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Grundprinzipien der Evidenz basierten Medizin
Evidenzbasierte Medizin bezeichnet eine Gesundheitsversorgung, bei der Patienten auf Basis der besten zur Verfügung stehenden wissenschaftlichen Daten behandelt werden. Sie beruht auf der systematischen Suche nach relevanten empirischen Befunden zu einer klinischen Frage sowie deren Beurteilung. Bei der Anwendung auf den jeweiligen Fall spllen aber immer auch die ärztliche Erfahrung sowie Vorstellungen der Patienten berücksichtigt werden. Meta-Analysen und Reviews ist ein statistisches Verfahren, das die Ergebnisse mehrerer methodisch einwandfreier Studien zur gleichen Frage zusammenfasst. Die Autoren von Überblicksartikeln, so genannten Reviews, setzen diese Methode ein, um alle jeweils verfügbaren Einzelstudien nach bestimmten Kriterien zu sichten und kritisch zu bewerten. Randomisierte kontrollierte Studien gelten als “Goldstandard” in der evidenzbasierten Medizin. Randomisieren…
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Was ist Evidenz basierte Medizin?
In allen Bereichen der Medizin gab es und gibt es gravierende therapeutische Irrtümer. Ein tragisches Beispiel etwa war in den 1950er Jahren die Empfehlung des Kinderarztes Benjamin Spock (1909 bis 1998), Säuglinge nachts in die Bauchlage zu drehen, damit sie besser schliefen. 1988 zeigte sich dann allerdings in einer Auswertung aller vorliegenden Studien, dass Babys, die am Bauch schlafen, ein dreimal höheres Risiko haben, am plötzlichen Kindstod zu sterben. Man schätzt deshalb, dass dieser schlechte (wenngleich gut gemeinte) ärztliche Rat hundertausenden Kindern das Leben gekostet hat. Evidenzbasierte Medizin (Evidence Based Medicine, Medizin auf Basis von überprüfbaren Daten) fordert deshalb, dass Ärzte nur wissenschaftlich untermauerte Therapie verordnen sollten und dass die…
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Sind Doppelblindstudien immer sinnvoll? (Gordon Smith)
2003 veröffentlichte das BMJ einen über die Satire hinausgehenden Artikel von Gordon Smith, in dem er die „Allgläubigkeit“ an randomisierte Studien ironisch thematisierte. In „Parachute use to prevent death and major trauma related to gravitational challenge: systematic review of randomised controlled trials” stellt der Autor fest, dass es keine ausreichende Beweislage für die lebensbewahrende Wirksamkeit von Fallschirmen gibt, letztlich keine einzige randomisierte, kontrollierte Studie:[1]BMJ 327 : 1459 doi: 10.1136/bmj.327.7429.1459, Published 18 December 2003; http://www.bmj.com/content/327/7429/1459.full „As with many interventions intended to prevent ill health, the effectiveness of parachutes has not been subjected to rigorous evaluation by using randomised controlled trials. Advocates of evidence based medicine have criticised the adoption of interventions…
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Wie Studien manipuliert werden können (David L. Sackett & Andrew D. Oxman)
Der Ex-Oxford-Professor David L. Sackett (Direktor des kanadischen Trout Research and Education Center) und Andrew D. Oxman vom norwegischen Direktorat für Gesundheit und Wohlbefinden sowie Departement of Health Services Research, beide Verfechter der evidenzbasierten Medizin, haben in einer Satire für das British Medical Journal (Dezember 2003) aufgezeigt, mit welchen Mitteln man zu „positiven“ Ergebnissen gelangen kann – positive Ergebnisse in dem Sinn, dass die Wirksamkeit eines (neuen) Medikaments nachgewiesen wird, wenn das Mittel nur „nicht weitaus schlechter als ein Schluck dreifach destilliertes Wasser“ wirkt. Zuerst kommt es auf die Wahl des Vergleichspräparates an. Gut lassen sich hier Placebos verwenden, denn diese sind leichter zu schlagen als bereits eingeführte wirksame Medikamente.…
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Die Entwicklung von Messinstrumenten für komplementäre Behandlungsmethoden
Um die Wirksamkeit von Behandlungsmethoden zu erfassen – und dies ist ein wichtiger Aspekt für die Bewertung und letztlich Anerkennung von alternativen und komplementären Behandlungsmethoden (CAM) – ist es wichtig, dass entsprechende Messinstrumente zur Verfügung stehen, die die relevanten Kriterien erfassen. Die Auswahl der Untersuchungskriterien, ihre Gewichtung und wie sie erfasst werden, sind von grundlegender Bedeutung für die Untersuchungsergebnisse – und letztlich dafür, ob sich eine untersuchte Methode als wirksam erweist oder nicht. Die Studie “Developing a tool to measure holistic practice: a missing dimension in outcomes measurement within complementary therapies” von A. F. Long, G. Mercer und K. Hughes[1]A.F. Long, G. Mercer & K. Hughes: “Developing a tool to measure…
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Efficacy und Effectiveness
Forschung ist aus der Sicht der politisch Verantwortlichen erforderlich, um die Effektivität einer Methode zu belegen (die dann von den Krankenkassen oder anderen öffentlichen Trägern bezahlt wird) und um etwaige Gesundheitsrisiken auszuschließen. In der westlichen Medizin hat diese Form der Wissenschaftlichkeit mehr und mehr Einzug gehalten – wenngleich noch immer der größere Teil des medizinischen Vorgehens diesem Anspruch nicht Genüge tut -, so dass man heute gern von evidence based medicine spricht, einer Medizin, deren Methoden-Wirksamkeit durch Forschungen belegt und abgesichert ist. Forschungsergebnisse sind mitunter sehr entscheidend für eine Methode und ihren weiteren Stellenwert im Gesundheitssystem. Das schlechte Abschneiden von Homöopathie vor einiger Zeit in einer Metastudie (Studie, die die…
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Confounder (Störfaktoren)
Neben systematischen Fehlern (Bias) gibt es noch weitere Faktoren, die einer Studie ihre Aussagekraft nehmen und ihre Ergebnisse verzerren können: Confounder, die unabhängig von der untersuchten Intervention (Behandlung) einen Einfluss auf die Ergebnisse haben und (zumindest zu einem gewissen Ausmaß) eine alternative Erklärung für die Ergebnisse bedeuten (das englische Wort „to confound“ bedeutet so viel wie „verwechseln“, „durcheinanderbringen“, „verwirren“). Als Beispiel kann die Cholera in London dienen, der allein im Jahre 1849 bei einem großen Ausbruch etwa 15.000 Menschen zum Opfer fielen. Und während wir heute wissen, dass die Erkrankung durch Vibrio cholerae-Bakterien ausgelöst wird, stritten die Ärzte und Wissenschaftler zu jener Zeit noch heftig über ihre Ursachen und Übertragung.…
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Bias (Verzerrung)
Von Bias (Verzerrung) spricht man bei einem systematischen Fehler in der Datenerhebung, der sich im Unterschied zu zufälligen Fehlern auch bei einer ausreichenden Anzahl von Messungen oder Untersuchungen nicht aufhebt (und damit nicht auf einer zu kleinen Anzahl an Versuchspersonen beruht). Das Resultat einer Studie beruht bei Vorliegen eines Bias letztlich nicht auf der Auswirkung der Intervention (Behandlung) sondern auch auf einem Fehler im Studiendesign oder der Auswertung. Im schlimmsten Fall ist die Aussage einer Studie damit nicht nur verzerrt sondern sogar gänzlich falsch. Damit eine Studie eine möglichst hohe Validität oder Gültigkeit aufweist (d.h. die Studie die Merkmale misst, die man messen möchte), ist es notwendig, dass innere und…
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Übersichtsarbeiten (Reviews)
Vergleicht man verschiedene klinische Studien zu einer bestimmten Fragestellung, zeigen sich meist in den Ergebnissen und Implikationen abweichende, ja manchmal sogar widersprüchliche Ergebnisse. Um hier zu einer bestmöglichen Bewertung zu kommen – vor allem, wenn es viele Studien gibt, die sich manchmal auch nur schwer direkt vergleichen lassen –, stellen Überblicksarbeiten (Reviews) eine wichtige Quelle „vorbewerteter Evidenz“ dar. Selektive und systematische Übersichtsarbeiten Bei narrativen (selektiven) Übersichtsarbeiten (Literaturübersichten) wählt der Autor in der Regel für eine bestimmte klinische Fragestellung Studien selektiv aus und bewertet sie nach eigenen Gesichtspunkten. Sowohl die Auswahl als auch die Bewertung sind bei selektiven Übersichtsarbeiten häufig nicht klar nachvollziehbar. Dazu kommt, dass persönliche Meinungen und Erfahrungen oft…
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Studientypen – ein Überblick
Unterschiedliche Studientypen sind unterschiedlich in der Lage, systematische Fehler (Bias) und Störfaktoren (Confounder) auszuschließen. Das Ausmaß, in dem diese Einflussfaktoren kontrolliert werden, ist (neben anderen Faktoren wie der Stichprobengröße) von besonderer Bedeutung für die Aussagekraft der Studie. Überblicksmäßig können die verschiedenen Studientypen, so Iris Hinneburg (2015), mit nachfolgenden Fragen unterschieden werden:[1]Iris Hinneburg: Klinische Studien kritisch lesen. Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft Stuttgart, 2015. Werden die untersuchten Interventionen (Behandlungen) explizit im Rahmen der Studie zugeteilt oder beobachtet die Studie Behandlungen, die auch ohne Studie so vorgenommen würden? Gibt es eine Kontrollgruppe, d.h. einen Vergleich mit einer anderen Behandlung, einem Placebo oder auch gar keiner Behandlung? Wenn es eine Vergleichsgruppe gibt, werden die Versuchspersonen nach…