Im Mittelpunkt steht der Mensch und nicht die Krankheit. Shiatsu bei Krebs (Oskar Peter)

„Es gibt einen Ort jenseits unserer Vorstellungen von richtig und falsch. Dort sollten wir einander treffen!“ (Rumî, persischer Dichter und Mystiker, 1207 bis 1273)

Shiatsu ist Begegnung und Begleitung

Begegnung findet im Shiatsu dort statt, wo der Shiatsu-Klient geistig, seelisch und körperlich ist: Der Shiatsu-Praktiker muss sich soweit öffnen, dass der Klient in dem Raum, der ihm angeboten wird, Platz finden kann. Es liegt in der Natur der Sache, dass sich der Shiatsu-Praktiker dabei von persönlichen Vorstellungen möglichst befreien muss. Darunter fallen insbesondere Mutmaßungen über den Zustand des Klienten bzw. wie dieser sein sollte.

Die folgende Begleitung ist ein dynamischer Prozess bei dem der Klient Ziel, Richtung, Dauer und Geschwindigkeit bestimmt. Dabei gilt es auch die Grenzen des Shiatsu-Praktikers zu respektieren: Ihm bleibt ein Vetorecht. Versprechen abzugeben, die er vielleicht nicht halten kann oder Hoffnungen zu wecken, die er nicht erfüllen kann, sollte der Shiatsu-Praktiker vermeiden.

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Shiatsu unterstützt die Selbstregulation (Homöostase) und somit etwas, das ohnehin im Gange ist oder gerade – teilweise – stagniert. Die Behandlung als solche wird individuell an das jeweilige Gegenüber angepasst. Dies geschieht unter Berücksichtigung von Besonderheiten wie Schwangerschaft, Einschränkungen wie Wunden oder Narben und Kontraindikationen wie Fieber. Auch eine schwere Erkrankung des Klienten wie z.B. Krebs ändert nichts an diesen Prinzipien.


Die Krankheit Krebs

Bei Krebszellen ist die Koordination von Wachstum, Teilung, Absterben und Zerstörung im Zellverband außer Kraft gesetzt. Durch Defekte im genetischen Code werden regulierende Signale nicht erkannt oder deren Steuerungsbefehle nicht ausgeführt, d.h.: Krebszellen unterliegen nicht der Selbstregulation. Wie es zu diesen Defekten und Veränderungen kommt, ist nach wie vor Gegenstand der Forschung.

Die Krankheit Krebs als solche entzieht sich somit dem therapeutischen Zugang von Shiatsu, der Unterstützung der Homöostase. Daher kann Shiatsu keine Heilmethode für Krebs sein. Der Selbstregulation unterliegen jedoch nach wie vor Symptome und Nebenerscheinungen. Shiatsu kann helfen, diese besser zu bewältigen und dadurch die Lebensqualität von an Krebs erkrankten Menschen deutlich spürbar erhöhen.

Krebspatienten befinden sich in einer Extremsituation – und das in allen Stadien ihrer Erkrankung. Die Diagnose ist ein Schock, der dem Betroffenen den Boden unter den Füßen wegzieht. Die Zeit der medizinischen Behandlung stellt die Krankheit und deren Bekämpfung in den Mittelpunkt, ist mit Schmerzen verbunden und von erheblichen Nebenwirkungen begleitet. Ist diese Phase erst einmal überstanden, leiden etliche Patienten unter einer posttraumatischen Belastungsstörung. Auch bei einem günstigen Verlauf der Erkrankung bleibt die Angst vor der ungewissen Zukunft, vor einem Wiederauftreten des Tumors (Rezidiv) oder der Bildung von Tochtergeschwülsten (Metastasen). Schlussendlich endet die Krankheit für viele der Betroffenen tödlich, wobei die Überlebensrate je nach Art der Krebserkrankung, Alter, Geschlecht usw. stark schwankt.[1]Gondos, A. et al.: Cancer survival in Germany and the United States at the beginning of the 21st century: An up-to-date comparison by period analysis. In: International Journal of Cancer, 121/2, … weiterlesen


Die Rolle des Shiatsu-Praktikers

Je mehr Schmerzen, Fragen und Ängste den Shiatsu-Klienten quälen und je mehr er außer sich bzw. seiner Mitte ist, umso weiter muss der Raum sein, den der Shiatsu-Praktiker anbietet; je verworrener sich das Leben des Klienten präsentiert, umso klarer muss das Gegenüber sein, das der Shiatsu-Praktiker abgibt. Ich gehe d’accord mit Anja Forbriger, die zur Rolle des Shiatsu-Praktikers in der Behandlung von krebskranken Menschen meinte: „Die eigentliche Kunst und Herausforderung bist du also selbst.“[2]Forbriger, A.: Shiatsu mit krebskranken Menschen oder der Abschied eines Mythos. In: Shiatsu Journal 40/2005. Mehr als der durchschnittliche Klient im Praxis-Alltag konfrontieren Krebspatienten den Shiatsu-Praktiker mit den Grenzen seines eigenen Weltbildes. Das Phänomen Krebs ist in manchen Phasen sehr präsent und es kann dann schwierig sein, als Shiatsu-Praktiker den Fokus der Behandlung klar zu bewahren: Im Mittelpunkt von Shiatsu steht der Mensch und nicht die Krankheit.

„Shiatsu mit Krebspatienten“ und „Shiatsu als begleitende Therapie – z.B. bei Krebs“ waren bereits Themen im Rahmen von Shiatsu-Veranstaltungen und immer wieder bieten Shiatsu-Schulen Kurse für „Shiatsu bei Krebs“ an. Dadurch kann der Eindruck entstehen, dass man, um krebskranke Menschen behandeln zu können, erst eine spezielle Shiatsu-Fortbildung besuchen müsste. Dies kann zwar nicht schaden, ist jedoch keinesfalls zwingend notwendig.[3]Vgl. ebd.

„Bei Shiatsu ist der Patient unser Lehrer“, meinte Shizuto Masunaga und schrieb: „Wenn Sie dann die Grundtechnik beherrschen, sind Sie in der Lage, sie nach den Bedürfnissen des Patienten abzuwandeln und einen eigenen Stil zu entwickeln.“[4]Masunaga, S. und Ohashi, W.: Das große Buch der Heilung durch Shiatsu. O. W. Barth, Bern-München-Wien, Erstausgabe 1977. Für den bereits professionell arbeitenden Shiatsu-Praktiker gibt es keine zusätzlichen Techniken oder Kunstgriffe, die er sich noch aneignen müsste – auch nicht wenn der Klient an Krebs erkrankt ist.

Allerdings wird es dem Shiatsu-Praktiker in der Begegnung mit Krebspatienten und bei deren Begleitung zugute kommen, wenn er über ein fundiertes Wissen zum Thema Krebserkrankungen verfügt; zumindest bezüglich der Krebsart des jeweiligen behandelten Menschen. Das umfasst neben einem Verständnis für den Ablauf der Krankheit als solche auch Kenntnisse über den aktuellen onkologischen Behandlungsstandard und die während der Therapie in der Regel auftretenden Nebenwirkungen – denn mit diesen wird man als Shiatsu-Praktiker zu tun bekommen. Auch mit psychologischen Faktoren und komplementärmedizinischen Ansätzen sollte man vertraut sein.

Um sich dieses Wissen anzueignen stehen Zeitschriften und Bücher, Krebshilfe, Krebsinformationsdienst und -gesellschaften, Selbsthilfegruppen und das Internet zur Verfügung. Man kann Fragen in Foren posten und Erfahrungsberichte von betroffenen Patienten und Angehörigen lesen. Mit dem persönlichen Wissensschatz des Shiatsu-Praktikers steigt auch dessen Gesprächskompetenz – ein wichtiger Bestandteil von Shiatsu mit krebskranken Menschen.


Das begleitende Gespräch

Das Vorgespräch bietet die Möglichkeit, eine Vertrauensbasis für die folgende direkte Arbeit mit dem Körper zu schaffen. Viele Menschen wollen dafür bereits das Gefühl, sich „in gute Hände zu begeben“. Bei allen Gesprächen – vor, nach oder während der Behandlung – ist das Wichtigste seitens des Shiatsu-Praktikers das Zuhören. Ansonsten gilt es für ihn, keine Theorien und Spekulationen über die Entstehung der Krankheit Krebs und deren weiteren Verlauf abzugeben. Die Kunst des Shiatsu-Praktikers besteht wohl auch darin, den Fragen und Erzählungen des krebskranken Menschen genügend Raum zu geben, aber trotzdem das Gespräch zu begrenzen: Shiatsu ist keine Gesprächstherapie und das sollte beiden Seiten klar sein.


Hoffnung versus Akzeptanz

Ein zentrales Element in der Begegnung mit Menschen, die an Krebs erkrankt sind, ist die Akzeptanz des Geschehens. Oft geht es nicht darum, Mut oder Hoffnung zu machen und neue Lösungen zu finden, sondern darum, Trost zu spenden. Ralf Koss schrieb dazu in der „Süddeutschen Zeitung“: „Ohne Anerkennung des Leids in der Gegenwart bleibt keine Möglichkeit zu wirklichem Trost. Diese Anerkennung geschieht aber nicht, indem man auf abstrakte Weise bejaht, die Erkrankung an Krebs sei ein schreckliches Schicksal, um sich dann ausschließlich den Techniken zur Überwindung dieses Schicksals zuzuwenden. Diese Anerkennung des Leids geschieht nur in der direkten Begegnung mit dem Kranken. […] Ihre Voraussetzung ist nicht die vorher schon vorhandene Nähe, sondern innere Haltung der Akzeptanz vom Gegenüber.“[5]Koss, R.: Leid lässt sich nicht weglachen. Die Zumutung Krebs oder das Missverständnis vom positiven Denken. In: Süddeutsche Zeitung, München, 19./20. August 2000.

Der Verlauf der Krankheit ist ungewiss: Ein Teil der Betroffenen bleibt nach Diagnose und Therapie von einem Rückfall verschont. Bei dem anderen Teil tritt der Krebs an gleicher Stelle wieder auf oder es bilden sich woanders im Körper Tochtergeschwülste. Bedingt ein Rezidiv noch keine hoffnungslose Situation, so ist eine Heilung bei Metastasen nach derzeitigem Stand der Medizin kaum mehr möglich. Die Schulmedizin trägt dem Rechnung und geht in aussichtslosen Fällen von einer heilenden (kurativen) bzw. die Heilung unterstützenden (adjuvanten) Behandlung zu einer die Schmerzen und Symptome lindernden (palliativen) über. Komplementärmediziner jedoch werden oft nicht müde, bis zuletzt die „Kraft der Hoffnung“ zu beschwören. In alternativmedizinischen und esoterischen Kreisen kommen die „Kraft des positiven Denkens“ und der Glaube an Affirmationen, Heilrituale und Wunder dazu.

Tatsächlich handelt es sich bei sogenannten Spontanremissionen um ein reales, aber seltenes Phänomen. Internationale Studiengruppen sammeln seit einigen Jahren alle verfügbaren Daten zu diesem Thema: der Rückbildung relevanter Aktivitätsmerkmale einer Krebserkrankung entweder ohne jede Therapie oder unter Maßnahmen, die nach der onkologischen Erfahrung normalerweise nicht dazu führen. Die ernüchternde Botschaft: Beim heutigen Wissensstand gibt es keine Empfehlungen, wie eine Spontanremission zu fördern wäre.[6]Vgl. Hoc, S.: Spontanremissionen. Ein reales, aber seltenes Phänomen. In: Deutsches Ärzteblatt 46, Köln 2005. S.A3162f.

Krebskranke Menschen leiden neben Schmerzen und anderen Symptomen unter (Selbst-)Wertverlust. Eine „Niederlage“ im „Kampf gegen den Krebs“ verstärkt die Versagensgefühle. Shiatsu bietet die Chance, Krebspatienten wertfrei zu begegnen und zu begleiten. Im folgenden dazu ein paar persönlich erlebte Episoden:


Aus meiner Praxis

Doris F. ist voller Schuldgefühle: Sie war nachlässig im Visualisieren, einer zentralen Technik der „Simonton-Methode“. Die aktuellen Laborwerte der Patientin haben sich gegenüber der letzten Nachsorge-Untersuchung verschlechtert. Doris F. ist mit den Nerven am Ende, sie weint und ist verzweifelt: „Mir fehlt die Kraft, mich länger zu konzentrieren und mehr Krebszellen tot zu schießen.“

Die Methode wurde von Carl Simonton in den USA entwickelt und in den 70iger Jahren als „besonders wirkungsvolle Hilfe für Krebsbetroffene“ auch in Europa bekannt. Ein schlüssiger Wirknachweis steht jedoch aus.[7]Vgl. Leprich, Ch.: Krebs heilen durch „positives Denken“? In: Neues aus der Welt der Wissenschaft. ORF ON Science, Wien, 2002.

Ich bin froh, dass Shiatsu sich auf den Moment bezieht, keine Heilung von Krebs verspricht und Menschen nicht unter Leistungsdruck stellt.

Astrid S. ist eine schulmedizinisch „austherapierte“ Patientin. Ich mache bei ihr einen Hausbesuch. Astrid S. ist abgemagert und hat starke Schmerzen. An der Wand kleben handgeschriebene Poster mit Affirmationen der todkranken Patientin: „Ich bin wunderschön“, „Ich bin stark und werde wieder gesund“ und „Heute ist ein guter Tag“. Astrid S. erklärt: „Gestern war eine Heilerin bei mir. Sie hat ,gechannelt‘, dass ich mit meiner negativen Einstellung nicht geheilt werden kann. Wir haben dann gemeinsam die Poster gemalt.“

Ich bin sprachlos und überlege, was ich für Astrid S. tun kann. Mit anderen Patienten habe ich bereits positive Erfahrungen mit Shiatsu zur Linderung von Schmerzen gesammelt. Auch die von Astrid S. verringern sich noch während der Shiatsu-Behandlung.

Manfred L. leidet unter Depressionen. Sein Komplementärmediziner hat ihm erklärt, dass „positives Denken“ das Immunsystem stärken würde und ein starkes Immunsystem essenziell sei, da nur dadurch die Krebszellen mit körpereigenen Selbstheilungskräften vernichtet werden könnten. Manfred L. fürchtet, durch seine Depressionen sein Immunsystem zu schwächen. Diese Angst verstärkt wiederum seine Depressionen.

Hierzu der Krebsinformationsdienst des Deutschen Krebsforschungszentrums in Heidelberg: „Die meisten spontan auftretenden Tumoren scheinen nicht (mehr) unter der Kontrolle des Immunsystems zu stehen. […] Man weiß heute auch, dass es nicht reicht, das Immunsystem unspezifisch ,zu stimulieren‘, um Krebs zu bekämpfen.“[8]DKFZ (Deutsches Krebsforschungszentrum): Das Immunsystem: Funktion und Bedeutung bei Krebs. Heidelberg, 2010.

Auch bei schwerer Krankheit kann Shiatsu helfen, ein besseres Gefühl in sich selbst zu finden. Wenn die innere Ausgeglichenheit zunimmt können Depressionen – eine häufige Begleiterscheinung von Krebs – besser bewältigt werden.

Julia H. ruft an. Sie hat meine Telefonnummer von ihrer Freundin, die bereits seit längerer Zeit Klientin von mir ist. Julia H. fragt, ob sie zu mir in Shiatsu kommen darf: „Ich wurde von den Ärzten bereits aufgegeben. Mein Körper ist voll Metastasen. Ich habe acht Monate im Kloster verbracht, um mich auf den Tod vorzubereiten. Ich möchte diesen Weg bewusst gehen und suche Begleitung. In der psychoonkologischen Gruppe, die ich besucht habe, hat mir Dr. B. gesagt, ich sei ein schlechtes Beispiel für die anderen: Wenn ich nicht leben sondern sterben will, dann soll ich bitte die Gruppe verlassen!“

Die persönliche Begegnung mit Julia H. konfrontiert mich schonungslos mit meiner eigenen Unsicherheit und mit meinen Ängsten, Erwartungen und Vorstellungen. Ich darf  Julia H. zirka ein Jahr lang begleiten bevor sie stirbt.

Helga K. war nach chirurgischer Tumorentfernung der Tortur von Chemo- und Strahlentherapie ausgesetzt. Zwei Jahre nach Erstdiagnose wurden bei der Patientin vor kurzem Lebermetastasen entdeckt. Nun glaubt Helga K. persönlich versagt zu haben: „Alle anderen werden durch die Therapien geheilt, nur ich bin zu blöd dazu!“

Kein Arzt hat jemals mit Helga K. über die Möglichkeit eines schlechten Verlaufes ihrer Krankheit trotz aller Therapiemaßnahmen gesprochen. Ich erzähle ihr, dass ich in den letzten Jahren viele Krebspatienten kennen gelernt habe, die leider nicht geheilt werden konnten.


Die Rolle der Psyche

Offene Fragen zur Entstehung von Krebs und das Wissen um die ungewisse Zukunft von krebskranken Menschen führen immer wieder zu Spekulationen über die Rolle der Psyche zum Krankheitsverlauf:

Die einen betrachten Hoffnung, Vertrauen, Zuversicht und ein neues Umgehen mit sich selbst als die wichtigsten Voraussetzungen für einen Heilungsprozess – die anderen meinen, dass etwaige Heilungserfolge und die Überlebensdauer bei Krebs unabhängig davon sind. Eine vom „BMJ“ (British Medical Journal) vorgestellte Metastudie gibt der zweiten Gruppe Recht: Die Autoren fanden keinen Zusammenhang von der Einstellung der Patienten und ihrer Überlebenswahrscheinlichkeit bei Krebs. Es zeigte sich weder eine Korrelation bei positiv denkenden Menschen noch eine höhere Todesrate bei jenen, die sich einem gewissen Fatalismus ergeben hatten.[9]Vgl. Petticrew, M. et al.: Influence of psychological coping on survival and recurrence in people with cancer: systematic review. BMJ (British Medical Journal), 325:1066, British Medical Association, … weiterlesen

Jedoch bestreitet wohl niemand, dass eine positive Einstellung zu sich selbst und zur Krankheit, verbunden mit dem Prinzip Hoffnung, die Lebensqualität von schwerkranken Menschen erhöht.

Ergänzend dazu ein paar Worte zur Psychoneuroimmunologie: Auf diesem Forschungsgebiet beschäftigt man sich mit der Wechselwirkung von Nerven-, Hormon- und Immunsystem und liefert Erklärungen, warum psychologische und psychotherapeutische Prozesse sich nachweisbar auf körperliche Funktionen auswirken (Psychosomatik). Zwar konnte gezeigt werden, dass einzelne Immunreaktionen sich infolge psychosozialer Belastungen messbar verändern. Doch werden Tumoren und karzinogene Prozesse wie die Metastasierung gar nicht oder nur über kurze Phasen vom Immunsystem kontrolliert. Somit konnte die Psychoneuroimmunologie zum Thema Heilung bei Krebs bisher weit weniger greifbare Ergebnisse liefern als erhofft.[10]Vgl. DKFZ (Deutsches Krebsforschungszentrum): Das Immunsystem. Weiters: DKFZ (Deutsches Krebsforschungszentrum): Psychische Einflüsse auf die Krebsentstehung:Gibt es die Krebspersönlichkeit? … weiterlesen


Fazit

Shiatsu begegnet als ganzheitliche Behandlungsmethode dem Menschen in seiner Gesamtheit aus Körper, Geist und Seele; und zwar in der jeweiligen Gegenwart. Auch bei krebskranken Menschen kann Shiatsu sein Potential am besten entfalten, wenn der Shiatsu-Praktiker dabei bleibt, nach dieser Maxime zu handeln.

Dabei geht es weniger um ein spezielles technisches Können als um ein allgemeines Know-how zum Thema Krebs und die innere Haltung des Shiatsu-Praktikers. Wer Geburt, Leben und Tod als Wandlungsphasen begreift, wird nicht verzweifeln, falls einer seiner Klienten an Krebs stirbt. Er wird es aber auch nicht als Heilerfolg auf seine Fahnen schreiben, wenn es einem von ihm begleiteten Menschen gelingt, seine Krebserkrankung zu überwinden.


Epilog

„Einst träumte Dschuang Dschou, daß er ein Schmetterling sei, ein flatternder Schmetterling, der sich wohl und glücklich fühlte und nichts wußte von Dschuang Dschou. Plötzlich wachte er auf: da war er wieder wirklich und wahrhaftig Dschuang Dschou. Nun weiß ich nicht, ob Dschuang Dschou geträumt hat, daß er ein Schmetterling sei, oder ob der Schmetterling geträumt hat, daß er Dschuang Dschou sei, obwohl doch zwischen Dschuang Dschou und dem Schmetterling sicher ein Unterschied ist. So ist es mit der Wandlung der Dinge.“ (Meister Zhuang)[11]Dschuang Dsï: Das wahre Buch vom südlichen Blütenland. Diederichs, Düsseldorf/Köln, 1969. (Original: Zhuangzi. China, 4. Jahrhundert v. Chr).

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© Oskar Peter, Shiatsu-Praktiker in Wien, www.oskarpeter.at

Anmerkungen

Anmerkungen
1 Gondos, A. et al.: Cancer survival in Germany and the United States at the beginning of the 21st century: An up-to-date comparison by period analysis. In: International Journal of Cancer, 121/2, Wiley-Liss, 2007, S.395ff.
2 Forbriger, A.: Shiatsu mit krebskranken Menschen oder der Abschied eines Mythos. In: Shiatsu Journal 40/2005.
3 Vgl. ebd.
4 Masunaga, S. und Ohashi, W.: Das große Buch der Heilung durch Shiatsu. O. W. Barth, Bern-München-Wien, Erstausgabe 1977.
5 Koss, R.: Leid lässt sich nicht weglachen. Die Zumutung Krebs oder das Missverständnis vom positiven Denken. In: Süddeutsche Zeitung, München, 19./20. August 2000.
6 Vgl. Hoc, S.: Spontanremissionen. Ein reales, aber seltenes Phänomen. In: Deutsches Ärzteblatt 46, Köln 2005. S.A3162f.
7 Vgl. Leprich, Ch.: Krebs heilen durch „positives Denken“? In: Neues aus der Welt der Wissenschaft. ORF ON Science, Wien, 2002.
8 DKFZ (Deutsches Krebsforschungszentrum): Das Immunsystem: Funktion und Bedeutung bei Krebs. Heidelberg, 2010.
9 Vgl. Petticrew, M. et al.: Influence of psychological coping on survival and recurrence in people with cancer: systematic review. BMJ (British Medical Journal), 325:1066, British Medical Association, London, 2002.
10 Vgl. DKFZ (Deutsches Krebsforschungszentrum): Das Immunsystem. Weiters: DKFZ (Deutsches Krebsforschungszentrum): Psychische Einflüsse auf die Krebsentstehung:Gibt es die Krebspersönlichkeit? Heidelberg, 2007. Sowie: Schedlowski, M.: Gezielte Verhaltensinterventionsprogramme können das biochemische Netzwerk im Körper beeinflussen. In: Verhaltenstherapie, Ausgabe 17, S. Karger, Freiburg, 2007, S.130.
11 Dschuang Dsï: Das wahre Buch vom südlichen Blütenland. Diederichs, Düsseldorf/Köln, 1969. (Original: Zhuangzi. China, 4. Jahrhundert v. Chr).