Depression bei Mäusen im Labor

Ein wesentliches Merkmal von Depressionen ist die Lust- und Antriebslosigkeit. Nahezu jeder, so das britische National Health Service (NHS) in einer Kampagne, um Aufmerksamkeit auf diese Erkrankung zu lenken, leidet in seinem Leben mindestens einmal unter einer Depression. Die genauen Zahlen sind allerdings unbekannt, da viele Betroffene – und hier vor allem Männer – die Erkrankung verheimlichen und nicht zum Arzt oder Therapeuten gehen. Bei Frauen werden vermutlich auch deshalb doppelt so häufig Depressionen festgestellt als bei Männern.

Kinder leiden selten unter der Erkrankung, die erst mit der Pubertät zuzunehmen beginnt. Im Alter tritt sie vor allem in Zusammenhang mit Vereinsamung auf. Für Österreich liegen die Schätzungen bei bis zu 400.000 erkrankten Menschen – fast 5 Prozent der Bevölkerung von denen angenommen wird, an Depressionen zu leiden.

Welche biologischen Vorgänge genau dabei eine Rolle spielen, weiß man bisher allerdings nicht bis in Detail. Sicher scheint bislang nur, dass der Serotonin-Stoffwechsel eine Rolle spielt. Ein Mangel an Serotonin, das als “Glückshormon” angesehen wird und in der Natur z.B. auch in Schokolade und Bananen vorkommt, gilt als Ursache für Depressionen. Aber auch andere Erkrankungen wie Essstörungen, Migräne und Schlafstörungen werden mit DIsbalancen im Serotonin-Stoffwechsel in Verbindung gebracht.

Eine Forschungsgruppe rund um Daniela Pollak, Neurowissenschaftlerin, an der Meduni Wien untersucht, wie sich chronischer Stress auf Mäuse auswirkt und was die zugrunde liegenden biologischen Mechanismen dafür sind. Dazu wird der Konsum von Zuckerlösung als Indikator genommen: Normalerweise ziehen Mäuse einedargebotene Zuckerlösung normalen Wasser vor – man geht davon aus, weil sie gelernt haben, dass “süß” kalorienhaltig bedeutet und damit das Überleben fördert.

Werden die Mäuse nun chronischem Stress ausgesetzt – sie werden dem Geruch von Ratten, ihrem natürlichen Feind, in täglich wechselnden Darbietungen ausgesetzt, ändert sich, wie die Untersuchung zeigt, nach 5 bis 10 Wochen die Stimmungslage der Tiere ähnlich wie bei Menschen, die für Depressionen anfällig sind und längere Zeit unter beruflichem oder privatem Stress stehen: Gleichgültigkeit zeigt sich und die Mäuse bevorzugen das Zuckerwasser nicht mehr (ein Verhalten, das bei Menschen als Anhedonie bezeichnet wird).

Eine weitere Übereinstimmung zwischen depressiven Menschen und Mäusen zeigte sich auch darin, dass nicht nur Menschen in einem solchen Gemütszustand schneller aufgeben und sich ihrer ein Gefühl der Sinnlosigkeit bemächtigt, auch “depressive Mäuse”, die in ein Gefäß mit Wasser gesetzt werden geben schneller auf als gesunder Labormäuse. Und, was die Vermutung belegt, dass es sich um eine Form der Depression bei den Mäusen handelt: Wenn den Mäusen Wirkstoffe injiziert werden, die beim Menschen nachweislich gegen Depressionen wirken, reagieren auch die Tiere “erwartungsgemäß” darauf und zeigen wieder “normales” Verhalten.

Als die ideale Behandlungsmethode gilt eine Kombination aus Antidepressiva und Psychotherapie.


Quelle

Der Standard 7. 3. 2012