag das Ziel der beruflichen Anerkennung im medizinischen Bereich, was sehr erfolgreich mit der Aufnahme von Shiatsu in den Lannoye-Report begann, in dem die Ziele und Möglichkeiten zur Erreichung der beruflichen Anerkennung durch CAM klar dargelegt wurden.
- Dieser Weg zu einer Anerkennung von Shiatsu wurde durch die Nichtannahme des Lannoye-Berichts in der vorgeschlagenen Fassung untergraben. Das war er damaligen Situation geschuldet, die weitgehend auf R. Hammer zurückzuführen war, der die Ärzteverbände in ganz Europa gegen CAM mobilisierte.
- Forschung wurde dadurch zum zentralen Bestandteil der ESF-Strategie. Es wurde deutlich, dass ohne Beweise in Form von anerkannter Forschung (Evidenz) keine Möglichkeit der Eingliederung in das europäischen Gesundheitssystem besteht. Das führte dazu, dass die ESF Prof. Andrew Long von der Universität Leeds mit der dort erstellten Studie einbezog und sich an dem europaweiten, von Universitäten geleiteten Forschungsprojekt CAMbrella beteiligte, das CAM in Europa erfassen sollte.
- Der zunehmende Einfluss der Ärzteverbände auf das EU-Gesundheitssystem führte letztlich zur Erkenntnis, dass Shiatsu als CAM in der EU ohne die erforderliche Evidenz nicht akzeptiert wird, und dass diese Evidenz aktuell einfach noch nicht vorhanden ist. Diese Einsicht führte zu einem Wechsel der Strategiewechsel weg von CAM als Gesundheitsförderung und hin zu Lobbyarbeit für das europaweite Recht zur Ausübung von Shiatsu für entsprechend ausgebildete Shiatsu-Praktiker*innen.
- Aber auch hier fehlte der Hebel, um Shiatsu als europäischen Beruf einzufordern – die bisherige Lobbyarbeit hat keine brauchbaren/umsetzbaren Ergebnisse gebracht.
- Diesen Hebel glauben wir nun im EQR gefunden zu haben: in der Etablierung einer europäischen Qualifikation mit gleichen Inhalten in der gesamten EU. Analog zur Berechtigung zur Berufsausübung innerhalb der EU erwarten wir, dass eine solche Qualifikation zu einer europäische Qualifikation wird, wenn sie in drei europäischen Ländern verankert ist.
- Ein Prototyp eines Ansuchens für das EQR-Niveau 6 wird derzeit in Österreich entwickelt. Wenn es erfolgreich ist, können andere europäische Shiatsu-Verbände dieses Ansuchen adaptieren und für die Anerkennung in ihren eigenen Ländern nutzen. Dies ist viel einfacher, wenn es bereits eine Klassifizierung der Qualifikationen in Europa gibt.
- Damit ist zwar noch keine professionelle Ausübung der Tätigkeit gewährleistet, aber ein notwendiger Ansatzpunkt dafür gegeben. Die Energie des ESF konzentriert sich daher derzeit auf diesen Punkt. Lobbying und Forschung sind daher vorerst in den Hintergrund gerückt.
- Das Recht, seinen Beruf in der gesamten EU auszuüben, ist in mehreren grundlegenden EU-Chartas verankert, obwohl es leider noch in keinem Land in spezifisches Recht umgesetzt wurde. Die Anerkennung wird deshalb zunächst über eine erfolgreiche EQR-Bewerbung angestrebt, die von EU-zertifizierten Behörden in voraussichtlich drei Ländern vorgenommen wird. Sobald die EQR-Arbeit abgeschlossen ist, wird das Recht auf Arbeit bei den entsprechenden EU-Behörden beantragt.
Ein Überblick über die Aktivitäten der ESF seit 1996
- Überzeugung der Mitte-Rechts-Fraktion des Europäischen Parlaments, für den Lannoye-Bericht zu stimmen, der schließlich als Collins-Bericht verabschiedet wurde.
- Konzeption und Mitentwicklung der Methodik, Mittelbeschaffung, Leitung und Mitveröffentlichung der Forschungsstudie über die Anwendungsmöglichkeiten und den Nutzen von Shiatsu mit Professor Andrew Long von der Universität Leeds, UK.
- Die Etablierung einer Stimme für CAM in der EPHA, was schließlich zu einem*einer CAM-Vertreter*in im EPHA-Vorstand führte (EPHA = European Public Health Association).
- Gründung von EFCAM als Organisation (auch) für nichtmedizinische CAM-Expert*innen (EFCAM = European Federation for Complementary and Alternative Medicine).
- Mitgliedschaft im Beirat des CAMbrella-Forschungsprojekts (CAMbrella = European Research Network for Complementary and Alternative Medicine).
- Entwicklung einer angepassten Sprache, um Politiker*innen und Gesundheitsbehörden die Merkmale, die Rolle und den Nutzen von CAM zu vermitteln.
- Die Organisation des ersten Treffens eines CAM-Interessensvertreters mit einem EU-Gesundheitskommissar.
- Mitorganisation der bisher einzigen Konferenz über CAM im Europäischen Parlament.
- Einziges nichtmedizinisches Mitglied im Forum für Gesundheitspolitik der Europäischen Union (Health Policy Forum).
- Führung des Sekretariats der CAM-Interessengruppe des Europäischen Parlaments (European Parliament CAM Interest Group) über mehrere Jahre hinweg.
- Organisation mehrerer Sitzungen des Europäischen Parlaments zum Thema CAM.
- Entwicklung einer politischen Strategie zur Erlangung des verbrieften Rechts auf Arbeit für CAM-Expert*innen in ganz Europa.
- Aufbau einer Datenbank mit erfolgreichen Shiatsu-Projekten weltweit (Shiatsu Resources Worldwide).
- Initiierung des Shiatsu Awareness Month als Teil von Shiatsu Without Borders im Juni 2022.
- Veranstaltung virtueller internationaler Events, einschließlich globaler Meditationen und Live-Events mit zahlreichen Shiatsu-Praktizierenden.