Die Erweiterung des Konzepts der Salutogenese mit psychotherapeutischen Gesichtspunkten
Zwischen dem Feld der Psychotherapie und dem Gesundheitssystem klafft, so Markus Fäh in “Psychotherapie und Salutogenese: Überlegungen zum theoretischen und praktischen Brückenschlag” (Psychotherapie Forum Vol. 12, No. 1, 2004, S. 3-15), eine kommunikative Lücke. Es gibt keine übergreifenden Theorien, die das Konzept der Salutogenese mit dem der Psychotherapie verbinden. Jeder dieser Bereiche existiert gleichsam nur für sich. Die Gesundheitsforschung auf der einen Seite bietet Befunde und Erklärungen für die körperlichen, seelischen und sozialen Ursachen langfristiger Gesundheit. Und auf der anderen Seite stellt die Psychotherapie Wissen über kommunikative Vorgänge bereit, welche individuelle Veränderungsprozesse bewirken.
Psychotherapeutische Prozesse setzen am seelischen Apparat an und beeinflussen dessen Funktionieren, d.h. sie beeinflussen das Denken, Fühlen, Erleben und Handeln eines Individuums. Damit die Psychotherapie aber Platz in einem (veränderten) Gesundheitssystem findet, bedürfe es, so Markus Fäh, einer “Hüllentheorie”, die ein neues Gesundheitsverständnis und psychotherapeutische Modellvorstellungen miteinander verbindet.
Eine solche Hüllentheorie müsste erklären, durch welche Lernprozesse und Veränderungen im seelischen Apparat die seelischen Bewältigungskräfte so verändert werden können, dass die Anpassungsbalance und damit die Entwicklung langfristiger Gesundheit (besser) gelingt.
Gesundheit ist im Verständnis der WHO ein “umfassendes körperliches, seelisches und soziales Wohlbefinden”, im Verständnis der Salutogenese das Ergebnis einer Anpassungsbalance an die inneren und äußeren Realitäten des Lebens. Sie ist Ausdruck des Überwiegens positiver Verarbeitungs- und Heilungskräfte gegenüber den inneren und äußeren Lebensbelastungen, wobei Psychotherapie dem einzelnen Menschen (wie auch der Gesellschaft) Erkenntnisse und Mittel in die Hand gibt, diese verborgene Balance zu optimieren.
Gesellschaftliche Einflüsse wirken auf die Grundlagen langfristiger Gesundheit
Die heutige Gesellschaft gilt als “Risikogesellschaft”[1]U. Beck: “Risikogesellschaft: Auf dem Weg in eine andere Moderne”. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 1986. oder “Unsicherheitsgesellschaft”[2]Z. Baumann: “Die Krise der Politik: Fluch und Chance einer neuen Öffentlichkeit”. Hamburger Edition, Hamburg 1999., die durch einen dreifachen Verlust von Sicherheit (im Sinne von Beständigkeit, Geschütztheit und Gewissheit) charakterisiert ist:
- Sicherheit im zeitlichen Sinne des Bleibens, Behaltens, der Verlässlichkeit, Beständigkeit, Treue und Konstanz (engl. security) – bedingt vor allem durch fehlende Beziehungssicherheit, schwankende Werte und sich wandelnde Maßstäbe.
- Sicherheit im räumlichen und existentiellen Sinne des Gefühls von Geschütztheit (engl. safety) – bedingt durch fehlende Garantien, dass richtiges Verhalten vor Unbill und Sanktionen schützt.
- Sicherheit im logischen und geistigen Sinne der Gewissheit, mit der Urteile getroffen werden (engl. certainty) – bedingt durch eine Abnahme der Gewissheit zukünftige Entwicklungen vorhersagen zu können.
Alle drei Aspekte von Sicherheit sind Voraussetzung für Selbstvertrauen und innere Stabilität. Fehlen sie, führt dies zu Verunsicherung, die wiederum oft nur durch problematische Anpassungsstrategien bewältigt wird – Anpassungsstrategien, die das Problem der Unsicherheit häufig noch verschärfen.
Die gegenwärtige gesellschaftliche Entwicklung trägt das Potential in sich, damit die Grundlagen langfristiger Gesundheit zu zerstören. Beständigkeit, Verlässlichkeit, Vertrauen und Gemeinsamkeit sind gesundheitserzeugende und -erhaltende Werte, die zunehmend schwinden. Anpassungsstrategien, die auf die unsicheren und sprunghaften Veränderungen notwendig funktional reagieren, entziehen ihrerseits innere Stabilität – eine Stabilität, die nötig wäre, um in kommenden schwierigen Situationen bestehen zu können. Die Zunahme von Depressionen, Stresserkrankungen und psychosomatischen Leiden ist für Markus Fäh die Folge dieser Entwicklung.
Gesundheit und Krankheit
Der vorrangige Zugang zu Gesundheit und Krankheit ist krankheitsorientiert, wobei der Organismus gleichsam als Maschine verstanden wird, der im Normalfall “Gesundheit” funktioniert. Funktioniert er nicht mehr, laufen körperliche oder psychisch/seelische Funktionen nicht mehr reibungslos ab, spricht man von Krankheit. Der so objektivierte Körper, die so objektivierte Seele wird daraufhin Ärzten und Therapeuten zur Diagnose und Behandlung “übergeben”. Damit aber entfremden wir uns auf doppelte Weise von Gesundheit und Krankheit, denn sie gehören nicht mehr uns, sondern den Ärzten, und Gesundheit wird auf das Fehlen von Krankheit reduziert.
Eine im Gegensatz dazu stehende Gesundheitsorientierung versteht Gesundheit nicht als einen statischen Zustand, sondern dynamisch als eine “positive” Bewegung. Nicht Gesundheit als (absoluter) Zustand existiert, vielmehr nur verschiedene Zustände des Wohlbefindens – auf einem Kontinuum zwischen Krankheit und Tod auf der einen und ungetrübtem Wohlbefinden auf der anderen Seite. Gesundheit ist im Verständnis der Salutogenese nach A. Antonovsky[3]Das Konzept der Salutogenese wurde vom Medizinsoziologen Aaron Antonovsky (1923 – 1994) entwickelt. Seine beiden Hauptwerke dazu sind “Health, stress and coping: New perspectives on … weiterlesen) die Dynamik der Bewegung vom “Krankheitspol” zum “Gesundheitspol”.
Für H.-G. Gadamer[4]H-G. Gadamer: “Über die Verborgenheit der Gesundheit”. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 1993. ist Gesundheit eine verborgene Harmonie, die stärker ist als die offenkundige. Wahre Gesundheit, so Gadamer, erkennen wir nicht an der Oberfläche unseres Befindens, sondern ist verborgen in der Art unseres Lebens, unseres In-der-Welt-Seins. Diese verborgene Balance realisiert sich in den Dialektiken, die unser Leben ausmachen: Die Dialektik von “innen” und “außen” und die Dialektik von “gut” und “böse”.[5]Die Dialektik von “gut” und “böse” bildet eine wichtige Grunddimension menschlicher Existenz, der wir sowohl in unserem Inneren, wie auch in der auf uns einwirkenden … weiterlesen
Innen und Außen, Gut und Böse
Unsere innere Welt ist, wie die Psychotherapie in der Tradition der Psychoanalyse Sigmund Freuds herausgearbeitet hat, von der Dialektik von “gut” und “böse” durchdrungen. Wir verfügen in unserer inneren Welt über Triebenergien, die die Bindung fördern, und solche, die die Auflösung zum Ziel haben. Der Lebenstrieb (Libido) schafft Bindungen, der Todestrieb (Aggressionstrieb, Destrudo) hingegen hat zum Ziel, bestehende Verbindungen zu lösen. Es ist unsere Aufgabe, diese innere Dynamik in eine Balance zu bringen – und zwar auf eine Art und Weise, dass die lebensfördernden (libidinösen) Kräfte überwiegen. Damit – im positivsten Fall – werden die destruktiven Kräfte nicht nur in Schach gehalten, sondern zu einem integrierten Teil unserer inneren Dynamik und tragen so zu einem erfüllten Leben bei.[6]Ein solches Unterfangen ist vielfach nur in Grenzen realisierbar, und immer wieder ist es nötig, sich dem menschlichen Destruktionspotential (in der inneren und äußeren Welt) entgegenzustellen, es … weiterlesen
“Gut” und “Böse” erfahren wir auch von außen als nährende, schützende, befriedigende Einflüsse oder als belastende, angreifende, schädigende und versagende Einwirkungen. Und ebenso müssen wir hier für ein Überwiegen der “guten” Einflüsse sorgen, um (längerfristig) eine gesunde Balance zu bewahren.
Gelingt es uns, im Kräftefeld des Lebens eine lebensfördernde Balance herzustellen und zu erhalten, ist unsere verborgene innere Dynamik auf Gesundheit und Lebenserhaltung ausgerichtet und unser Selbst- und Weltverständnis auf realistische Weise optimistisch. Damit verwirklichen wir das, was Antonovsky als positives Kohärenzgefühl[7]Antonovsky vertritt in seinem Konzept der Salutogenese die Auffassung, dass das Kohärenzgefühl im wesentlichen in der frühen Kindheit geprägt wird und sich dann nur noch geringfügig (z.B. durch … weiterlesen bezeichnet: Wir glauben, dass wir die Welt verstehen und dass wir mit ihr in lebensbewältigender und sinnvoller Weise umgehen können.
Ansatzpunkte gesundheitsfördernder Interventionen und Prozesse
Gesundheit im salutogenetischen Sinne liegt dann vor, wenn die Energien aus inneren Kraftquellen und äußeren Ressourcen die Belastungen und inneren Destruktionskräfte überwiegen. Unter Einbeziehung psychotherapeutischer und salutogenetischer Konzepte sieht Markus Fäh deshalb vier Ansatzpunkte gesundheitsfördernder und psychotherapeutischer Interventionen und Prozesse:
- Die Nutzung innerer Lebenskräfte
- Die Nutzung äußerer Kraftquellen
- Die Bändigung und Überwindung innerer destruktiver Kräfte
- Die Bewältigung äußerer Belastungen
Die Nutzung innerer Lebenskräfte (personale Ressourcen)
Biologisch verwurzelte Triebkräfte sind die Grundlage unseres Lebens. Wenn sie sich entfalten können und gut integriert sind, ist unser Leben reich und erfüllt. Wir können es genießen und verfügen über ein starkes Potential, der Welt konstruktiv zu begegnen.
Aus psychotherapeutischer Sicht brauchen wir ein starkes Ich, dass den unbewussten, vitalen und drängenden Triebkräften auch nachgeben und sich ihnen (letztlich kontrolliert) unterwerfen kann. Ein starkes Ich kann gleichsam auf dem Trieb reiten und mit unseren Wünschen so umgehen, dass wir sie zu realistischen Befriedigungserlebnissen nutzen können. Das Ich muss dabei sowohl passiv als auch aktiv sein können: Passiv in der Hingabe, in der zulassenden Haltung gegenüber den Triebwünschen und aktiv im Nutzen und Gestalten dieser Wünsche.
Die Nutzung außerer Kraftquellen (sozialen Ressourcen)
Für die Erhaltung der Gesundheit von großer Bedeutung sind die sozialen Ressourcen, die wir uns nutzbar machen können: also herzliche und verlässliche Beziehungen, die uns Unterstützung, Anerkennung und Befriedigung verschaffen – letztlich das ganze soziale Netz, das uns unterstützt und trägt, vor allem aber Liebespartner, Familie, Freunde und Bekannte.[8]Der gesundheitsfördernde Einfluss sozialer Unterstützung, sozialen Zusammenhalts und Anerkennung ist durch zahlreiche Studien belegt. Übersichten finden sich in: P. … weiterlesen
Die Bändigung und Überwindung innerer destruktiver Kräfte
Gleichgültig ob dem Menschen eine innere Destruktivität angeboren ist, oder ob die Destruktivität ihre Ursachen in Frustration und Fehlerziehung hat, ist es auf alle Fälle wichtig, sie zu fassen, zu begreifen und eventuell in Schach zu halten. Dazu gehören auch “innere Saboteure” – unbewusste Kräfte, Verdichtungen negativer, vor allem frühkindlicher Erfahrungen -, die uns innerlich blockieren und verhindern wollen, dass wir zufrieden sind und an unsere Ziele gelangen.
Die Bewältigung äußerer Belastungen
Das Leben jedes Menschen ist voller Anforderungen und Herausforderungen, die von alltäglichen Belastungen über erhöhten Lebensstress bis hin zu seelischen Traumata reichen. Der gesundheitsfördernde und realistische Umgang mit den Belastungen des Lebens hat zwei Schwerpunkte:
- Die Menge der Belastungen an unsere Kräfte anpassen.
- Unvermeidbare Belastungen auf gesunde Weise bewältigen, indem wir unsere Verarbeitungs- und Bewältigungskräfte optimal einsetzen.
Wichtig ist, dass dem Stress auch Gegengewichte in Form von Befriedigung, Freude und Entspannung gesetzt werden und dass uns angemessene positive Überzeugungen gegen die negativen Auswirkungen des Belastungsstresses wappnen.[9]Im Kontext positiver Lebenseinstellung ist es wichtig, dass die Lebenstatsachen anerkannt (und nicht verdrängt oder verleugnet) werden und dass wir den Grundfragen des Lebens (wie dem Sinn des … weiterlesen
Psychische Bedingungen für langfristige Gesundheit
Seelisches Funktionieren – und damit langfristige Gesundheit – beruht vorrangig auf drei Faktoren:
- Systemziel der erfolgreich immer wieder hergestellten positiven Balance
- Positive Werte von Systemkomponenten
- Flexible, Widersprüche ertragende und erfolgreiche Systemsteuerung
Systemziel der erfolgreich immer wieder hergestellten Systembalance
Gesundheit ist kein störungsfreies Funktionieren, sondern ein flexibles und ständiges Ausbalancieren von Ungleichgewichten (Heterostase). Unser Organismus ist ständig Einwirkungen von innen und außen ausgesetzt, die sein Gleichgewicht beeinträchtigen. Homöostase kann nicht erreicht werden, wohl aber eine Systemdynamik, die das permanente Ungleichgewicht optimiert. Langfristig gesunde Menschen zeichnet das Bemühen um ein optimales Gleichgewicht aus, mit dem es sich leben lässt. Ein rigides Erzwingen von Gleichgewicht hingegen ist ein zu starres Systemziel und führt dazu, dass das System (unser Organsismus) die permanenten Störungen nicht erträgt.
Systemziele sind Störungstoleranz und Störungsoptimierung – und damit ein flexibles psychisches Funktionieren, so dass ein optimales Niveau von Unruhe, Spannung, Erregung und Gleichgewichtsstörung ausgehalten werden kann. Psychotherapie kann hier das Systemziel in der Weise unterstützen, dass sie hilft, eine größere seelische Fassungskraft (Toleranz) zu schaffen.
“Postitive” Werte von Systemkomponenten
Die Erreichung optimaler Werte der Systemkomponenten steht in enger Beziehung mit dem Systemziel. Zum einen geht es darum, dass uns ein optimales Niveau aus frei fließender Triebenergie und Energie aus sozialen Kraftquellen (personale und soziale Ressourcen) zur Verfügung steht, und zum anderen, dass die Menge an innerer Destruktivität und äußerer Belastung so gering wie möglich gehalten wird. Psychotherapie unterstützt dabei, innere und äußere Kraftquellen zu identifizieren, destruktive Emotionen zu kanalisieren und zu integrieren sowie das Stressmanagement zu verbessern.
Flexible, Widersprüche ertragende und erfolgreiche Systemsteuerung
Die Steuerung des Systems muss flexibel und doch so stark sein, dass alle Systemkomponenten “zu Wort kommen”, die Kontrolle aber der übergeordneten Instanz (dem Ich) dennoch nicht verloren geht. Eine realistische Systemsteuerung eines auf langfristige Gesundheit hinarbeitenden Ichs vermittelt erfolgreich zwischen inneren Realitäten und Umweltfaktoren und versucht, ein jeweils optimales Gleichgewicht bzw. Ungleichgewicht zu erzielen.
Ansatzpunkte individueller Förderung von Gesundheit
- Regelmäßige Überprüfung der Balance zwischen gesundheitsfördernden und pathogenen Faktoren
- Lebendige Auseinandersetzung mit sich und der Welt
- Bewusstes Selbstmanagement
- Permanente Anpassung und Entwicklung
Generell neigen Psychotherapeuten zur Überschätzung des Einflusses individueller Lebensführung auf die Gesundheit, wohingegen Ärzte den Einfluss medizinischer Errungenschaften überschätzen. Einen oftmals wenig beachteten, aber doch großen Einfluss auf die Gesundheit hat, wie Untersuchungen belegen, auch der soziale Kontext.[10]L. Sagan: “Die Gesundheit der Nationen”. Rowohlt Verlag, Reinbek, 1987. M. Rustin: “The good society and the inner world: psychoanalysis, politics and … weiterlesen Von Bedeutung sind hier beispielsweise die Kluft zwischen Arm und Reich oder das Auseinanderfallen der Gesellschaft in miteinander rivalisierende Individuen und Kleingruppen. Eine “Jeder-gegen-jeden-Gesellschaft” produziert ständigen Stress, beruhend auf der Furcht, ans untere Ende der sozialen und wirtschaftlichen Skala zu fallen. Gemeinschaften mit hohem sozialen Zusammenhalt sowie großem Solidaritäts- und Verantwortungsgefühl hingegen beruhigen diese Angst und geben Sicherheit.
Primäre Quelle
Markus Fäh: “Psychotherapie und Salutogenese: Überlegungen zum theoretischen und praktischen Brückenschlag”. In: Psychotherapie Forum Vol. 12, No. 1, 2004, S. 3-15.
Anmerkungen
↑1 | U. Beck: “Risikogesellschaft: Auf dem Weg in eine andere Moderne”. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 1986. |
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↑2 | Z. Baumann: “Die Krise der Politik: Fluch und Chance einer neuen Öffentlichkeit”. Hamburger Edition, Hamburg 1999. |
↑3 | Das Konzept der Salutogenese wurde vom Medizinsoziologen Aaron Antonovsky (1923 – 1994) entwickelt. Seine beiden Hauptwerke dazu sind “Health, stress and coping: New perspectives on mental and physical well-being” (1979) und “Unraveling the mystery of health. How people manage stress and stay well” (1987 |
↑4 | H-G. Gadamer: “Über die Verborgenheit der Gesundheit”. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 1993. |
↑5 | Die Dialektik von “gut” und “böse” bildet eine wichtige Grunddimension menschlicher Existenz, der wir sowohl in unserem Inneren, wie auch in der auf uns einwirkenden äußeren Welt ausgesetzt sind, und lässt sich auch darstellen als Dialektik zwischen “negativ” und “positiv”, “nährend” und “belastend”, “schützend” und “schädigend”, “lebensfördernd” und “lebenangreifend” sowie “unterstützende Kräfte” und “Zerstörungskräfte”. |
↑6 | Ein solches Unterfangen ist vielfach nur in Grenzen realisierbar, und immer wieder ist es nötig, sich dem menschlichen Destruktionspotential (in der inneren und äußeren Welt) entgegenzustellen, es zu erkennen und sich ihm nicht zu unterwerfen. |
↑7 | Antonovsky vertritt in seinem Konzept der Salutogenese die Auffassung, dass das Kohärenzgefühl im wesentlichen in der frühen Kindheit geprägt wird und sich dann nur noch geringfügig (z.B. durch Psychotherapie) modifizieren lässt. Neuere Untersuchungen (z.B. Sack & Lamprecht 1994, Sandell 1997, Sandell et al. 1999) konnten jedoch zeigen, dass das Kohärenzgefühl im Laufe einer Psychotherapie und auch noch danach signifikant zunimmt. Intensive Psychotherapie scheint diesen Forschungsergebnissen zufolge den realistischen, lebenszugewandten Optimismus zu fördern und die Selbstheilungskräfte auch nach dem Abschluss der Behandlung zu stärken. M. Sack & F. Lamprecht: “Lässt sich der ‘sense of coherence’ durch Psychotherapie beeinflussen?”. In: F. Lamprecht & R. Johnen (Hrsg): “Salutogenese: eines Konzept für die Psychoanalyse?”. VAS, Frankfurt-Bockenheim, 1994, S. 186 – 193. R. Sandell: “Langzeitwirkung von Psychotherapie und Psychoanalyse”. In: M. Leuzinger-Bohleber & U. Stuhr: “Psychoanalysen im Rückblick: Methoden, Ergebnisse und Perspektiven der neuen Katamneseforschung”. Psychosozial-Verlag, Gießen, 1997, S. 348 – 365. R. Sandell et al.: “Wie die Zeit vergeht: Langzeitergebnisse von Psychoanalysen und analytischen Psychotherapien”. In: Forum der Psychoanalyse 15, 1999, S. 327 – 347. |
↑8 | Der gesundheitsfördernde Einfluss sozialer Unterstützung, sozialen Zusammenhalts und Anerkennung ist durch zahlreiche Studien belegt. Übersichten finden sich in: P. Kolip: “Familie und Gesundheit”. In: K. Hurrelmann & U. Laaser (Hrsg): “Handbuch Gesundheitswissenschaften”, Juventa, Weinheim, 1998, S. 497 – 518. A. Mielck & U. Heimert: “Soziale Ungleichheit und Gesundheit”. In: K. Hurrelmann & U. Laaser (Hrsg): “Handbuch Gesundheitswissenschaften”, Juventa, Weinheim, 1998, S. 519 – 537. M.L. Laudeslager &J. Worlein: “Behavior-immune relationship in nonhuman primates”. In: M. Schelowski & U. Tewes (Hrsg): “Psychoneuroimmunology: an interdisciplinary introduction”. Kluwer Academic und Plenum, New York, 1999, S. 277 – 290. |
↑9 | Im Kontext positiver Lebenseinstellung ist es wichtig, dass die Lebenstatsachen anerkannt (und nicht verdrängt oder verleugnet) werden und dass wir den Grundfragen des Lebens (wie dem Sinn des Lebens oder der Unvermeidbarkeit von Verlust, Alter und Tod) nicht ausweichen. |
↑10 | L. Sagan: “Die Gesundheit der Nationen”. Rowohlt Verlag, Reinbek, 1987. M. Rustin: “The good society and the inner world: psychoanalysis, politics and culture”. Verso, London, 1991. |